Hajo Seppelt hat Mehmet Scholl ein Angebot gemacht und eigentlich müsste der das nun auch annehmen. "Falls Herr Scholl gern mal ausführlich über Doping im Fußball reden will - sehr gern. Sendung wäre bestimmt erhellend. Herr Scholl, wie wär's?", fragte ARD-Journalist Seppelt den ARD-Experten Scholl auf Twitter. Seppelt, mehrfach ausgezeichneter Rechercheur in Sachen Doping, und Scholl, mehrfach ausgezeichneter Fußballer, arbeiten ja beide für den selben Senderverbund. Insofern sollte es ja eigentlich logistisch möglich sein, eine entsprechende Sendung zu machen. Also, wie wär's?
Der Grund für Seppelts Angebot: Scholl hatte während des Confederations Cup 2017 einen Auftritt verweigert. Vor dem Halbfinalspiel Portugal gegen Chile wollte die Redaktion über die Dopingvorwürfe gegen Russlands Nationalteam reden. Scholl wollte nicht.
Natürlich hat das Thema eine Relevanz
Nun hat Scholl sich selbst dazu geäußert und hätte besser geschwiegen. In der Sendung "Mehmets Schollplatten", die jeden Monat einmal im Bayerischen Rundfunk läuft, meinte er, Doping sei das "Schlimmste", mache den Sportler und den Sport kaputt und müsse "ganz, ganz hart bestraft werden". Dann kam das Aber: "Aber an diesem Tag hatte das Thema nichts in der Sendung verloren." Es habe keine Relevanz gehabt. Die Redaktion habe ihm dann gesagt: Das Thema habe sehr wohl Relevanz, er dürfe sich nicht in die Sendung einmischen. Er sei dann gegangen, sagt Scholl.
Scholl zum ARD-Streit:Scholl: Doping hatte "nichts in der Sendung verloren"
Beim Confed Cup hatte Mehmet Scholl das Studio verlassen. Nun erläutert der Fußball-Experte die Gründe dafür.
Dass er das freimütig erzählt, zeigt, dass er immer noch nicht verstanden hat, worum es hier eigentlich geht. Mal davon abgesehen, dass das Thema Doping natürlich eine Relevanz hat, wenn bei einem Turnier in Russland der russischen Nationalmannschaft Doping vorgeworfen wird. Wenn Scholl dann als Experte zum Beispiel der Meinung sein sollte, dass die Vorwürfe des Ermittlers Richard McLaren, (dessen Berichte unter anderem zum Ausschluss russischer Leichtathleten bei Olympia führten) schwach sind oder sogar ungerechtfertigt, dann sollte er tun, was sein Beruf ist: Recherchieren und argumentieren. Auf beides hatte er offenbar keine Lust.
Wobei: Scholl hat sich mal zum Thema Doping geäußert, das war auch nicht besser. 2015 gab es neue Erkenntnisse zum deutschen Arzt Armin Klümper, er soll die Fußballklubs VfB Stuttgart und SC Freiburg in den späten 70er und 80er Jahren mit Anabolika versorgt haben. Moderator Reinhold Beckmann fragte anlässlich des neuen Gutachtens Scholl nach einem DFB-Pokal-Spiel nach seiner Einschätzung. Der sagte: Der Sport sei zu komplex. "Im Fußball macht's nicht wirklich Sinn", meinte Scholl und die damals in der Sendung zu Wort kommenden Jürgen Klopp und Robin Dutt sagten Ähnliches.
Aber das ist eine absurde Behauptung. Mal von der reinen Logik abgesehen, dass Fußball ein Sport ist und Leistungssteigerungen in jeder Sportart Sinn ergeben, gibt es in der Geschichte viele Hinweise und Belege für Doping. Neben den Geschehnissen um Klümper berichtete unter anderem der mittlerweile verurteilte Doping-Arzt Eufemiano Fuentes in der französischen Zeitung Le Monde über Dopingpraktiken bei spanischen Spitzenklubs. Später zog er Aussagen zurück und als er vor Gericht nach dem Grund dafür gefragt wurde, sagte er: "Man hat mich dreimal mit dem Tode bedroht, es wird kein viertes Mal geben." Der Verein Real Sociedad San Sebastian gab zu, jährlich mehr als 300 000 Euro an Fuentes überwiesen zu haben, unter anderem zu der Zeit, als Xabi Alonso dort spielte.
Spieler von Juventus Turin, auch Zinédine Zidane, mussten sich vor Gericht verantworten, Pep Guardiola wurde einst positiv auf Nandrolon getestet, der Arzt Mark Bonar behauptete 2016 bei einer verdeckten Recherche, 150 Fußballer in England mit Dopingmitteln zu behandeln. Übrigens eine verdeckte Recherche der britischen Sunday Times und der ARD.
Interessenkonflikt bei den Sendern
Daneben sagen übrigens auch Fußballer selbst, dass sie dopen. Nicht öffentlich, nicht mit Namen, aber der Ex-Profi Lotfi El Bousidi hat für seine Diplomarbeit 150 Profi-Fußballer anonym befragt. Sein Ergebnis: Zwischen 14 und 29 Prozent gaben zu, gedopt zu haben. Eine reale Gefahr, erwischt zu werden, gibt es übrigens nicht. Im Fußball werden Milliarden verdient, aber in den Anti-Doping-Kampf wird quasi nichts investiert. Es gibt wenige Tests und was die wert sind, kann man daran sehen, dass selbst notorische Dopingsünder wie der Radsportler Lance Armstrong bei jedem negativ waren. Das alles sollte Scholl als ARD-Experte mit journalistischem Anspruch wissen.
Wenn man sich als Sender für Ex-Sportler als Experten oder Moderatoren entscheidet, muss einem zudem bewusst sein, dass das zu Interessenkonflikten führen könnte. Der Konjunktiv ist hier wichtig. Die Schwimmerin Kristin Otto war zum Beispiel nachweislich in das DDR-Zwangs-Dopingsystem eingebunden. Otto bestreitet bis heute, wissentlich gedopt zu haben, soll aber als ZDF-Moderatorin über die Schwimmwettkämpfe in Rio berichten, wo die Ex-Doperin Julia Jefimowa zwei Silbermedaillen gewinnt.
Bei Mehmet Scholl sollte es höchstens den Interessenkonflikt geben, dass er als ehemaliger Fußballer seine Nachfolger oder Ex-Kollegen nicht allzuhart kritisieren mag. Im sportlichen Bereich hat er sich da selbst widerlegt, er ist in seiner Kritik oft schärfer als er sein müsste, Stichwort "Wundlegen". Die ARD hält jedenfalls zu ihm. "Wir hatten eine Reihe von Gesprächen", erklärte Sportkoordinator Axel Balkausky. "Wir haben ganz klar abgesprochen, wie die Regularien sind." Aber: "Wir schätzen und mögen Mehmet Scholl mit seinen Ecken und Kanten."
Das kann freilich nicht für das Thema Doping gelten. Da hinterlässt Scholl den nachhaltigen Eindruck, dass er sich nicht damit beschäftigen will. Aus welchen Gründen auch immer. Das Gute für ihn: Er könnte den Eindruck schnell widerlegen. Er müsste sich nur zu Hajo Seppelt in eine Sendung setzen.