Maskottchen Fonsi, wie der rot-blaue Tiger in Erinnerung an den früheren Unterhachinger Torjäger Alfonso Garcia genannt wird, tanzte wild über das Fußballfeld - eine reife Leistung bei geschätzt 50 Grad, die es unter dem Stoffkostüm gehabt haben dürfte. Wie schon am Sonntag vor acht Tagen beim DFB-Pokalspiel gegen den FC Augsburg (2:0) flog das Stadion der SpVgg vor lauter Begeisterung der heimischen Anhänger auch im Drittligaspiel gegen Mitaufsteiger SSV Ulm in der Nachspielzeit beinahe davon - auch wenn diesmal nur 3750 Zuschauer da waren und nicht 12 500 wie zuletzt.
Während Klubpräsident Manfred Schwabl am Samstag auf einen Jubelsprint verzichtete, um nicht wieder seine etwas eingerostete Muskulatur einer Zerreißprobe zu unterziehen, und stattdessen ein Tänzchen mit einem etwas überfordert wirkenden Balljungen wagte, drehte sich alles um Patrick Hobsch. Der 28-Jährige erzielte nicht nur in der 79. Minute mit einem sehenswerten Seitfallzieher den 2:2-Ausgleich, sondern fixierte auch noch in der sechsten Minute der Nachspielzeit den Sieg, indem er eine Flanke von Sebastian Maier bei der Ballannahme an seinem Ulmer Gegenspieler vorbeilegte und die Kugel über die Linie drückte. "Ich bin überglücklich", sagte der Matchwinner hernach, es sei "traumhaft", dass ihm der Ball so spät "vor die Füße gefallen" sei. "Und ich bin nunmal dafür da, so einen reinzuschießen."
Hobschs Treffer war die letzte Pointe an jenem abermals glühend heißen Nachmittag in diesem Stadion, das sich immer mehr zu einer Art Erlebniswelt mausert. Die Ulmer hatten zuvor den besseren Start erwischt, bei ihrem Führungstor erhielten sie jedoch Schützenhilfe von Hachings österreichischem Zugang Raphael Schifferl, der eine Flanke von Bastian Allgeier ins eigene Netz beförderte (11.). Die erste Trinkpause nach gut 20 Minuten nutzte SpVgg-Trainer Marc Unterberger, um seine Mannschaft taktisch neu auszurichten: "Wir haben auf Mann-gegen-Mann-Pressing umgestellt, dann hatten wir die Spielkontrolle", sagte der Coach. Und sein Ulmer Gegenüber Thomas Wörle pflichtete ihm bei: "Das Pressing der Hachinger war mit spielentscheidend, wir hatten dann kürzere Ballbesitzphasen, und das macht sich bei diesen Temperaturen einfach bemerkbar."
In der 40. Minute glichen die Rot-Blauen aus, Markus Schwabls Schuss veredelte Mathias Fetsch mit einer minimalen Richtungsänderung. Doch in der siebenminütigen Nachspielzeit bekamen die Spatzen von Schiedsrichter Robin Braun einen zweifelhaften Elfmeter zugesprochen, den Hachings Kapitän Josef Welzmüller als "sehr unglücklich", Trainer Unterberger als "kleinen Genickschlag" und Hobsch gar als "Witz" bezeichneten. SSV-Spielführer Johannes Reichert verwandelte ihn zum 1:2 (45.+7).
"Jedem im Stadion war klar: Wenn wir das 2:2 machen, ist auch noch mehr drin", sagt Hobsch
Unterberger brachte zur zweiten Halbzeit seine beiden Top-Talente Boipelo Mashigo und Maurice Krattenmacher, es dauerte aber wieder bis zur Trinkpause zur Mitte des Durchgangs, bis die Gastgeber voll in der Spur waren und diverse Chancen herausspielten. Nach Hobschs sehenswertem Ausgleich, den wieder Schwabl vorbereitet hatte, wollten die Hachinger mehr. Das Trainerteam animierte sogar die Zuschauer auf der Haupttribüne, mit ihren Anfeuerungsrufen nicht nachzulassen. Und wie gegen Augsburg sprang der Funke auf den Platz über. Simon Skarlatidis traf mit einem fulminanten Schuss die Latte (87.), dann folgte Hobschs späte spielentscheidende Aktion. "Jedem im Stadion war klar: Wenn wir das 2:2 machen, ist auch noch mehr drin", sagte der Doppeltorschütze später.
Als "Sieg der Erfahrung" ordnete Marc Unterberger den Erfolg ein, der diesmal den Offensivaktionen der Routiniers Schwabl, Fetsch und Hobsch zuzuordnen war, nachdem zuletzt in Regensburg der 19-jährige Aaron Keller mit seinem Tor das 1:1 gewährleistet und gegen Augsburg der 20-jährige Mashigo den Sieg endgültig gesichert hatten. "Aber am Ende geht es darum, Spiele zu gewinnen, und nicht um alt oder jung", sagte der SpVgg-Übungsleiter. Und das sei in der dritten Liga schwer genug, weshalb man nun auch gleich wieder alles mobilisieren müsse, um am Mittwoch beim SC Freiburg II bestehen zu können: "Wir sind glücklich und froh darüber, wie wir gestartet sind, aber der Stressfaktor ist schon sehr hoch." Momentan handelt es sich allerdings eindeutig um positiven Stress.