EM 2012: DFB - Kasachstan:Suche nach dem fünften Gang

Lesezeit: 3 min

Zuerst flott, dann im Leerlauf: Die DFB-Elf gewinnt gegen Kasachstan 4:0 und ist auf dem Weg zur EM 2012. Zwei Tore erzielt Miroslav Klose und kommt Gerd Müller immer näher.

Thomas Hummel

Nach nicht einmal zwei Minuten ahnten die Beobachter, dass dieses Spiel für Kasachstan ein problematisches sein könnte. Anton Chichulin hatte da den Ball am Fuß, ein paar Meter vor dem eigenen Strafraum-Eck. Chichulin tippelte, er wackelte mit den Hüften. Er fiel um. Chichulin landete auf dem Hintern, trat nach dem Ball, einmal, zweimal, doch er traf ihn einfach nicht.

Miroslav Klose in Kaiserslautern. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Kasachische Fußballer sind sicherlich nicht für turnerhafte Körperbeherrschung am Ball bekannt. Aber gleich umfallen? Ohne Gegenspieler? Es war ein Hinweis darauf, welche Größe diese Partie für die Kaukasen hatte. Anton Chichulin spielt normalerweise beim FK Aqtöbe in der heimischen Premjer-Liga vor durchschnittlich 6800 Fans. Aqtöbe ist damit der Zuschauerkrösus in Kasachstan.

In Kaiserslautern am Samstagabend kamen offiziell 47.984 Menschen und ein paar Millionen schauten das Spiel zur Qualifikation für die Europameisterschaft 2012 am Fernseher. Auf einige Gäste-Spieler übte das Ereignis offensichtlich eine erhebliche Wucht aus. "Das war ein sehr trauriges Spiel für uns, aber wir haben gegen einen sehr starken Gegner gespielt", sagte Trainer Miroslav Beranek. Nach 90 mal wuchtigen, mal launigen Minuten stand es 4:0, die DFB-Elf baute seine Tabellenführung in der Qualifikationsgruppe A zur Europameisterschaft 2012 mit 15 Punkten und damit acht Punkten Vorsprung auf den Zweiten Österreich aus.

Fußball ist eigentlich ein Spiel, das seine Anziehungskraft aus der Unvorhersehbarkeit zieht. Selbst gegen die Färöer-Inseln warnten Vertreter des Deutschen Fußball-Bundes jahrelang vor Studenten, Elektro-Installateuren und Fischern, weil es im internationalen Fußball keine Kleinen mehr gebe.

Das scheint vorbei. Oder Bundestrainer Joachim Löw sah voraus, dass Kasachstan eher ein klitzekleiner als ein kleiner Vertreter des Weltfußballs ist. Vor der Partie in Kaiserslautern stand der Sieger jedenfalls schon fest. "Wenn wir das Tempo hochhalten und unser Spiel machen, wird Kasachstan keine Chance haben", sagte Löw. Nicht einmal ein Video des Gegners sei begutachtet worden, was beim Trainer Löw bis dahin so unwahrscheinlich erschien wie ein Fußballspiel ohne Fußball. Und sein Kollege Beranek stimmte ihm zu: "Wir können nur im zweiten Gang spielen, während die Deutschen ihren fünften einlegen."

Nationalelf: Einzelkritik
:Mit Trömmelche und Friesentee

Stadionsprecher Mertesacker, Linksverteidiger Flick, zwei Mittelfeldspieler müssen mehr schlafen und Podolski freut sich über einen Karnevalsklassiker als Hymne. Die DFB-Elf gegen Kasachstan in der Einzelkritik.

Carsten Eberts, Kaiserslautern

Und so konzentrierten sich die Fragen auf Details und Personalfragen: Wer würde links verteidigen? Antwort: Dennis Aogo vom Hamburger SV. Wer würde neben Per Mertesacker in der Mitte verteidigen? Antwort: Löw hält an Holger Badstuber vom FC Bayern fest, Mats Hummels muss sich trotz seiner tollen Saison in Dortmund weiter hinten anstellen.

