BVB gewinnt 1:0:Gestutzt, aber nicht rasiert

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Jadon Sancho beim Spiel gegen Hertha. (Foto: Getty Images)

Wenige Tage nach der Friseur-Episode um Jadon Sancho zeigt der Engländer eine starke Leistung beim Sieg gegen Hertha. Torschütze Emre Can mahnt ihn an, "schlauer und erwachsener" zu werden.

Von Milan Pavlovic, Dortmund/München

Borussia Dortmund kommt um ein Nachspiel der lästigen Friseur-Affäre vermutlich herum. Wenige Tage nachdem bekannt wurde, dass mehrere Spieler - darunter auch der Top-Scorer der Liga, der Engländer Jadon Sancho - gegen die Hygieneauflagen der Liga verstoßen hatten, gewann der Liga-Zweite 1:0 (0:0) gegen die unbequeme Berliner Hertha. Bester Spieler auf dem Feld war der 20-jährige Sancho, dem damit eine gelungene Antwort auf seine vielgescholtene Haar-Eskapade gelang. Dennoch blieb sein Ausflug ein Topthema.

Emre Can, dem das Siegtor gelang, sagte mit der Erfahrung seiner 26 Jahre: "Er ist ein super Junge, außerhalb des Platzes auch. Aber er muss schlauer und erwachsener und disziplinierter werden. Das darf er sich in Zukunft nicht mehr leisten, solche Fehler zu machen. Wir als Mannschaft sind da auch verantwortlich. Jadon macht das nicht extra, um einen Skandal zu machen, vielleicht vertraut er in einigen Dingen zu viel anderen Menschen. Er braucht Menschen, die ihn führen." Findet auch sein Trainer: "Da hat Emre Recht", sagte Lucien Favre. Umso wichtiger war es, dass Sancho das Tor des Tages einleitete und dass seine ausgelassenen Großchancen nicht bestraft wurden.

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Der Sieg war umso wichtiger, weil das Dortmunder Polster im Vierkampf um die drei noch offenen Champions-League-Plätze (hinter dem FC Bayern) größer geworden ist. Während Leipzig, Gladbach und Leverkusen zwei oder gar drei Punkte liegen ließen und nun vier bzw. sieben Zähler zurück sind, wurde der BVB für seine Geduld gegen Berlin belohnt. "Wenn ein Gegner so gut verteidigt, beißt man sich ab und an die Zähne aus", sagte Julian Brandt. "Aber das Schöne ist, dass in unserem Team so viel Qualität steckt, dass wir ein- oder zweimal durchkommen." Der Offensivakteur war aber ehrlich genug, um festzustellen: "Das war heute kein Gaumenschmaus." Die Borussia wurde ein wenig gestutzt, aber nicht rasiert.

Die erste Halbzeit ist - Novum für den BVB in dieser Saison - langweilig

Nach der Aufregung und den DFL-Strafen (angeblich im fünfstelligen Euro-Bereich) kam der BVB nur schleppend ins Spiel gegen einen Gegner wie die Hertha, die sich bemühte, den Begriff "stabil stehen" zu verbildlichen. Einige ungewohnte technische Schwächen waren zunächst bei der Borussia zu beobachten, Julian Brandt fiel in den ersten Minuten mit zwei eklatanten Fehlpässen und einem spielerischen Fauxpas auf. Sancho gelangen einige feine Zuspiele, zum Beispiel bei einem Doppelpass mit Hakimi (8.), aber der Abschluss ließ zu wünschen übrig, wie auch später bei Hazard (21.) und Brandt (23.), denen der Ball in aussichtsreicher Position jeweils über den rechten Schuh rutschte.

War es das Sonnenuntergangswetter mit malerischen Lichtteppichen, wie man sie zuletzt beim 0:1 gegen den FC Bayern gesehen hatte, das die Dortmunder einlullte? In Abwesenheit des weiterhin verletzten Torjägers Erling Haaland rochierten Sancho, Hazard und Brandt mit großer Frequenz. Die Laufmuster sahen mitunter ganz nett aus, waren aber so unergiebig, dass der Hertha seriöse Abwehrarbeit reichte, um die Null zu halten. Der BVB hingegen hatte etwas kreiert, was dem Klub nach der Corona-Pause noch nicht passiert war: einen Langweiler. Vor einer Woche war die Borussia in Paderborn auch nur mit einem 0:0 in die Kabine gegangen, aber nach der Pause folgte dann eine Sechs-Tore-Lawine.

Um ein Haar bringt Esswein die Gäste in Führung

Die ersten Bemühungen nach dem Wechsel sahen präziser aus. Der von Witsel gut eingesetzte Hakimi legte parallel zurück auf Sancho, der den Ball aus vier Metern neben das Tor setzte (51.). Wenige Sekunden später schob Brandt bei einer Drei-gegen-eins-Kontersituation die Kugel in die Hacke von Torunarigha (53.). Im Fußball wird so etwas gerne bestraft, und prompt musste Dortmund den ersten Schreckmoment bewältigen: Der eingewechselte Esswein kam nach einem öffnenden Pass des ebenfalls eingewechselten Ngankam an der Strafraumgrenze zum Schuss, doch der Ball passierte nicht nur Bürki, sondern auch das Tor.

Als wäre im leeren Stadion irgendwo ein Alarm losgegangen, machte der BVB nun kurz richtig Ernst und legte nur eine Minute später Zählbares vor: Sancho lupfte in den Strafraum zu Brandt, der in seiner besten Aktion des Tages, mit dem Rücken zum Tor stehend, klug per Kopf zurücklegte auf Can, der flach ins rechte Eck schob. "Sancho und Can machen das gut", lobte Favre, "aber die Vorlage von Brandt war entscheidend."

Danach war die Hertha gezwungen, mehr zu riskieren. Die Berliner hatten bis zu diesem Abend die zweitbeste Bundesliga-Mannschaft nach der Corona-Pause gestellt, aber in Dortmund war nicht zu erkennen, wie das Team von Bruno Labbadia zuletzt elf Tore in vier Partien erzielt hatte. Dortmund musste sich höchstens über zwei Szenen ärgern: Ein Handspiel des Berliners Boyata im eigenen Strafraum (82.) blieb ungeahndet, weil Schiedsrichter Osmers die Bewegung des Berliners nicht unnatürlich fand. Und nach einer erstklassigen BVB-Kombination über Hakimi, Sancho und Guerreiro verpasste Sancho allein vor Jarstein das 2:0 (89.). Also bekam die Hertha in der Nachspielzeit doch noch mal die Gelegenheit anzugreifen. Der Ball landete bei Ngankam, der tatsächlich auch sogleich hart abzog - aber bloß seinen Mitspieler Boyata mit seiner Schussflanke fällte wie einen morschen Baum.

© SZ vom 07.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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