Eishockey:Furcht einflößend wie ihr Maskottchen

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Bruchlandung für die Kölner Haie: Das DEL-Team verlor zuletzt elf Spiele in Folge. (Foto: imago images/Herbert Bucco)
  • Die Kölner Haie stehen nach elf Niederlagen in Folge nur auf Platz elf in der DEL.
  • Häufig sind die Kölner ihrem Gegner nicht unterlegen, können sich aber nicht durchsetzen.
  • Trainer Mike Stewart setzt seine Hoffnungen nun auch auf einen ehemaligen NHL-Profi.

Von Johannes Schnitzler, Köln/München

Wer in den Neunzigern schon auf der Welt war und sich ein wenig für Sport interessierte, wird sich an Peppi Heiß erinnern. Zumindest an seine Maske. Heiß stand damals im Tor der Kölner Haie; sein Gesicht war hinter dem Schutzgitter zwar nur zu erahnen, aber das war egal, jeder wusste auch so, wer diesen Helm trägt: Denn Heiß' Gesicht wurde vom monströsen Gebiss eines Hais umrahmt. Die Maske war sein Markenzeichen.

Auch der aktuelle Haie-Keeper Hannibal Weitzmann hat sich etwas ausgedacht. Auf seine Maske ist ein Bild von Hannibal Lecter ("Das Schweigen der Lämmer") lackiert. Das ist nicht nur wegen des gemeinsamen Vornamens naheliegend. Auch "Hannibal the Cannibal" verbringt ja die meiste Zeit hinter Gittern - wie ein Eishockeytorwart unter seiner Maske.

Die Haie könnten einen wie Lecter zurzeit gebrauchen: nicht den Menschenfresser, sondern den genialen Psychologen. Nach dem 3:5 am Dienstag gegen die Nürnberg Ice Tigers steht Köln auf Platz elf der Deutschen Eishockey Liga. Elf Niederlagen hat der achtmalige Meister inzwischen aneinander gereiht - einmalig in der Kölner Historie. Die Haie sind momentan so Furcht einflößend wie ihr Maskottchen, Sharky, ein Hai aus Plüsch und Frottee.

"Wir finden immer einen Weg zu verlieren", sagt Kapitän Moritz Müller

Mike Stewart erweckte am Dienstagabend durchaus den Eindruck, als ob er jemanden fressen könnte. Kurz vor Schluss - die Haie hatten ein 0:1 gedreht und ein 2:3 ausgeglichen und lagen jetzt wieder 3:4 zurück - zog der Trainer seine letzte Karte, nahm Weitzmann vom Eis und schickte einen sechsten Feldspieler ins Getümmel. Doch wenig später war auch diese Hoffnung verpufft, Nürnbergs Daniel Fischbuch traf zum 3:5 (60.). Die langjährigen Haie-Gesellschafter Ralf Pape und Frank Gotthardt saßen nebeneinander in ihrer Loge und sahen aus wie Waldorf und Statler aus der Muppet Show, denen die Lust am Meckern gründlich vergangen ist.

Achtzehn Jahre liegt die letzte Kölner Meisterschaft mittlerweile zurück, aber die Ansprüche bei dem schillernden Traditionsklub sind unvermindert hoch, der Etat bewegt sich im oberen Drittel der Liga. Nur die Mannschaft bleibt hinter den Erwartungen zurück. Stewart, vor der Saison mit besten Referenzen vom Überraschungsteam Augsburg gekommen, will nicht auf sein Team einprügeln. "Die Jungs haben alles reingeworfen. Sie haben Schüsse geblockt, unser Unterzahlspiel war sehr stark, wir haben das Spiel dominiert. Nicht nur kontrolliert - wir haben es dominiert." 38:15 Schüsse notierten die Statistiker für Köln - "und wir verlieren drei zu fünf". Die Situation sei "frustrierend", sagt Stewart.

