Dortmund-Gegner FC Málaga:Helden eines langen Sommers

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Málagas Isco (li.) und Ignacio Camacho: Schwierige Zeiten bereits gemeistert (Foto: dpa)

Der FC Málaga stand schon oft vor dem Aus, erst im vergangenen Jahr verlor der Verein seinen Geldgeber. Trotz ausgedünnten Kaders hat sich der einstige Scheich-Klub in extrem kurzer Zeit viele Sympathien verdient - im Viertelfinale der Champions League gegen Borussia Dortmund drückt ganz Spanien die Daumen.

Von Oliver Meiler

Das ist die eigentümliche Geschichte eines Fußballvereins ohne Hasser und Neider, dem die Spanier allen Erfolg gönnen. Zumindest die meisten. Früher lag das daran, dass der FC Málaga nie eine Bedrohung war, für niemanden. Die Andalusier stiegen ab und auf, sie waren eine klassische Liftmannschaft, gewannen bis heute nie einen nationalen Titel und fristeten ihr Dasein immer hart am Bankrott.

Da wäre jede Investition in eine Rivalität verlorene Mühe gewesen, ja sogar etwas pietätlos. Die breiten Sympathien aber verdiente sich der FC Málaga, der nun zu den besten acht Teams Europas gehört und an diesem Mittwoch im Viertelfinale der Champions League Borussia Dortmund empfängt, im Sommer 2012 - dem Sommer des "Wunders". Die Sportzeitung Marca nannte es einmal ein "romantisches, beinahe poetisches Abenteuer". Es mangelt in Spanien ja sonst gerade an schönen Geschichten.

Sie begann mit einer großen Ernüchterung. Im vergangenen Sommer also beschloss der Besitzer des Vereins, kein Geld mehr einzuschießen - keine Löhne, keine Transferschulden, keine Steuern mehr zu bezahlen. Über Nacht, ohne Warnung, ohne Erklärung. Abdullah bin Nasser al-Thani, ein Scheich aus Katar und Cousin des Kronprinzen des reichen Golfstaates, ist ein reservierter und stiller Mann, der im nahen Marbella ein hübsches Feriendomizil hat und sich doch nur selten zeigt.

Als er den FC Málaga 2010 für 40 Millionen Euro kaufte und ihm eine ruhmreiche Zukunft prophezeite, glaubte man an der Costa del Sol, der Mann steige direkt aus dem Himmel herab und erlöse den Verein von allen Sorgen. Mitten in der Krise. "El jeque", wie sie ihn nennen, als gebe es nur einen Scheich, ihren Scheich, stattete Málaga mit Mitteln aus, wie man sie dort noch nie gesehen hatte. Es war wohl ein Test für den Einstieg Katars bei Paris Saint-Germain im Jahr danach, die noch größere Nummer für die globale Vermarktung des Emirats.

Es sollte schnell gehen, schnell an die Spitze. In den ersten zwei Jahren investierte al-Thani mehr als 150 Millionen Euro in neues Personal. Es kamen Spieler mit bekannten Namen: Santiago Cazorla etwa, der grau melierte Franzose Jérémy Toulalan, der Niederländer Ruud van Nistelrooy, die ehemaligen Bayern-Profis Martín Demichelis und Roque Santa Cruz, der Brasilianer Júlio Baptista.

Und das größte Talent des spanischen Gegenwartsfußballs kam auch: Francisco Alarcón Suárez, besser bekannt als Isco, heute 20, ein Malagueño. Als Sportdirektor holte der Scheich Fernando Hierro, den ehemaligen Abwehrchef von Real Madrid, ebenfalls in Málaga geboren. Als Trainer verpflichtete er den Chilenen Manuel Pellegrini, der einst aus dem bescheidenen Villarreal eine respektierte Adresse gemacht hatte und bei Real Madrid in Ungnade gefallen war.

