Dopingsperre im Schwimmen:Ein Urteil gegen das Verschaukeln

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Der CAS sperrt ihn für acht Jahre: Sun Yang (Foto: AFP)

Sun Yang konnte sich im Schwimm-Weltverband Fina lange sicher fühlen. Die Acht-Jahre-Sperre des Sportgerichtshofs ist eine Niederlage für ein Sportsystem, das sich dringend erneuern muss.

Kommentar von Saskia Aleythe

Sun Yang wollte das so: Dass die Kameras auf ihn gerichtet werden, dass Journalisten mithören und berichten, wenn sein Fall vor dem Internationalen Sportgerichtshof (Cas) nochmal in allen Facetten beleuchtet und hinterfragt wird. In der Geschichte der Gerichtsverhandlungen vor dem Cas war die Verhandlung im November erst die zweite öffentliche Anhörung überhaupt, doch Sun Yang hatte ja ein Anliegen. "Ich verteidige die Rechte eines jeden Athleten", ließ er seine 33 Millionen Follower im sozialen Netzwerk Weibo wissen; Sportler müssten die Chance haben, sich gegen Kontrollen zu wehren, die möglicherweise manipuliert sein könnten - er ist das Opfer, so sieht Sun Yang das.

Schwimmen
:Acht Jahre Dopingsperre für Sun Yang

Weil er eine Dopingprobe mit einem Hammer zerstören ließ, wird Chinas Schwimmer vom Internationalen Sportgerichtshof lange gesperrt. Sun kündigt Einspruch an und klagt: "Das ist unfair."

Mit größtmöglicher Öffentlichkeit wollte sich der dreimalige Olympia-Sieger wehren, er wähnte sich im Recht und will nun vor das Schweizer Bundesgericht ziehen - es ist ein Selbstverständnis, das er durch enge Beziehungen gewonnen hat. Der Schwimm-Weltverband (Fina) unterstützte seinen erfolgreichen Athleten jahrelang und offenbar bis zuletzt - die Acht-Jahre-Sperre, die der Cas nun verhängt hat, würde nicht nur das Olympia-Aus für den Chinesen und wohl das Karriereende bedeuten, es ist auch eine Niederlage für die Fina. Wo sie im Sinne aller Athleten für den sauberen Sport hätte kämpfen sollen, kämpfte sie allein für Sun Yang.

Sun Yang fühlte sich aufgrund vergangener Erfahrungen wohl dazu berechtigt

Weil sich die weltweit operierenden Kontrolleure, die im September 2018 bei ihm klingelten, seiner Meinung nach nicht ausreichend ausweisen konnten, ließ der Sportler später die bereits versiegelte Blutprobe mit einem Hammer zerstören. Ein Verhalten, das der Cas nun als unzulässig einstufte und den damit verpassten Test als klaren Verstoß gegen die Anti-Doping-Regeln. Die Kontrolleure hätten alle Auflagen erfüllt, und überhaupt sei es eine Sache, ob man Vorgänge anzweifelt und Beschwerde einlegt und eine andere, ob man gleich mit dem Hammer loslegt. Aber Sun Yang und seine Entourage fühlten sich aufgrund vergangener Erfahrungen - auch mit der Fina - wohl dazu berechtigt.

Man konnte in den vergangenen Jahren ja schon ein paar mal Interessantes beobachten: Sun Yang - heute 28 Jahre alt - bezeichnete Fina-Generalsekretär Cornel Marculescu, 78, bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio als "sehr guten Freund des Chinesischen Schwimmteams", bei der Siegerehrung hatte ihn der Rumäne umarmt und angeschaut "wie ein Großvater", berichtete der Schwimmer. Wie weit die Freundschaften in der Fina gehen, hatte man 2014 schon erlebt, als Sun Yang mit dem Herzmittel Trimetazidin im Blut erwischt wurde - eine Sperre über drei Monate verhängte die am chinesischen Markt durchaus interessierte Fina damals rückwirkend, von der Konkurrenz kaum bemerkt.

Und auch im aktuellen Fall nahm die Fina eine eindeutige Rolle ein - sie verwarnte Sun Yang nach einer Anhörung im Januar 2019 lediglich, ohne das Eingreifen der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hätte der Freistil-Spezialist auch bei den kommenden Medaillenkämpfen ungehindert dabei sein können. Die Wada legte Einspruch vor dem Cas ein, wogegen sich Sun Yang mit seinen Anwälten wehrte - offenbar mit Unterstützung der Fina, wie die Nachrichtenagentur AP zuletzt mit Verweis auf Gerichtsprotokolle vermeldete. Sun Yangs Anwälte - und die Fina - seien demnach der Ansicht gewesen, der für die Wada tätige Richard Young sei befangen - weil er schon mal in einer Kommission für die Fina tätig gewesen war.

Seine zwei Medaillen darf Sun Yang behalten

Die Stimmung im internationalen Schwimmen ist schon seit ein paar Jahren vergiftet; zuletzt waren die Athleten bei der WM 2019 in Südkorea in Wallungen: Weil die Hammer-Affäre noch nicht gerichtlich geklärt war, konnte Sun Yang in Gwangju ins Becken hüpfen und gewann zwei Gold-Medaillen. Australiens Mack Horten, der über 400 Meter Freistil Silber holte, stellte sich bei der folgenden Siegerehrung nicht zu Sun Yang aufs Podest - es war ein Protest, für den ihn der Weltverband später verwarnte. Persönliche Statements oder Gesten seien unerwünscht. Seine zwei Medaillen darf Sun Yang nach dem Cas-Urteil übrigens behalten, da seine Dopingproben rund um den Vorfall und danach stets negativ waren.

Dass die Besten ihres Sports mit der International Swimming League unlängst eine Konkurrenz-Veranstaltung zu den Wettbewerben der Fina gegründet haben, ist ein Zeichen der Emanzipierung, die aktuell so nötig wie nie erscheint. Es ist längst überfällig, dass sich der Weltverband erneuert, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Doch im Kern trifft der Fall Sun Yang auch die großen Fragen der Sportpolitik: Inwiefern kann man einem Verband Zuständigkeiten bei der Jagd auf Dopingsünder einräumen, der gleichzeitig für die Vermarktung seines Sports zuständig ist? Bei der Fina ist die Antwort eindeutig.

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