Dritte Liga:Abschied von der One-Man-Show

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Neue Wege: Türkgücü-Geschäftsführer Max Kothny (re.) stellte den bevorstehenden Börsengang vor. Ein Erfolg hängt auch davon ab, ob Sercan Sararer und seine Profikollegen gut Fußball spielen. (Foto: Wagner/Fotostand/imago)

Türkgücü München verkauft seit Donnerstag Aktien und will sich damit unabhängiger machen von Geldgeber und Präsident Hasan Kivran.

Von Stefan Galler, München

Die Woche läuft richtig gut für Türkgücü München: Einerseits sportlich, zuletzt gab es gegen die Aufsteiger SC Freiburg II und TSV Havelse jeweils ungefährdete 3:0-Siege, die Elf von Trainer Petr Ruman ist weiterhin ungeschlagen und liegt vor dem Heimspiel am Samstag (14 Uhr) gegen den VfL Osnabrück nur noch zwei Zähler hinter Tabellenführer SV Wehen Wiesbaden. Doch noch besser könnten sich die neuesten Schachzüge im wirtschaftlichen Bereich auf den ambitionierten Verein auswirken: Türkgücü geht an die Börse, seit Donnerstag sind Aktien im freien Verkauf. Jedes der Wertpapiere kostet zwölf Euro, wer Anteilseigner werden will, muss mindestens zehn Stück kaufen. Auf diesem Weg könnten insgesamt bis zu acht Millionen Euro eingenommen werden. Beim offiziellen Börsengang (Initial Public Offering - IPO) soll der Preis dann 15,02 Euro pro Aktie betragen. Vorerst werden keine Dividenden ausgeschüttet.

Damit ist der Klub, dessen Vorläuferverein 1975 von türkischen Emigranten gegründet worden war, erst der dritte in Deutschland, der diesen Schritt wagt - und zwar nach Borussia Dortmund im Oktober 2000 und der SpVgg Unterhaching im Juli 2019. Die Grundlage hatte der Klub bei der jüngsten Mitgliederversammlung gelegt, und zwar durch die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder zu einer Umwandlung der Türkgücü München Fußball GmbH in die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA).

Die eingesammelten Gelder fließen in die Infrastruktur des Klubs, vor allem in ein eigenes Nachwuchsleistungszentrum

"Wir haben uns ein halbes Jahr intensiv damit beschäftigt, wie wir Türkgücü weiterentwickeln und die Professionalisierung vorantreiben können", sagte Geschäftsführer Max Kothny bei einer Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag. Man wolle "Investoren, Fans, Sponsoren und Interessenten" die Möglichkeit geben, sich am weiteren Weg des Vereins nach oben zu beteiligen. Ein Zusammenschluss, der auch im neuen Slogan auf den Trikots - "Überall Familie" - aufzugehen scheint. Immerhin soll bis 2023 der Aufstieg in die zweite Liga klappen, die Gelder, die nun eingesammelt werden, fließen beispielsweise in die Infrastruktur des Klubs, vor allem in ein eigenes Nachwuchsleistungszentrum. "Die Gespräche mit der Stadt über einen Standort werden immer konkreter", sagt Kothny.

Und er spüre bereits viel Rückendeckung aus dem näheren und weiten Umfeld des Vereins, sagt der Geschäftsführer: "Das Feedback ist absolut positiv, mich haben E-Mails aus ganz Deutschland erreicht, und alle Reaktionen waren gut und ermutigend." Gespräche mit potenziellen Investoren seien am Laufen, man gehe nun auch noch auf eine "Roadshow", um den Namen und die Marke Türkgücü in Deutschland bekannter zu machen und den Menschen das Alleinstellungsmerkmal des Vereins als "Melting Pot" (Kothny) verschiedener Kulturen zu vermitteln.

Rentabel werden die Anteile erst, wenn der Aufstieg in die zweite Liga gelingt, sagt ein Analyst

Eine der wichtigsten Konsequenzen der Schaffung zusätzlicher Anteile sei die Tatsache, dass man dadurch wegkomme von der "One-Man-Show" unter Präsident und Geldgeber Hasan Kivran, der bislang laut Klubangaben bereits etwa sechs Millionen Euro investiert habe, um den Verein innerhalb von vier Jahren aus der Landesliga in die dritte Liga zu hieven und dort zu etablieren. Kivrans Mehrheit werde laut Kothny nun "ein bisschen verwässert", dafür stelle man den Klub "auf breitere Beine", was auch für die öffentliche Wahrnehmung gut sei: "Wir wollen seriös und ruhig arbeiten, reduzieren die Abhängigkeiten von Hasan Kivran und können wegen der Aktionäre, die ein Mitspracherecht einfordern, auch keine Haudrauf-Mentalität an den Tag legen", sagte Kothny auf SZ-Nachfrage.

Man wolle den Investor definitiv "nicht loswerden", die finanzielle Last etwas von ihm nehmen, aber Kivran werde Mehrheitseigner bleiben. Durch die finanzielle Beteiligung weiterer Personen dürften Aktionen wie jene im vergangenen Dezember, als der Präsident völlig unerwartet seinen Rückzug ankündigte (und diesen wenige Wochen später widerrief), jedenfalls der Vergangenheit angehören.

Die Rahmenbedingungen stimmen offenbar, die Research-Agentur Sphene Capital hat den Wert des Klubs auf 30,4 Millionen Euro beziffert, wie ihr Gründer Peter-Thilo Hasler in der Pressekonferenz erklärte. Erfolgreich sei ein börsennotierter Verein jedoch erst, wenn die Erträge größer als die Aufwendungen seien. "Das wäre mit einem Aufstieg in die zweite Liga geschafft, vorher nicht", meinte Hasler. Allerdings sind auch die beiden vorherigen Börsengänge der deutschen Profiklubs bislang nicht sehr rentabel: Der Preis der Aktie von Borussia Dortmund liegt aktuell bei rund 5,90 Euro, Ausgabepreis im Jahr 2000 war elf Euro. Und die Haching-Aktie notiert nach dem Abstieg in die Regionalliga nur noch bei 5,80 Euro, für 8,10 Euro war sie in die Handel gegangen.

Wer dennoch an das Modell und einen schnellen Türkgücü-Aufstieg glaubt, kann sich auf der Internetseite invest.turkgucu.de registrieren und dort dann bis 15. Oktober Anteile erwerben. Einzige Voraussetzung ist ein Wertpapierkonto, das zahlreiche Banken unentgeltlich anbieten. "Nach Ende der Zeichnungsfrist wollen wir noch 2021 an die Münchner Börse", sagt Max Kothny. Dann ist die Aktie handelbar, weitere Kapitalerhöhungen seien in der Folge nicht ausgeschlossen, so der Geschäftsführer weiter.

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