Deutsche Reiter bei der Dressur-EM:Mit fröhlichem Bocksprung

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Alle Qualitäten ausgespielt: Dalera erhält ein Lob von Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Jessica von Bredow-Werndl und Dalera gehen nach EM-Silber mit der Mannschaft mit großen Erwartungen in den Dreikampf um den Dressur-Einzeltitel.

Von Gabriele Pochhammer, Riesenbeck

Nur einen kleinen Stimmungsdämpfer galt es am Donnerstag im westfälischen Riesenbeck zu verkraften: Die deutschen Dressurreiter mussten sich mit der Silbermedaille begnügen. Neuer Europameister wurde die Equipe aus Großbritannien, Bronze ging an Dänemark.

Das beste Ergebnis des Tages aber erreichte Jessica von Bredow-Werndl mit einem neuen persönlichen Bestergebnis von 84,612 Punkten vor der Britin Charlotte Dujardin auf Imhotep (82,422) und deren Landsfrau Charlotte Fry auf Glamourdale (81,258). Auch diese beiden verbuchten ihr bisher bestes Grand Prix-Ergebnis. Doch das war nur der Auftakt der EM - denn es geht noch einmal von vorne los: Die drei Frauen sind jetzt die Favoritinnen für die Einzeltitel im Grand Prix Special Special am Freitag und den Kür-Titel am Sonntag.

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Aus dem Duell ist unversehens ein Triell geworden. Weltmeisterin Charlotte Fry und die Olympiasiegerin von 2021, Jessica von Bredow Werndl, trafen bei der EM in Riesenbeck zum ersten Mal aufeinander, und auch die Goldmedaillengewinnerin von London 2012 und Rio 2016, Charlotte Dujardin, meldete Ansprüche auf den Dressurthron an. Der wird auf jeden Fall weiblich besetzt sein. Es geht nicht nur um die Medaillen, es geht auch schon um Vorschusslorbeer für Paris 2024. Denn Dressurergebnisse haben nicht nur mit dem aktuellen Ritt zu tun, sondern auch mit dem Renommée, das ein Reiter ins Viereck mitbringt. Davon können sich die Richter in den seltensten Fällen ganz lösen.

"Dalera ist mein Spiegel", sagte Bredow-Werndl

Drei Frauen, die jede auf ihre Weise nach Gold streben: Da ist Jessica von Bredow-Werndl, 37, mit Dalera, sie sind ungeschlagen seit zwei Jahren in 27 Prüfungen, ein elegantes Bild. Dabei ist die 16-jährige Trakehnerstute eigentlich kein schönes Pferd, wenn sie in ihrer Box steht oder gelangweilt im Schritt über den Abreiteplatz schlendert. Doch kaum hat ihre Reiterin die Zügel aufgenommen, geht eine Verwandlung durch das Pferd, der Körper strafft sich, die Haltung wird stolz und erhaben, der Blick wach und aufmerksam. Ihre Bewegungen sind von tänzerischer Leichtigkeit, geschmeidig und schwungvoll. Gerade die schwierigen Lektionen, wie Piaffen, Passagen und Galopp-Pirouetten, beherrscht sie besser als die meisten Konkurrenten. Reiterin und Pferd scheinen zu einer Einheit zu verschmelzen. "Wir atmen zusammen," so hat von Bredow-Werndl diese Harmonie einmal beschrieben.

In Riesenbeck spielte die Stute alle ihre Qualitäten aus. "Dalera ist mein Spiegel", sagte Bredow-Werndl: "Wenn ich auf den Punkt bereit bin, ist sie es auch." Nur bei der Anfangsaufstellung scharrte die Stute ein wenig mit dem Vorderhuf, als wollte auch sie die Richter begrüßen. Und nach Verlassen der Arena ließ sie einen fröhlichen Bocksprung raus, aber das zählte ja nicht mehr.

Die Erfolgsliste von Imhotep, dem zehnjährigen Wallach der Britin Charlotte Dujardin, 38, ist vergleichsweise kurz. Seine sechs Siege auf Grand Prix-Niveau stammen alle von nationalen Prüfungen gegen weniger starke Konkurrenz, in diesem Jahr in Aachen wurde er Zweiter und Dritter gegen die Weltklasse. Er ist nicht so glamourös wie Glamourdale und nicht so tänzerisch wie Dalera, aber er sprüht vor Kraft und Leistungswillen und hat die beste Reiterin der Welt im Sattel. Noch ist er nicht ausgereift, noch musste Dujardin in Riesenbeck aufpassen, dass er die Augen nicht überall hat, sondern sich aufs Viereck konzentrierte, musste seinen Übereifer bremsen. Aber da ist noch Luft nach oben bis zu den Olympischen Spielen im nächsten Jahr.

Beim ersten Zusammentreffen in Riesenbeck werden Glamourdale die Grenzen aufgezeigt

Charlotte Fry, 27, und ihr zwölfjähriger Glanzrappe Glamourdale sind quasi das Gegenmodell zum Olympiasiegerpaar von Tokio. Die Britin lebt und arbeitet in den Niederlanden, in einem Dressur- und Zuchtstall, in dem ihr jede Menge guter Pferde zur Verfügung stehen - Glamourdale ist der Beste. Er ist zwölf Jahre alt, vier Jahre jünger als Dalera. Bei der WM 2022 in Herning in Dänemark nutzte Fry die Pause ihrer Konkurrentin Bredow-Werndl für einen kometenhaften Aufstieg zur zweifachen Einzelweltmeisterin. Wo Glamourdale auftritt, begleitet ihn bewunderndes Raunen. Ihm haftet etwas Wildes an, ein Hauch von Fury. Bei der Tierarztkontrolle präsentierte ihn nicht seine zierliche Reiterin, sondern der Hengstwärter des Stalles, bewaffnet mit Longe und doppelten Zügeln.

Glamourdale ist seit zehn Prüfungen ungeschlagen, aber beim ersten Zusammentreffen mit seiner schärften Konkurrentin in Riesenbeck wurden ihm seine Grenzen aufgezeigt. Die Piaffen reichten nicht an die von Dalera heran, vielleicht werden sie das niemals. Auch die Pirouetten, also die engen Kreise im Galopp, gelangen nicht perfekt. Am Ende fehlte Glamourdale auch die Routine. Die kann freilich noch kommen. Schon Freitag werden die Karten neu gemischt.

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