EHC München:Meister des Trashtalks

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Eingewöhnung in München: Ryan McKiernan (2. v. r.) mit den Teamkollegen auf dem Oktoberfest. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty)

Ryan McKiernan wurde bei den Eisbären Berlin zum wertvollsten Spieler der Playoffs gekürt und mit Rögle BK Champions-League-Sieger - nun soll er Gemeinheit nach München bringen.

Von Christian Bernhard

Wenn der EHC Red Bull München am Mittwoch auf das heimische Eis geht, werden beim ein oder anderen Münchner wohl Erinnerungen wach, auf die er gerne verzichtet hätte. Zu Gast in der Münchner Olympia-Eishalle (19.30 Uhr) sind dann die Eisbären Berlin, gegen die die Münchner im vergangenen Playoff-Endspiel den Kürzeren gezogen haben. Die EHC-Spieler mussten vor knapp fünf Monaten mitansehen, wie die Eisbären in der Münchner Halle feierten.

Dass die Berliner in den vergangenen zwei Spielzeiten den Meisterpokal der Deutschen Eishockey Liga (DEL) in die Höhe gereckt haben, wurmt die Macher des EHC. Deshalb verkündete Münchens Manager Christian Winkler vor dem Saisonstart, man wolle die Berliner "von da oben vertreiben". Um das in die Tat umzusetzen, verstärkte sich der EHC in allen Mannschaftsteilen. Im Sturm wurden Andreas Eder und Chris DeSousa dazu geholt, im Tor Mathias Niederberger, an dem die Münchner im verlorenen Playoff-Finale reihenweise gescheitert waren. Und um die Defensive aufzupolieren, verpflichtete Winkler einen Spieler, der offensiv wie defensiv Akzente setzen kann: den 33-jährigen US-Amerikaner Ryan McKiernan.

Vor allem wurde McKiernan aber geholt, weil er in den vergangenen zwei Spielzeiten das genoss, was in München mittlerweile seit mehr als vier Jahren schmerzlich vermisst wird: das Gefühl, einen Pokal in die Höhe zu stemmen. 2021 sicherte er sich mit den Eisbären die DEL-Meisterschaft und war dabei derart prägend, dass er zum wertvollsten Spieler der damaligen Playoffs gekürt wurde. 2022 krönte er sich mit Rögle BK zum Champions-Hockey-League-Sieger. Auch diesen Titel haben die Münchner nach einer Endspiel- und Halbfinalteilnahme in den vergangenen Jahren im Visier.

Es passt also, wenn McKiernan sagt, er möchte das "Wissen, wie man erfolgreich ist" einbringen. Der 33-Jährige wiederholt mehrmals, dass im Münchner Kader einige Spieler seien, die eine erfolgreiche Profivita vorweisen können. Er gibt aber auch zu verstehen, dass er fest davon überzeugt ist, noch etwas draufpacken zu können: "Ich denke, ich kann das auf ein neues Level bringen." Davon ist auch Winkler überzeugt. Der EHC-Manager hat bei McKiernan das "gewisse Gewinner-Gen" ausgemacht, "das du am Ende auch brauchst". Schweden, Deutschland, Österreich - McKiernan hat in all seinen Profiligen schon Titel geholt.

McKiernan hat, obwohl er neu ist, jetzt schon die meiste Powerplay-Eiszeit beim EHC

Obwohl McKiernan erst seit wenigen Wochen in München ist, hat sich die Tektonik in der EHC-Defensive bereits verschoben. Seine Ankunft hat das Anforderungsprofil anderer, schon lange das Münchner Trikot tragender EHC-Verteidiger verändert. Konrad Abeltshauser, der in den vergangenen Jahren unter den Abwehrspielern durchaus auch für die Abteilung Offensive zuständig war, sagt nun, dass von ihm nicht mehr unbedingt Tore erwartet werden, da "wir sehr talentierte Offensivverteidiger haben". Sein Spiel habe sich dahingehend verändert, dass er nicht mehr so viel Risiko eingehe, um Offensive zu kreieren, "weil dafür jetzt andere da sind". Einer davon ist Ryan McKiernan.

Das Sprachtalent - McKiernan spricht neben Englisch auch Deutsch, Französisch und Schwedisch - ist hinter Zach Redmond, dem amtierenden DEL-Verteidiger des Jahres, der Münchner Verteidiger mit der meisten Eiszeit (knapp 19 Minuten pro Spiel). Sein harter Schuss fand beim 6:0-Derbyerfolg gegen Augsburg auch schon den Weg ins Tor. Wie groß die Rolle eines Spielers im mit talentierten Akteuren gespickten Kader der Münchner ist, lässt sich wunderbar an der Einsatzzeit in Überzahl ablesen. Und McKiernan hat, obwohl er neu ist, jetzt schon die meiste Powerplay-Eiszeit beim EHC. Der Rechtsschütze lenkt das Überzahlspiel von der Blauen Linie aus.

Doch McKiernan soll mehr als nur ein produktiver Verteidiger sein. Winkler beschreibt ihn aufgrund seiner physischen Spielweise als "unbequem" für die gegnerischen Spieler. Dieses Prädikat begleitet den US-Amerikaner bereits seit seiner Zeit in Österreich: Damals hatte ihn Innsbruck-Trainer Rob Pallin als "gemein" bezeichnet. McKiernan galt in Österreich als Meister des Trashtalks - und als einer der meistgehassten Spieler der Liga. Er selbst sagt dazu: "Am besten bin ich, wenn ich aggressiv spielen kann."

Nach McKiernans Verständnis sollte der EHC, der in Sachen Kadertiefe diese Saison wohl die Nummer eins der Liga ist, nicht nur mit spielerischen Elementen glänzen, sondern auch mit Physis. Talent mit Härte kombinieren, "das sollte unsere Identität werden", sagt er. Der Meister Berlin ist ein hervorragender Prüfstein dafür, ob diese Identität zu dem frühen Saisonzeitpunkt bereits gefunden wurde. Der Plan von McKiernan und Niederberger, den zwei früheren Eisbären, ist für diese Saison aber auf lange Sicht angelegt: "Wir sind beide fest entschlossen, hier etwas Spezielles zu schaffen", sagt McKiernan. Etwas, das den Eisbären in den vergangenen zwei Spielzeiten gelungen ist.

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