Dortmund in der Bundesliga:Warmes Gelb

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Der Kapitän rettet das gelbe Unterseeboot: Mit seinem Abstaubertor bescherte Marco Reus dem BVB drei Punkte gegen den VfB Stuttgart. (Foto: Martin Meissner/AP)

Zwei Wochen vor dem Duell mit dem FC Bayern ist Borussia Dortmund durch einen 2:1-Arbeitssieg gegen Stuttgart den Münchnern bis auf einen Punkt nahe gerückt. Während der Klub "in der Liga voll im Soll" ist, verkündet BVB-Boss Watzke einen coronabedingten Verlust von 144 Millionen Euro.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Das kollektive Strahlen in den Gesichtern der BVB-Profis hatte nicht so richtig viel mit dem eben absolvierten Fußballspiel zu tun, sondern eher mit dem Evergreen, den die Südtribüne angestimmt hatte: "Deutscher Meister wird nur der Be-Vau-Be", auf die Melodie des ollen Beatles-Gassenhauers "Yellow Submarine". Wann wäre das Lied vom gelben Unterseeboot von der gelben Dortmunder Wand zum letzten Mal ironiefrei intoniert worden? Und so wärmten sie sich alle aneinander, nach einem weiteren dieser vielen Arbeitssiege der Saison - dieses Mal beim 2:1 gegen den VfB Stuttgart. Und zwei Wochen vor dem Showdown eben mit dem FC Bayern, der schon das ganze Jahrzehnt lang diesen Lieblingssong der BVB-Fans im Keim erstickt hat.

Marco Rose hatte die frohe Botschaft und die Gunst der Stunde ebenso begriffen. "Wir sind jetzt oben dran, und wir wollen so lange es geht oben dran bleiben", versicherte Dortmunds Trainer wenig überraschend. Ein Punkt Rückstand nur auf die Bayern! Nach mehr als einem Drittel der Saison! Kein Wunder, dass sich die Fans trotz des bisweilen mauen Spiels in Euphorie sangen. Und dass der seit Corona fast verlernte Überschwang dieses Mal mehr mit dem Sieg der Augsburger Schwaben am Freitag gegen den FC Bayern zu tun hatte und weniger mit dem eigenen, schwer erkämpften gegen die Stuttgarter Schwaben. Arbeitssiege müssen eben sein, wenn man mit den Münchnern mithalten will.

Rose ist allerdings nicht der Typ fürs Schwärmen. Dass seine Mannschaft schon seit Saisonbeginn selten fußballerisch gefällt, weiß der Fußball-Lehrer selbst. "In Teilbereichen", drechselte Rose seine Kritik, weil nach sieben Heimsiegen in Folge ja schlecht kritisieren ist, "sind wir noch weit weg von zufrieden." In Kabinen-Deutsch dürfte sich das ab Montag dann anders anhören. Am Ende rettete ein Abstauber-Tor von Kapitän Marco Reus, das er selbst mit vorbereitet hatte, den späten 2:1-Sieg, zu dem vorher der Niederländer Donyell Malen mit seinem ersten Liga-Tor beigetragen hatte.

Trainer Rose weiß, bei wem er sich zu bedanken hat: Die "Fans haben uns heute viel Energie gegeben."

Gegen den VfB Stuttgart, damals aufstrebender Aufsteiger, war Dortmund vor einem Jahr mit 1:5 untergegangen. Wenige Stunden später war Cheftrainer Lucien Favre beurlaubt und Co-Trainer Edin Terzic zu seinem Nachfolger befördert. Mit etwas mehr Spielglück hätte der VfB Stuttgart, mit wohltemperierter Sorglosigkeit auf Platz 16 gerutscht, auch gegen den BVB unter Terzic-Nachfolger Rose zumindest einen Punkt holen können. Rose würdigte ausdrücklich den "Faktor der Fans, die uns heute viel Energie gegeben haben".