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Das dritte Spiel - und die dritte Niederlage - gegen Nürnberg binnen neun Tagen offenbarte wieder einmal die Kölner Schwächen: Die Haie sind offensiv zu harmlos (100 Tore nach 41 Spielen sind ligaweit der drittschlechteste Wert), defensiv nicht stabil genug (beide Torhüter sind mit Fangquoten unter 90 Prozent nicht unter den Top 20) - "und manchmal schießen wir uns selbst ins Knie", sagt Stewart.

Symbolfigur für das Kölner Ungeschick war Alexander Oblinger. Der 31-Jährige ist mit 17 Scorerpunkten auf dem besten Weg, seine persönliche Hauptrunden-Bestmarke (21) zu verbessern. Er rackert und schuftet, und am Dienstag schoss er das Kölner 2:1 (29.). Aber nach dem 3:3 durch Marcel Müller (38.), dem ersten Powerplaytor für die Haie nach 48 (!) erfolglosen Versuchen, kassierte Oblinger eine Strafe, und Nürnberg, eben noch in Unterzahl, traf vorentscheidend zum 3:4 (39.). Oder Oblinger schiebt wie am Sonntag den Puck am leeren Tor vorbei, Endstand 4:3 für Mannheim. Für die Haie war es die zwölfte Niederlage mit einem Tor Unterschied. "Wir finden immer einen Weg, zu verlieren", sagte Kapitän Moritz Müller am Dienstag.

Trainer Stewart spürt das Vertrauen - und setzt auf einen Ex-NHL-Spieler

Stewart weiß, wie "wichtig das Mentale ist". Er betont deshalb die positiven Aspekte - auch wenn er dabei eher vage bleiben muss: "Wir haben schon gezeigt, dass wir gewinnen können. Wir müssen nur über diesen Hügel kommen." Dann, glaubt Stewart, sind sogar die Playoffs noch drin. "Hundert pro. Wir müssen einfach weiter arbeiten, bis der Knoten platzt."

Die Zuschauer scheinen jedenfalls an ihn zu glauben. Im Schnitt kommen 13 324 zu den Heimspielen der Haie, 1750 mehr als in der vergangenen Saison; am Dienstag waren es mehr als 11 000. Zumindest in dieser Tabelle ist Köln die Nummer eins. Der Unmut des Umfelds trifft vor allem Sportdirektor Mark Mahon, dem eine angeblich seit Jahren verfehlte Personalpolitik vorgeworfen wird. "Die Zusammenarbeit mit Mark ist gut, wir kommunizieren offen", sagt Stewart. "Aber wir sind abhängig davon, wie unsere Spieler performen." Das ließe sich als Kritik an den Profis deuten, deshalb betont er: "Die Arbeitsmoral stimmt. Aber wir müssen die Kurve kriegen." Gleich dreimal sagt Stewart das nach dem Spiel gegen Nürnberg. Denn: "Die Alternative ist gruselig." Die Alternative heißt: Saisonende Anfang März. Dann, wenn die anderen um den Titel spielen.

Ob er, der in Bremerhaven und Augsburg Jahre Zeit hatte, um Teams zu formen, diese Zeit auch in Köln bekommt, das seit 2002 zwölf Trainer verschlissen hat? Stewart glaubt: "Ja. Ich spüre das Vertrauen des Managements." Elf Partien haben die Haie noch, um die Saison zu retten, der Abstand auf Rang zehn beträgt nur drei Punkte. Hoffnung macht Stewart außerdem die Verpflichtung des ehemaligen NHL-Profis Justin Fontaine: "Ich hoffe, dass er frischen Wind bringt." Aber es ist wie verhext: Natürlich brachte der Neue erst einmal einen Infekt mit und musste gegen Nürnberg passen. An diesem Freitag soll Fontaine erstmals spielen. Die Haie gastieren dann in Krefeld, zum Derby bei den Pinguinen, die seit Monaten um ihre Existenz bangen. Not gegen Elend nannte man so ein Spiel zu Peppi Heiß' Zeit. Aber wie Hannibal Lecter sagt: "Taktlosigkeiten sind für mich verabscheuungswürdig." Noch ist es zu früh, sich zu zerfleischen.

© SZ vom 30.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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