Doping in der Pandemie:Wo keine Probe, da kein Hammer

Lesezeit: 2 min

Kehrt Sun Yang in Tokio ins Becken zurück? Der chinesische Schwimmer muss sich zunächst erneut vor dem Internationalen Sportsgerichthof Cas verantworten. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Der Schwimmer Sun Yang und seine berühmte Dopingprobe kommen erneut vors Sportgericht. Das größere Problem ist aber, wie wenige Kontrollen es in Pandemiezeiten gibt.

Kommentar von Claudio Catuogno

Wer sich dafür interessiert, wie das Kontrollsystem organisiert ist, das, mit Urinbechern und Blutkanülen bewaffnet, die Abgründe eines weltumspannenden Sportbetriebs aufdecken soll, der hat zuletzt interessante Dinge lernen können. Darüber, wie so eine Dopingkontrolle abläuft - und wie sie besser nicht ablaufen sollte.

Es war in den Abendstunden des 4. September 2018, als ein Test-Team vor einem Wohnblock in der chinesischen Provinz Zhejiang den Schwimm-Olympiasieger Sun Yang erwartete. Ein "Out-of-Competition"-Test, beauftragt vom Weltverband Fina mit Sitz in der Schweiz, organisiert vom schwedischen Dienstleister IDTM, durchgeführt von drei chinesischen Staatsbürgern: einer Kontrolleurin, einer Krankenschwester für die Blutentnahme und einem männlichen Begleiter, der die Urinabgabe überwachen sollte. Globalisierte Anti-Doping-Welt.

Nicht so gut an dieser inzwischen weltberühmten Kontrolle lief dies: Der Begleiter schoss ein paar private Erinnerungsfotos. Geht gar nicht, musste später auch die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada (Sitz: Montreal) eingestehen. Auch nicht so gut lief, dass sich die Krankenschwester bloß mit dem Zertifikat eines lokalen Krankenhauses ausweisen konnte. Jedenfalls lief die Kontrolle dann aus dem Ruder: "Ein Wachmann" der Wohnanlage, so steht es im Urteil der Sportjustiz, "kam mit einem Hammer und versuchte, den gesicherten Behälter zu zerschlagen, um Zugang zu dem abgenommenen Blut zu bekommen. (...) In Sorge, Blut könnte verschüttet werden, beauftragte Frau Yang", die Mutter des Athleten, "den Wachmann, den Behälter aus dem Gebäude zu bringen und ihn dort zu zerbrechen. Dies wurde von dem Wachmann und dem Athleten erfolgreich durchgeführt, in einem Außenhof."

Der chinesische Schwimmer Sun Yang bei seiner ersten Verhandlung vor dem Cas - das Urteil von damals hat keinen Bestand mehr. (Foto: Jean-Christophe Bott/AP)

Das ohnehin löchrige Kontrollsystem ist zusammengebrochen

Der Internationale Sportgerichtshof Cas wertete die Blutsauerei als "Manipulation", ungeachtet der Unzulänglichkeiten im Kontrollvorgang - und sperrte Sun Yang für acht Jahre. Der Cas hatte aber übersehen, dass der Vorsitzende Richter Franco Frattini, ein ehemaliger italienischer Außenminister, privat ein leidenschaftlicher Tierschützer ist. Wegen hasserfüllter Tweets gegen die chinesische Tradition des Hunde-Verspeisens befand ihn die Revisionsinstanz gleich in Bezug auf alle 1,3 Milliarden Chinesen für befangen. Sperre aufgehoben. Das war im Dezember 2020. Die vorerst letzte kuriose Wendung in diesem Fall.

Die Hammer-Probe begleitet den Sport also ins verspätete Olympiajahr. Darf Sun Yang doch in Tokio starten? In der kommenden Woche wird das jetzt noch mal vor dem Cas verhandelt, von einem anderen Richter. Es ist eine spannende Einzelfrage, die aber nicht den Blick verstellen sollte auf ein viel größeres Problem: dass seit Beginn der Corona-Pandemie das gesamte, ohnehin löchrige Kontrollsystem teilweise zusammengebrochen ist.

Die deutsche Anti-Doping-Agentur Nada hat im März, April und Mai 2020 so gut wie gar nicht testen können. Inzwischen läuft der Betrieb wieder, mit Einschränkungen. Auch aus Ländern wie China werden Tests gemeldet, aber Fachleute fragen sich: Finden die tatsächlich statt? Oder nur auf dem Papier? Athleten, die sich an Kontaktbeschränkungen halten müssen oder in Quarantäne sind, können schlecht ein Kontrollteam in die Wohnung lassen. Und das kontaktlose Testen, etwa mittels per Post versandtem Bluttröpfchenkollektor, ist noch in der Projektphase.

Wenn die Spiele in Tokio tatsächlich stattfinden, wird man an manche Ergebnisse eine Fußnote machen müssen: den Hinweis, dass in der Vorbereitung kaum Kontrollen stattgefunden haben. Nicht mal solche, die man dann mit dem Hammer hätte zerschlagen können.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSchwimmer Sun Yang
:Die Mama mit dem Hammer

Auf 59 Seiten beschreibt der Schwimm-Weltverband jene Nacht, in der Sun Yang eine Dopingprobe zerstören ließ - und spricht ihn frei. Die Fina veröffentlicht das Urteil nicht, doch der SZ liegt es vor. Eine Dokumentation.

Von Claudio Catuogno

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: