Doping in Fitnessstudios:Spritzen für den perfekten Körper

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Gewichtscheiben in einem Fitnessstudio in München, 2019

Umschlagplatz für verbotene Arzneimittel: Im Jahr 2018 konnten Ermittler allein in Bayern 36,71 Kilogramm Pulver, 123 489 Tabletten und 26 828 Milliliter verschiedener Flüssigkeiten sicherstellen.

(Foto: Robert Haas)

Hobbysportler kämpfen nicht um Medaillen, dennoch sind sie bereit, für einen muskulöseren Körper Medikamente zu schlucken und kriminell zu werden. Einblicke in ein verschwiegenes Netzwerk.

Von Leonie Schlick, Laurenz Schreiner, Nicolas Wildschutz und Leopold Zaak

Julia Meier wollte, dass die Fasern an ihren Schultern zu sehen sind. Doch dafür reichte es nicht, dass sie fünf Mal pro Woche im Fitnessstudio trainierte. "Ich habe nach drei, vier Jahren gemerkt, dass das letzte Quäntchen Fett nicht runtergeht", sagt sie. Also half Meier mit Clenbuterol nach, einem eigentlich verschreibungspflichtigen Medikament. Sie "stofft", wie es in der Fitness-Szene heißt. Das Clenbuterol bekam Meier, die eigentlich anders heißt, über ihren damaligen Freund, der selbst mit Medikamenten und Steroiden handelte.

Ihr Konsum von Clenbuterol liegt nun mehrere Monate zurück - für die heute 31-Jährige blieb es beim Ausprobieren. "Ich habe gemerkt: Irgendwie ist das nicht meins", sagt Meier. Doch viele andere Menschen nutzen Medikamente oder Steroide regelmäßig, um einen schöneren Körper zu kriegen. "Da reden wir nicht von einer Hand voll Hochleistungssportlern, sondern da reden wir von Hunderttausenden", sagt der Sportsoziologe Mischa Kläber, der als einer der ersten in Deutschland zu dem Thema forschte und jetzt beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) arbeitet.

In einer Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums wurde 2015 vermutet, dass rund fünf Prozent aller Fitnessstudiobesucher in Deutschland Anabolika und Medikamente zur Leistungssteigerung einnehmen würden. Das entspricht 350 000 bis 400 000 Menschen. Und diese Menschen müssen mit dem Stoff versorgt werden. "Es ist ein ultrastabiles soziales Netzwerk", sagt Kläber.

Fünf Prozent aller Studiobesucher nehmen Medikamente zur Leistungssteigerung

Meiers Ex-Freund, mittlerweile hat sie sich von ihm getrennt, war Teil dieses organisierten Netzwerks, das Steroide und verbotene Medikamente zum Muskelaufbau nach Deutschland bringt und verteilt. Er habe vor allem mit Testosteron gehandelt, erzählt Meier. Der Weg von dem "Stoff" nach München sei einfach nachzuvollziehen gewesen.

Aus Thailand und Ländern in Osteuropa soll das Testosteron zu einer Kontaktperson nach Hessen geliefert worden sein - entweder durch eine Bestellung im Darknet oder durch Freunde aus der Fitness-Szene, die Urlaub in den jeweiligen Ländern gemacht haben. Der Kontaktmann in Hessen habe das Testosteron-Pulver professionell angemischt und in Ampullen gefüllt, sagt Meier. Ihr Freund habe die Steroide dann abgeholt und in Bayern verteilt.

Die Kette, von der Meiers Freund ein Teil gewesen ist, ist nach Einschätzung eines Spezialermittlers beim Zollfahndungsamt München ein klassisches Beispiel für den Weg von illegalen Steroiden zu den Konsumenten. Der Ermittler hat Erfahrung auf dem Gebiet: Für das Jahr 2018 nennt er 328 Ermittlungsverfahren des Zolls, die in Bayern wegen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz durchgeführt wurden.

Noch genauer sind seine folgenden Angaben zu verbotenen Arzneimitteln: 36,71 Kilogramm Pulver, 123 489 Tabletten und 26 828 Milliliter verschiedener Flüssigkeiten konnten die Ermittler in Bayern 2018 entdecken. Einschätzungen zur Dunkelziffer möchte der Ermittler nicht geben, doch man gehe beim Zoll davon aus, auch in den kommenden Jahren mit der Kontrolle von Medikamenten und Steroiden aus dem Ausland und dem Aufspüren von Untergrundlaboren gut beschäftigt zu sein.

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