Eishockey:Wo es wehtut

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Er liefert und liefert und liefert: Louis-Marc Aubry (Zweiter von links) feiert mit Ryan Kuffner, Morgan Ellis und Wayne Simpson (v.l.) den Ingolstädter Sieg in der Hauptstadt zum Auftakt der Halbfinalserie. (Foto: Uwe Koch/Eibner-Pressefoto/Imago)

Dichter Verkehr, blaue Flecken, verlorene Zähne: Louis-Marc Aubry fühlt sich vor dem gegnerischen Tor dennoch wohl. Mit seinen drei Treffern hat Ingolstadts Stürmer im ersten Halbfinalspiel gegen Berlin die Grundlage zum 4:3-Sieg gelegt.

Von Christian Bernhard

Louis-Marc Aubry war in den vergangenen Tagen ein gefragter Gesprächspartner. Der kanadische Angreifer des ERC Ingolstadt sezierte in verschiedenen Interviews Stärken und Schwächen der Eisbären Berlin, die er bestens kennt, da er die vorangegangenen vier Jahre für sie gespielt hatte. Dann ging es aufs Eis - und Aubry geizte nicht damit, seine eigenen Stärken zu präsentieren. In seinem ersten Playoff-Spiel als Gegner in Berlin führte er den ERC am Montagabend mit drei Toren und einer Vorlage zum 4:3-Auftaktsieg im Playoff-Halbfinale der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Damit können die Ingolstädter in der Best-of-Three-Serie mit einem Heimsieg am Mittwoch (20.30 Uhr) den Einzug in Endspiel perfekt machen. Es wäre ihr erstes Finale seit 2015.

"Was soll man schon dazu sagen, wie Aubry im Moment spielt", fragte ERC-Trainer Doug Shedden, "Simpson und er harmonieren wunderbar. Sie tragen uns." Wayne Simpson, Ingolstadts Hauptrunden-Topscorer und Aubrys kongenialer Reihenkollege, leistete zu drei der vier ERC-Tore die Vorarbeit. Aubry schnaufte direkt nach Spielende am Mikrofon von Magentasport ganz schön. "Super intensiv" sei die Partie gewesen, betonte der 29-Jährige, aber es mache aktuell großen Spaß: "Wir sind unter Strom, das ganze Team ist in Fahrt."

Wozu Aubry speziell in den Playoffs in der Lage ist, weiß niemand besser als die Eisbären selbst. Über Aubry brauche man nicht wirklich viel sagen, betonte Sven Felski noch vor der ersten Halbfinalpartie. Felski trug 20 Jahre lang das Eisbärentrikot und gewann sechs deutsche Meisterschaften, er wird im Eisbären-Umfeld der "Bürgermeister" genannt. Heute ist er TV-Experte und unterstrich noch vor dem ersten Anspiel, dass der Kanadier ein Mann für die ganz wichtigen Spiele sei: "Er hat immer in den Playoffs überragend gespielt, das war mir von vorneherein klar." Das belegen auch die Statistiken: Allein in seinen drei Playoff-Spielen dieser Saison verbuchte der Mittelstürmer beeindruckende acht Scorerpunkte (fünf Tore).

Den Spitznamen Playoff-Monster bekam Aubry damals noch in Berlin

Es werde darum gehen, für Verkehr vor dem Berliner Tor zu sorgen und bereit zu sein, die Rebounds zu verwerten, hatte Aubry vor dem Auftakt in die Halbfinalserie erklärt. Praktischerweise sorgte er aus Ingolstädter Sicht höchstpersönlich dafür, dass dieses Vorhaben umgesetzt wurde. Zwei seiner Tore erzielte der Franko-Kanadier direkt vor Eisbären-Torhüter Mathias Niederberger, das dritte abgeklärt nach einem Fehler von Nationalspieler Jonas Müller. Ingolstadts vierter Treffer von Morgan Ellis fiel nach einem Abfälscher Aubrys. Den Berlinern half so auch das Blitz-Comeback mit dem Tor von Leo Pföderl nicht: Der Nationalspieler stand überraschend auf dem Eis - vor zwei Wochen noch hatten die Eisbären sein Saison-Aus aufgrund einer Knieverletzung verkündet.

Aubry dominiert dort, wo es am unangenehmsten für einen Eishockeystürmer ist: direkt vor dem gegnerischen Gehäuse. Tim Wohlgemuth hat diese Fähigkeit Aubrys bereits als 18-Jähriger bewundert, damals noch vor dem Fernseher. Heute spielt er zusammen mit Aubry für den ERC und erinnert sich an die epische DEL-Finalserie 2018 zwischen den Eisbären und dem EHC Red Bull München, welche die Münchner im siebten Finalspiel für sich entschieden. Aubry habe "da schon die Dinger runter gerissen" und "die Leute auseinander genommen", erzählte der deutsche Nationalspieler. In jenen K.-o.-Begegnungen erspielte sich Aubry in Berlin den Spitznamen "Playoff-Monster". Wohlgemuth sitzt in der Kabine direkt neben Aubry und bekam so dessen schweren Start in Ingolstadt hautnah mit. Nach einem positiven Coronatest und der daraus resultierenden Quarantäne konnte der Kanadier erst spät in die Saison einsteigen, bei seinem dritten Saisoneinsatz bekam er dann die Scheibe voll ins Gesicht, verlor drei Zähne und erlitt einen Nasenbeinbruch. Aubry musste daraufhin mit Vollvisier spielen und erzielte in seinen ersten 15 Spielen nur ein Tor. "Er hat mir ein bisschen leid getan", berichtete Wohlgemuth, "denn ich weiß, was er kann, und wenn es nicht läuft, ist es für jeden hart." Wohlgemuth wusste aber auch, was folgen würde, als Aubry gegen Ende der Hauptrunde immer mehr aufblühte. "Ich wusste genau, wenn die Playoffs losgehen, wird er unglaublich sein. Er fällt unter die Kategorie: Ohne solche Spieler reißt du nichts. Du brauchst solche, die liefern, liefern, liefern. Und das tut er."

Der Halbfinal-Auftakt sei ein "typisches Playoff-Spiel" gewesen, betonte Ingolstadts Trainer Shedden am Montagabend. Umkämpft, intensiv, hart - und damit wie gemacht für Aubry, der seine Mannschaft bereits als emotionaler Anführer durch die Viertelfinalserie gegen Mitfavorit München geführt hatte. Aubry verfiel nicht in Euphorie. "Ich mache nur meinen Job. Physisch sein, das ist mein Spiel." Es gehe weiterhin darum, den "Saft", sprich: Energie, aufs Eis zu bringen. "Jeden Tag."

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