Sportpolitik:Zündstoff für den Dreikampf

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Kandidaten fürs DOSB-Präsidentenamt: Thomas Weikert, Claudia Bokel und Stephan Mayer (von links). (Foto: dpa (3))

Wer wird Nachfolger von Alfons Hörmann als Präsident des Sportdachverbandes DOSB? Die Findungskommission präsentiert drei Vorschläge - darunter zwei Überraschungen.

Von Johannes Aumüller, München

Die Findungskommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) hatte in den vergangenen Wochen viele Gespräche zu führen. Seit Anfang Oktober sondierte sie gemeinsam mit einem Personalberater, wer denn als Nachfolger des scheidenden Präsidenten Alfons Hörmann infrage kommen könne. Insgesamt acht Bewerber lud das achtköpfige Gremium um den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff zuletzt zu einem Gespräch. Und als das Auswahlprozedere am Montag beendet war, blieben noch drei Namen übrig - inklusive zweier Überraschungen, die durchaus Zündstoff bieten.

Denn zu den offiziellen Kandidaten zählen nun auch die frühere Fechterin und jetzige Präsidentin des deutschen Fechterbundes, Claudia Bokel, sowie der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer, der derzeit noch als parlamentarischer Staatssekretär in dem für Sport zuständigen Bundesinnenministerium tätig ist. Der dritte Bewerber ist wie erwartet der Limburger Rechtsanwalt Thomas Weikert, der noch bis zum Jahresende den Tischtennis-Weltverband anführt und der bislang als Favorit gilt. Die Wahl des neuen DOSB-Präsidenten erfolgt bei der DOSB-Mitgliederversammlung in Weimar am 4. Dezember.

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Warum welcher andere Bewerber nicht durchgewunken wurde, wurde nicht mitgeteilt. Man habe sich in den vergangenen Wochen "mit einer großen Bandbreite an Kandidatinnen und Kandidaten intensiv ausgetauscht", erklärte die Findungskommission. Aus diesem Kreis schlage man "drei Persönlichkeiten vor, die eine klare Vorstellung von den Herausforderungen dieses Amtes mitbringen und sicherlich gut in der Lage sind, dieser anspruchsvollen Aufgabe gerecht zu werden".

Schon am Sonntag kommt es zu einer ersten Vorstellungsrunde bei den Mitgliedsorganisationen des Sports

Ein Dreikampf um das höchste Amt des deutschen Sports - das ist eine Konstellation, die es so noch nie gegeben hat. Viele Beteiligte hoffen, dass es durch dieses Verfahren zu einer Befriedigung des in den vergangenen Jahren stark gespaltenen deutschen Sports kommt. Basketball-Präsident Ingo Weiss, der als Sprecher der Spitzenverbände Teil der Findungskommission war, schwärmte bereits davon, dass diese Konstellation einen "Neuanfang" und einen "Glücksfall" darstelle. Zugleich ist aber auch klar, dass es einen harten Kampf um die Mehrheit geben wird.

Bereits am nächsten Sonntag wird sich das Bewerber-Trio bei einer Konferenz in Düsseldorf den Mitgliedsorganisationen vorstellen. Dass noch jemand von ihnen zurückzieht, gilt als unwahrscheinlich; dem Vernehmen nach hat die Findungskommission bei den Bewerbern abgeklopft, bei Kampfkandidaturen anzutreten. Allerdings ist es gemäß der Satzung auch möglich, dass bei der Mitgliederversammlung in Weimar zusätzlich noch jemand kandidiert, der bei der Findungskommission durchfiel oder der bisher gar kein Thema war - etwa ein Vertreter der Landessportbünde. Zumindest dürfte manch einer verstimmt darüber sein, dass der nordrhein-westfälische Landessportbund-Chef Stephan Klett, der ebenfalls bei der Findungskommission zum Gespräch war, erst gar nicht nominiert wurde. Klett selbst aber ließ wissen, dass er seine Kandidatur nun nicht weiterverfolgen werde.

Allerdings ist auch die jetzige Interessentenlage brisant genug. Die Kandidatur von Bokel, 48, ist unter anderem deswegen verblüffend, weil der von ihr geführte Fechtverband zu den 14 Spitzenverbänden zählte, die vor wenigen Wochen bei der Findungskommission einen Vorstoß pro Weikert unternahmen. Eine Anfrage am Montag beantwortete sie nicht.

Wie soll bei Mayer der rasche sportpolitische Wechsel aus dem Innenministerium zum DOSB möglich sein?

Noch erstaunlicher ist die Lage beim CSU-Politiker Mayer, 47, der erklärt, er fühle sich "außerordentlich geehrt, dass die Findungskommission mich als geeignet und würdig erachtet". Denn bei ihm stellt sich die Frage, wie ein so rascher sportpolitischer Seitenwechsel aus dem Innen- und Sportministerium zum DOSB möglich sein soll. Die Beziehung zwischen den beiden Häusern ist ja durchaus speziell: Zwar kam es wegen der sogenannten Spitzensportreform zu einer Erhöhung des Budgets auf inzwischen zirka 300 Millionen Euro pro Jahr. Aber zugleich gab es auch zahlreiche Verstimmungen zwischen dem organisierten Sport und dem Ministerium. Von daher bleibt abzuwarten, wie Mayers Kandidatur im deutschen Sport ankommt.

Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob es eigentlich vereinbar wäre, dass Mayer zugleich im Bundestag sitzt und als DOSB-Präsident amtiert. Der CSU-Mann beantwortete eine Frage dazu, wie er mit dem Mandat umgehen würde, nicht konkret. Für die Findungskommission stellt es offenkundig kein Problem da, solange er in dieser Legislaturperiode nicht im Sport- oder im Haushaltsausschuss sitzt.

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Die Suche nach einem neuen Präsidenten war notwendig geworden, weil Hörmann nach Vorwürfen über seinen Führungsstil und einer Neuwahl-Empfehlung der Ethikkommission erklärt hatte, sein Amt im Dezember niederzulegen. Die Satzung führt jedoch dazu, dass diese Wahl zunächst nur für ein Jahr erfolgt, erst 2022 wird es wieder Wahlen für eine reguläre vierjährige Amtszeit geben.

In Weimar wählt der DOSB nicht nur einen neuen Präsidenten, sondern besetzt auch die übrigen fünf Präsidiumsposten neu. Von den bisherigen Amtsinhabern hat lediglich der für Wirtschaft und Finanzen zuständige Vizepräsident Kaweh Niroomand erklärt, nicht mehr antreten zu wollen. Allerdings dürften es auch die anderen schwer haben, im Amt zu bleiben. Denn alle drei Kandidaten fürs Präsidentenamt werden in den nächsten Tagen auch damit beschäftigt sein, sich ein entsprechendes Team zusammenzustellen.

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