Dortmund schlägt Schalke:"Das Tor war für sie und für meine Familie"

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Jadon Sancho deutet nach seinem Tor Richtung Himmel. (Foto: Ina Fassbender/dpa)
  • Borussia Dortmund schlägt den FC Schalke 04 mit 2:1 und bleibt damit ungeschlagen.
  • Matchwinner ist der 18-jährige Jadon Sancho, der in Gelsenkirchen zum Sieg trifft.
  • Dabei konnte er die Woche kaum trainieren. Wegen eines Trauerfalls reiste er nach London.

Von Felix Meininghaus, Gelsenkirchen

Das Bild vor Beginn des Revierderbys auf Schalke war durchaus putzig: Tausende Schalker auf der Fantribüne, die sie Nordkurve nennen, obwohl sie ja strenggenommen eine Gerade ist, hatten sich mit blau-weiße Nikolausmützen ausgestattet, man hätte meinen können, in der Arena sei ein launiges Klassentreffen angesetzt. Dabei sind Spiele zwischen blau-weiß und schwarz-gelb seit Generationen eher Glaubenskämpfe als Weihnachtsfeiern.

Die 174. Auflage des ewig jungen Klassikers stand unter besonderen Vorzeichen: Nie zuvor betrug der Abstand beider Mannschaften bereits in der Vorrunde 19 Punkte, was zum einen daran liegt, dass der BVB als Tabellenführer eine beinahe makellose Bilanz von zehn Siegen und drei Remis vorweisen kann, und zum anderen daran, dass die Schalker ja immer noch die Hypothek von fünf Niederlagen zu Saisonbeginn mit sich rumschleppen.

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Dennoch hatte Marcel Schmelzer sein Team bei der kurzen Auswärtstour nicht als eindeutigen Favoriten identifiziert. Der ehemalige Dortmunder Kapitän verwies auf den Pokalcharakter des Spiels: "In einem Derby ist es egal, welchen Platz die jeweilige Mannschaft belegt. Da kommt es auf die 90 Minuten an - und darauf, wie sehr man dieses Spiel gewinnen möchte."

Dass die Dortmunder den Vorsprung auf den ungeliebten Rivalen auf kaum glaubliche 22 Zähler ausbauten, lag allerdings nicht daran, dass sie mehr Leidenschaft und Willen in die Begegnung einbrachten. Sondern an der größeren individuellen Klasse, die dem BVB den Sieg bescherte, insbesondere der Klasee der Torschützen und Derby-Debütanten Thomas Delaney und Jadon Sancho.

Der Treffer von Sancho war nicht nur deshalb bemerkenswert, weil das 18-Jährige Talent vor dem Tor erstaunlich abgebrüht agierte. Sondern auch, weil der Engländer im Verlaufe der Woche aufgrund eines Trauerfalls des Todes seiner Großmutter einige Trainigseinheiten verpasste, weil er zuhause in London gebraucht wurde. "Das Tor war für sie und für meine Familie", sagte Sancho nach dem Spiel. "Es war eine wirklich schwere Woche für ihn", berichtete Trainer Lucien Favre: "Aber er wollte unbedingt das Spiel auf Schalke machen." Manager Michael Zorc sagte: "Jadons Leistung ist umso höher zu bewerten, wenn man sieht, was er durchgemacht hat diese Woche."

Sein Kollege Marco Reus sagte: "Wir haben 90 Minuten das Spiel dominiert, uns in der zweiten Halbzeit allerdings von der komischen Spielweise der Schalker einschläfern lassen." Der zweite Torschütze Thomas Delaney sagte: "Ich bin so müde, aber es ist einfach nur geil."

Das Spiel hielt allerdings nicht das, was sich die 61.767 Besucher versprochen hatten. Trotz dreier Tore war es keine Begegnung mit großem Erinnerungswert. Dabei ging es doch für die Gäste, die weiterhin zielstrebig auf die neunte Meisterschaft ihrer Vereinsgeschichte hinsteuern, so schwungvoll los: in der siebten Minute landete ein Freistoß von Marco Reus auf dem Kopf von Thomas Delaney, der keine Mühe hatte, zur Führung abzuschließen. Allerdings: So unbedrängt ist der Mittelfeldspieler wahrscheinlich seit seiner Kindheit im dänischen Fredirksberg nicht mehr ans Spielgerät gekommen.

Die Dinge schienen nun auf einen ungefährdeten Sieg der Dortmunder hinzusteuern, was auch daran lag, dass die Schalker in der Vorwärtsbewegung nicht viel zustande brachten. Schalkes einziger verbliebener Stürmer Guido Burgstaller musste in der 36. Minute auch noch verletzt ausgewechselt werden. Als Ersatz kam Hamza Mendyl, normalerweise Linksverteidiger, aber Schalkes hat so große Personalprobleme, dass er Stürmer spielen musste.

Schalkes Fans bejubeln Einwürfe und Eckbälle wie Tore

Trainer Domenico Tedesco wollte trotzedm nicht aufgeben, er tigerte unablässig mit wild rudernden Armen in seiner Coachinzone auf und ab, um seine Spieler zu mehr Initiative aufzufordern. Viel nutzte es nicht, die leidgeprüften Fans mit ihren Pudelmützen bejubelten schon Einwürfe und Eckbälle wie Torerfolge. "Was schlichtweg bei uns fehlt, ist die Durchschlagskraft", bemängelte Trainer Domenico Tedesco: "Wir finden den Spieler in der Box nicht.

Immerhin gelang es den Schalkern, das Spiel offen zu gestalten, Dortmund hatte Glück, dass der Unparteiische Daniel Siebert aus Berlin ein Handspiel von Witsel noch ahndete und auch der Video-Schiedsrichter nach Betrachten der Bilder die Auffassung vertrat, der Regelverstoß sei nicht absichtlich gewesen.

In der zweiten Halbzeit kam die Fachkraft in Köln zu einem anderen Urteil, als sie einen Zweikampf von Reus gegen Harit als Foulspiel wertete. Eine harte Entscheidung, Daniel Caligiuri verwandelte den fälligen Strafstoß souverän. "Da waren wir am Drücker", sagte der Torschütze, "und dann leisten wir uns einen Ballverlust, der völlig unnötig war."

Reus betonte bei seiner Wertung der spielentscheidenden Szene, als der eingewechselte Raphael Guerreiro den durchstartenden Sancho mustergültig in Szene setzte, den künstlerisch wertvollen Aspekt: "Das war unheimlich gut rausgespielt, wir trainieren das genau so." Der Kapitän darf für sich und sein Team auf der Habenseite verbuchen, dass es im Herbst des Jahres auch dann zum Sieg reicht, wenn die Darbietungen spielerisch manchen Wunsch offen lassen. Selbst im Derby. Kein Zweifel: So agieren Mannschaften, die für große Titel infrage kommen.

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