VfB-Sportdirektor Sven Mislintat, gebürtiger Dortmunder, elf Jahre beim BVB und im Jürgen-Klopp-Stab unterwegs, machte die Fan-Kulisse dafür verantwortlich, dass einigen aus seiner talentierten Jungschar wohl doch etwas die Nerven flatterten: "Letztes Jahr war das Stadion leer, als wir hier gespielt haben. Heute haben einige gemerkt, dass dieses Stadion etwas mit dir macht, wenn die Leute da sind."

Kann sein, dass sie sich in Stuttgart gerade noch etwas zu sehr an dem Feuer der letzten Saison wärmen, und noch nicht ganz wahrhaben wollen, wo sie punktemäßig gerade stehen. Beim BVB dagegen scheint das Problem genau anders herum: 27 von 36 möglichen Punkten. Das klingt nach Spitzenmannschaft. Und noch besser, dass auch die Bayern sich dieses Mal Blößen geben, immerhin auch schon zweimal verloren haben, und sich gerade in Corona-Impf-und-Quarantäne-Gestrüpp zu verheddern scheinen. In 14 Tagen, am 4. Dezember, werden sie in Dortmund erwartet. Und mit ganz, ganz viel Glück könnte dann vielleicht auch Torjäger Erling Haaland wieder von der Tribüne aufs Spielfeld zurückkehren. Viele in Dortmund sagen, dass Haaland den Mangel an Spielkultur durch seine pure Anwesenheit und Wucht ersetzt.

Das ändert nichts daran, dass Dortmund so oder so von Arbeitssieg zu Arbeitssieg eilt. Spitzenmannschaften sollten meistens spitze sein, und enge Spiel ausnahmsweise per Arbeitssieg gewinnen. Der BVB aber verharrt im Malocher-Modus. Jedes Mal mit viel Kraftaufwand, und oft mit etwas Massel. Nicht wenige fanden, dass die Bayern bei ihrer Schlappe in Augsburg besser gespielt hätten als die Borussen bei ihrem Sieg. Gegen Stuttgart ließ sich die BVB-Deckung einige Mal überrumpeln, nicht nur beim Ausgleich von Roberto Massimo, bei dem der junge Stuttgarter, der eigentlich aus Lippstadt in Westfalen stammt, ausgerechnet Dortmunds Souverän Mats Hummels alt aussehen ließ. "Die Bundesliga ist nun mal so, du bekommst nichts geschenkt", verteidigte Rose die Punktausbeute gegen die aufkeimenden Phantasien von besserem Fußball.

"Wir liegen in der Liga voll im Soll", hatte BVB-Boss Hans-Joachim Watzke am Sonntag auf der Mitgliederversammlung des Vereins verkündet. Der Mann weiß, wofür man sicheren Applaus bekommt, wenn man schon über den BVB-Erzrivalen Schalke nichts sagen kann, weil der gerade in einer anderen Liga unterwegs ist. Mehr Sorgen als ums Punktekonto und die meist erkämpften und erwürgten Siege machen Watzke die Corona-Entwicklungen. Die Betriebszahlen für die zurückliegenden eineinhalb Corona-Saisons sind bedrückend. 144 Millionen Euro Verlust hat der BVB in den Corona-Spielzeiten eingefahren.

Watzke baute in seiner Rede schon mal vor: "Wir sollten mit dem Fußball nicht in Kollektiv-Haftung genommen werden". Sollte heißen: Gegen den FC Bayern, und bitteschön auch danach, möchte Dortmund weiter mit vollem Stadion wirtschaften können. Der Klub hat den Dauerkartenbesitzern deshalb vorsorglich ein Zwei-Drittel-Jahresticket angeboten, gültig ab dem Spiel gegen die Bayern.

Dass Nordrhein-Westfalen aber um Beschränkungen der Kapazitäten bei Bundesliga-Spielen ganz herum kommt, ist nicht besonders wahrscheinlich, wenn anderswo die Weihnachtsmärkte abgesagt werden und die Stadien, wie etwa in München, nur noch zu einem Viertel besetzt werden dürfen. Kann also sein, dass auch die Gelbe Wand schon bald wieder im Dienste der Gesundheit schrumpft, und das Lied mit dem gelben Unterseeboot wieder Pause hat.

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