Kader des BVB:Großgarage voller Luxusschlitten

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Mario Götze schaut zu, wie die Kollegen kicken. (Foto: AFP)
  • Trotz der vielen namhaften Weggänge wie Sokrates, André Schürrle oder Nuri Sahin ist der Dortmunder Kader überfüllt.
  • Trainer Lucien Favre muss Spieltag für Spieltag einigen Akteuren absagen, die bei anderen Bundesligisten zum Stammpersonal gehören würden.
  • Für den BVB stehen einige englische Wochen an, so können zumindest ein paar Spieler auf ihren baldigen Einsatz hoffen.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Von den beiden neuesten Urteilen über den viel diskutierten Fußballer Mario Götze klingt das erste wenig überraschend: "Er kann zentral spielen." Das hatte man irgendwie geahnt über den offensiven Mittelfeldmann, der Deutschland 2014 zum Weltmeistertitel geschossen hat. Doch der zweite Kommentar von Götzes derzeitigem Trainer Lucien Favre lässt aufhorchen: "Er kann in einem 4-3-3-System spielen - aber 4-3-3 ist manchmal sehr, sehr engagiert, sehr, sehr athletisch." Soll das etwa heißen, Götze ist nicht sehr, sehr engagiert, nicht sehr, sehr athletisch?

Favre ist vor dem dritten Liga-Saisonspiel von Borussia Dortmund mal wieder zu Götze befragt worden, und er hat mit seiner Antwort gewissermaßen ausgeschlossen, dass der 26-Jährige an diesem Freitagabend gegen Eintracht Frankfurt in der Startelf steht. Favre spricht über Götzes Rolle im BVB-Team, als sei es keine sehr gute Idee, einen Kunstradfahrer bei der Tour de France anzumelden oder einen Dartsprofi beim Speerwerfen. Der Weltmeister Götze also ist nicht erste Wahl beim neuen Trainer Favre, aber der neu verpflichtete Schweizer Nationaltorwart Marvin Hitz ist es auch nicht, der fünfmalige Nationalspieler Julian Weigl ebenfalls nicht - und der U21-Europameister Jeremy Toljan sowie der ehemalige FC-Bayern-Spieler Sebastian Rode sind es erst recht nicht.

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Guerreiro, Toprak und wohl auch Pulisic fallen aus

Der BVB-Kader ist wie eine Großgarage voller Luxusschlitten, in der eine Corvette und ein Bentley in der Ecke verstauben. "Wir sind zu viele", klagt Favre, "wir dürfen zu jedem Spiel nur 16 Feldspieler nominieren" - dabei stehen 26 Feldspieler im Kader. Bei jedem Spiel müssen zehn von ihnen zuschauen, stattliche Fußballer, die bei vielen anderen Bundesligaklubs vermutlich in der Startelf stünden.

Zehn Feldspielern muss Favre vor jedem Spiel erklären, was sie auf dem Platz zu tun haben, sechs Feldspielern muss er erklären, wie sie sich nach ihrer potenziellen Einwechslung zu verhalten hätten - und zehn Feldspielern muss er erklären, warum sie sich kein Sportzeug anzuziehen und nicht mal auf der Bank zu setzen brauchen. "Das ist das Schwierigste", gesteht Favre, "da ist es wichtig, zu den Spielern ganz ehrlich zu sein - vor allem im Mittelfeld sind wir zu viele, und egal, welches System du spielst, du hast jedes Mal ein Problem."

Zwar ist diese Qual der Wahl ein Problem, das mancher Bundesligatrainer gerne hätte, aber wenn man talentierte Fußballprofis immer wieder vertrösten und ihnen in die traurigen Augen schauen muss, kann einem sogar der Spaß an der großen freien Auswahl vergehen. Der Hauptpreis an der Losbude auf dem Jahrmarkt ist für Favre zermürbend. Doch in den nächsten Wochen tun sich Gelegenheiten auf: "Wir haben jetzt sieben Spiele in 23 Tagen", sagt Favre und verweist auf einen höheren Personalbedarf. Frankfurt, Brügge, Hoffenheim, Nürnberg, Leverkusen, Monaco und Augsburg heißen die Gegner bis zum 6. Oktober. Da werden auch Götze und Weigl mitspielen dürfen, vielleicht sogar mal Toljan oder Rode.

Zudem ist es bekanntlich so, dass Fußballer bisweilen nicht einsatzfähig sind, sondern verletzt. An diesem Freitag gegen Frankfurt werden Raphaël Guerreiro und Ömer Toprak ausfallen und vielleicht auch Christian Pulisic, was auf der rechten, offensiven Seite eine Lücke öffnen würde für den 23 Jahre alten Marius Wolf, der im Sommer von Eintracht Frankfurt zum BVB gewechselt war. Er täte nichts lieber, als unter Flutlicht vor 80 000 Zuschauern gegen seinen ehemaligen Verein in der Startelf zu stehen.

Wolf konkurriert auf den Flügeln allerdings auch ohne Pulisic noch mit Marco Reus, Maximilian Philipp, Jadon Sancho sowie überdies mit einem 19 Jahre alten Dänen namens Jacob Bruun Larsen, der im jüngsten Testspiel gegen den Drittligisten Osnabrück vier Tore geschossen hat. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil der neue spanische Millionenstürmer Paco Alcacer vom FC Barcelona in genau diesem ersten Spiel für den BVB binnen 74 Minuten kein Tor geschossen hat.

Alcacer, 25, ist der Königstransfer des BVB in dieser Saison und spielt fortan in der Tradition so treffsicherer Mittelstürmer wie Manfred Burgsmüller (135 Bundesligatore für Dortmund), Stephane Chapuisat (101), Robert Lewandowski (74) und Pierre-Emerick Aubameyang (98). Das ist eine erdrückende Historie auf dieser Position, weshalb Favre den neuen Mann nur "peu à peu" in die Pflicht nehmen will: "Er spürt Fußball und ist vor dem Tor sehr geschickt", sagt Favre, der den Spanier gegen Frankfurt vermutlich zumindest erstmals einwechseln dürfte. Auch Alcacer ist aber keineswegs gesetzt, weil Reus und Philipp ebenfalls in der Spitze spielen können und im Vergleich mit dem nur 1,75 Meter großen Stürmer bei Standards und Flanken keinen Nachteil haben - im Gegenteil: Reus ist fünf Zentimeter größer, Philipp sogar acht.

Unermüdlich Gedanken macht sich Favre also über die Auswahl und Anordnung seiner Spieler: "Es braucht Zeit, die beste Mannschaft und das beste System zu finden." Sorgen müssen sich Freunde und Verwandte aus dem schweizerischen Kanton Waadt aber keine machen. Auf die Frage, wie er sich eingewöhnt habe in Dortmund, sendete Lucien Favre eine beruhigende Botschaft in die Fußballwelt: "Es geht mir gut."

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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