Oliver Glasner war in einem ungewöhnlichen Outfit gekommen. Zur Pressekonferenz vor dem DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Union Berlin (Dienstag 18 Uhr/ZDF) trug der Cheftrainer von Eintracht Frankfurt zu einem weißen Kurzarmjersey mit seinen Initialen "OG" noch ein weißes Funktionshemd, das bei den angesagten Temperaturen im Stadtwald tatsächlich nützlich sein kann. Zudem herrscht im Klub seit geraumer Zeit eine frostige Atmosphäre.
Die sportliche Malaise von sieben sieglosen Pflichtspielen wird von der größten Führungskrise der jüngeren Vergangenheit überlagert. Zwietracht herrscht auf so vielen Ebenen, dass Glasner zugab: "Wir wünschen uns alle diesen Befreiungsschlag. Das wäre sicherlich für die gesamte Stimmungslage im Verein sehr positiv."
Vorstandssprecher Axel Hellmann hatte es vergangene Woche auf dem Frühlingsempfang geschafft, die "märchenhafte Geschichte" eines Traditionsvereins zu erzählen, der zu einem "der beliebtesten Klubs in Deutschland" geworden sei - ohne auch nur eine Silbe über die Eskalation zu verlieren. Tatsächlich ist die Reputation durch den rauschhaften Europa-League-Sieg rasant gestiegen, doch einigen Herren scheint der schnelle Ruhm zu Kopf gestiegen zu sein, weil sie sich im Gestrüpp der Zuständigkeit verheddert haben.
Hellmann, 51, steht dabei im Mittelpunkt eines Machtkampfes mit dem Aufsichtsratschef Philip Holzer, 57. Der Konflikt scheint kaum mehr lösbar zu sein, denn der Jurist und der Investmentbanker haben sich in Kernfragen zerstritten. Es geht um die Strategie, um die Kompetenzen - und neuerdings um ein Gutachten der Investmentbank Nomura, die den Wert der Eintracht Frankfurt Fußball AG zu Jahresanfang auf exakt 503 Millionen Euro bezifferte.
Ob diese Summe angemessen ist, darüber streiten sie gerade in Frankfurt erbittert. Und das offenbart die komplizierten Interessenslagen rund um den aufgescheuchten Klub. Aufsichtsrat und Aktionär Stephen Orenstein war im vergangenen Sommer mit seinem Versuch abgeblitzt, seine Anteile zu erhöhen. Die Geschäftspartner Holzer und Orenstein besitzen bereits knapp 17 Prozent der Anteile an der Fußball-AG. Die Irritationen und Informationen rund um die gescheiterte Kapitalzufuhr sind schwer zu überblicken.
Just der Vereinspräsident, gegen den kürzlich die Staatsanwaltschaft ermittelte, soll jetzt der Friedensengel sein
Fakt ist: Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat scheint mit den derzeit handelnden Personen fast unmöglich. Es mutet fast skurril an, dass Präsident Peter Fischer ("eine spaltende Kommunikation ist schädlich") für die Versöhnung zwischen den Alphatieren Hellmann und Holzer sorgen soll. Für Mittwoch ist ein Schlichtungsgespräch anberaumt. Fischer als Friedensengel? Nur zur Erinnerung: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hat zwar die Ermittlungen nach der Drogen-Razzia bei Fischer, 67, eingestellt, was aber nicht heißt, dass sich in dessen Haus keine Drogen befanden. Ein Kokain-Schnelltest schlug an, auch kleine Mengen Marihuana wurden gefunden. Wie sich das mit gesellschaftlicher Verantwortung verträgt, hat der Lebemann nie erklärt.
So vereint die gerade wieder sehr launische Diva eine Menge Widersprüche. Der aus der Fan- und Förderabteilung zum Weichensteller aufgestiegene Hellmann besitzt zwar noch einen vier Jahre laufenden Vertrag, aber ihn reizt definitiv die Aussicht, starker Mann der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zu werden. DFL-Aufsichtsratsboss Hans-Joachim Watzke hat im Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt, dass der derzeit mit Oliver Leki interimsweise die Geschäfte führende Frankfurter Funktionär nicht am 30. Juni aufhören werde, wenn bis dahin der Investoren-Prozess nicht abgeschlossen sei - also die Frage, ob und wie beim Ligaverband ein externer Geldgeber einsteigt. Ausgang offen.
Dass die Zwietracht bis auf den Rasen abstrahle, hat Sportvorstand Markus Krösche im ZDF-Sportstudio negiert. "Es hat gar keinen Einfluss auf den Sport. Ich glaube, dass es gar nicht so wirklich kracht." Krösche, 42, will auch von Meinungsverschiedenheiten mit Glasner, 48, nichts wissen, doch auf einer Wellenlänge funken Manager und Trainer nicht wirklich. Als Krösche nach der WM-Pause das Viertelfinale der Champions League, Platz vier in der Liga und das Pokalfinale zur Zielvorgabe machte, beklagte Glasner rasch eine zu schnell steigende Erwartungshaltung.
Mittelstürmer Kolo Muani ist der letzte Unterschiedsspieler, der in Form ist
Das Kapitel Königsklasse hat sich nach zwei Lehrstunden gegen den SSC Neapel erledigt, in der Liga wackelt jetzt der sechste Platz, so dass der Pokal nicht zum ersten Male in der Vereinsgeschichte als Stimmungsaufheller herhalten soll. Die Endspiele 2017 gegen Borussia Dortmund (1:2) und 2018 gegen den FC Bayern (3:1) waren ganzheitliche Erweckungserlebnisse. Der Triumph vor fünf Jahren in Berlin - in seinem letzten Spiel als Trainer orchestriert von dem nach München wechselnden Niko Kovac - machte die rauschenden Europapokalnächte der Hessen hernach erst möglich. Nur würde eine Saison ohne internationalen Startplatz die Entwicklung abrupt einbremsen.
Der zunehmend genervte Glasner insistiert, dass mehrere Spieler die besten Leistungsdaten ihrer Karriere hätten: "Im Laufe einer Spielzeit ist auch mal eine Delle drin. Die Jungs spielen eine coole Saison." Gleichwohl ist der begehrte Mittelstürmer Randal Kolo Muani der letzte verbliebene Unterschiedsspieler, während dessen beste Spielkameraden ihre Form verloren haben (Mario Götze und Daichi Kamada) oder verletzt sind (Jesper Lindström).
Bezeichnend, dass in der vertrackten Gemengelage Glasner auf das Angebot einer Vertragsverlängerung über 2024 hinaus überhaupt noch nicht eingegangen ist. Es heißt, dass sich nun der FC Chelsea für den gebürtigen Salzburger interessiert, auch Tottenham Hotspur soll sich erkundigt haben. Wenn nicht schnell Einigkeit einkehrt, steht Eintracht Frankfurt ein Umbruch von historischem Ausmaß bevor.