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Carsten Eberts, Kaiserslautern

Schon nach knapp drei Minuten Spielzeit richteten sich die Blicke wieder auf die Rekordlisten des DFB. Kurz nach dem Umfaller von Chichulin segelte ein Freistoß von Bastian Schweinsteiger in den kasachischen Strafraum bis auf den Fuß von Miroslav Klose. Auf welchen Fuß auch sonst? Der 32-Jährige schoss das 1:0 und damit sein 60. Länderspieltor. Zum Rekord von Gerd Müller fehlten ihm nur noch acht Treffer und es waren ja noch 87 Minuten zu spielen.

Lukas Podolski erinnerte sich dann daran, dass er eigentlich gegen die kleinen Gegner (bei Podolski gab's die immer schon) die Bälle ins Tor knallt. Und so knallte er, doch der Ball flog drüber an die Finger von David Loria, die dem Torwart von Irtysch Pawlodar sicher noch lange brennen dürften. Stattdessen nutzte Thomas Müller die Anwesenheit der klitzekleinen Kasachen, um zu beweisen, dass er auch Tore schießen kann, wenn keine WM ist. Nach fünf Treffern in Südafrika machte er bis zur Halbzeit seine Länderspiel-Tore sechs und sieben (25./43.), beide Male nach Vorarbeit von Mesut Özil.

Die deutsche Mannschaft bot dem Publikum eine flotte erste Halbzeit. Selten zwar im fünften Gang, dafür häufig im vierten, was gegen die kasachischen Zwei-Gang-Profis locker ausreichte, um weitere Chancen herauszuspielen. "Das war gut gegen einen solch defensiv eingestellten Gegner", sagte Löw nach der Partie. Über das Folgende freute er sich hingegen weniger: "Wir haben dann das hohe Tempo vermissen lassen, ein bisschen viel quer gespielt." Und Müller fügte an: "Wenn sich ein Gegner so hinten reinstellt, ist es nicht immer ganz einfach für uns und auch für die Zuschauer, das anzuschauen, weil etwas viel Ballgeschiebe dabei ist."

In der Halbzeit schien irgendjemand das deutsche Spiel in den Leerlauf gestellt zu haben und es fand niemand die Gangschaltung, um das zu ändern. Plötzlich war das Tempo weg, Pässe flogen ins Aus, die kasachische Defensive tat sich leicht, die Angriffsversuche abzublocken. Löw nahm den agilen Podolski vom Platz, um zu sehen, ob Mario Gomez mit Miroslav Klose zusammenspielen kann.

Doch die Gäste kämpften sich gegen die etwas hochnäsigen Deutschen nun in die Partie und kamen zu ein paar Schussversuchen. Das anspruchsvolle Publikum pfiff und Löw brachte die spielstarken Toni Kroos und Mario Götze (77., für Schweinsteiger und Müller), um noch einmal einen Gang zu finden.

Mit Kroos und Götze erhöhte sich in der Schlussphase tatsächlich die deutsche Spielgeschwindigkeit, Klose verstolperte eine Möglichkeit zum 61. Länderspieltor, Sami Khedira köpfte freistehend vorbei. Und dann durfte doch noch einmal Klose jubeln: Khedira legte quer und der 32-Jährige schoss den Ball zum 4:0 ins leere Tor. Noch sieben Treffer, dann hat er Gerd Müllers Rekord erreicht.

Auf die Frage, ob der Rekord für ihn nun ein Ziel sei, sagte er im Aktuellen Sportstudio: "Klar, jetzt bin ich schon so weit gekommen, dann will ich natürlich auch ganz vorne stehen." Gegen klitzekleine Kasachen wird Klose aber wohl nicht mehr spielen in seiner Karriere.

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