In seiner ersten vollen Saison bei Málaga brachte es der ruhige Coach fertig, das völlig revolutionierte Team ans Establishment der spanischen Liga heranzuführen - Platz vier. So gut war Málaga in der gesamten Vereinsgeschichte noch nie gewesen. Und sie spielten guten, zeitweilig begeisternden Fußball: kreativ, mit viel Ballbesitz, ein bisschen im Stil des FC Barcelona. Im Jahr darauf gelang noch einmal der vierte Platz.

Wieder stand man in der Qualifikationsphase für die Champions League. Der Traum hatte Konturen bekommen. Die Finanzen allerdings blieben ein Albtraum, ein Berg von Altlasten. "El jeque" schloss den Geldhahn mitten in der Vorbereitung für die neue Saison. Der Verein sollte sich selber finanzieren. Es kursierte das Gerücht, der Besitzer wolle schon wieder verkaufen. An Russen? Oder gar an David Beckham? Die Lizenz für die neue Saison war jedenfalls gefährdet. Málaga stand vor dem Aus, wie früher schon oft.

Und so verkaufte der Klub in der Not vier Stützen: Regisseur Cazorla, Linksaußen Nacho Monreal, Stürmer Rondon und den niederländischen Innenverteidiger Joris Mathijsen. Für insgesamt nur 28 Millionen Euro. Für bessere Verhandlungen fehlte die Zeit. Auch Hierro verließ den Verein. Das Team war entkernt, ohne Perspektiven, ohne Lohntüten. Da brauchte es einen Leader, der es vor dem Zerfall bewahrte. Pellegrini war die ideale Besetzung für die Rolle.

Er machte seinen zweifelnden Spielern klar, dass der Verein nur überleben würde, wenn er sportlich erfolgreich sei, wenn er es weit bringe in der Champions League und es dicke Prämien fürs Weiterkommen gebe. Spielen fürs Überleben. Viel Kredit gab man Málaga nicht. Doch die Andalusier qualifizierten sich für die Hauptphase der Champions League, nahmen 22 Millionen Euro ein, überstanden die Gruppenphase und bezwangen im Achtelfinale Porto - mit Verve, mit Klasse, unter dem Beifall Spaniens.

Es gibt nun fast nur Helden in Málaga. Es sind die Helden eines sehr langen Sommers. Allen voran Pellegrini, die Vaterfigur. Und Isco, der in dieser schwierigen Saison sein Talent beweist, seine Spielintelligenz, seine beachtliche Offensivleistung. In Spanien vergleicht man ihn mit Mario Götze vom BVB und freut sich auf das Duell im Duell. Isco ist dem Verein jetzt 35 Millionen Euro wert. Er ist gewissermaßen Málagas Lebensversicherung. Fast wöchentlich wird er mit europäischen Spitzenklubs in Verbindung gebracht, die ihn angeblich verpflichten wollen, zuletzt auch mit dem FC Bayern. Wahrscheinlich wird man ihn nicht mehr lange halten können. Zumal die Finanzen noch immer im Argen liegen.

Im vergangenen Dezember hat die Uefa den FC Málaga wegen Verstoßes gegen die Regeln ihres "Financial Fairplay" mit einer Buße von 300 000 Euro und einer einjährigen Verbannung aus allen europäischen Wettbewerben in der kommenden Saison belegt. Ein Dämpfer sondergleichen, unfair in den Augen der Fans, ein Rückschlag im Überlebenskampf. Gut möglich, dass die Uefa mit der harten Strafe den Scheich sanktionieren wollte - und mit ihm das System Katar, die Millionenschleuder. Obwohl die Millionen in Andalusien ja gar nicht mehr fließen, seit "El jeque" den Geldhahn zugedreht hat, einfach so. Und so hoffen nun viele Spanier, dass Málaga auch Dortmund überlebe. Spielend, couragiert, irgendwie wundersam - für die Fortsetzung einer schönen Geschichte.

Alles zum Teamvergleich FC Málaga - Borussia Dortmund

© SZ vom 03.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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