Dominik Köpfer in Wimbledon:Golfen wurde ihm zu langweilig

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Inzwischen ein Vorbild an Geduld: Dominik Köpfer aus Furtwangen bei seinem Debüt im All England Club. (Foto: Shaun Botterill/Getty Images)

Dominik Köpfer erreicht überraschend die zweite Runde in Wimbledon. Sein ungewöhnlicher Werdegang zeigt, welche Umwege ein begabter junger Sportler manchmal gehen muss.

Von Barbara Klimke, London

In Wimbledon kommt es auf die Perspektive an. Rasenplätze zum Beispiel sind optisch eine Pracht; und am Abend, wenn die Gärtner die Wassersprenger aufdrehen, duften sie nach frisch gemähtem Gras. Aber sie haben als natürliches Gewächs auch die Eigenschaft, Bälle bisweilen etwas unkontrolliert vom Erdboden springen zu lassen. Als "bad bounces" ist das Phänomen in Tenniskreisen bekannt. Und was sagt Dominik Köpfer dazu, der erstmals in seinem Leben in Wimbledon in der zweiten Runde steht? Er lacht. Von den Turnieren, bei denen er sonst antritt, sagt er, sei er viel Schlimmeres gewohnt: "Das ist doch ideal hier!"

An Dominik Köpfer, 25, aus Furtwangen im Schwarzwald, der inzwischen in Tampa/Florida lebt, zeigt sich gerade, welche Umwege ein begabter junger Sportler manchmal gehen muss, bis sich das schmiedeeiserne Tor mit den fünf Messingbuchstaben AELTC endlich für ihn öffnet.

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Schon im vergangenen Jahr trat er beim Qualifikationsturnier für Wimbledon an, gewann zwei Matches und verlor dann in der letzten Runde unglücklich im fünften Satz 5:7. Und trotzdem hat er den All England Lawn Tennis Club so wenig gesehen wie die Blumenkübel mit den üppigen Petunien und Hortensien oder die Rasenwalzen. Nicht einmal von fern. Denn das Qualifikationsturnier wird in Roehampton im Südwesten Londons gespielt, vier Meilen vom Centre Court entfernt. "Ich hab's nicht mal auf die Anlage geschafft", sagt er.

Mehr als die Hälfte dessen, was er bisher in der gesamten Karriere verdient hat

Deshalb wählte Köpfer, der als Nummer 167 der Weltrangliste nicht automatisch bei Grand Slams teilnahmeberechtigt ist, diesmal eine andere Route. Sie führte ihn nach Nordengland, wo in den Hügeln Yorkshires die Ilkley Trophy ausgespielt wird, ein Challenger Turnier, also ein Wettbewerb der dritten Kategorie. Weil er dort im Finale siegte, wurde er zur Belohnung mit einer von acht Wild Cards für Wimbledon bedacht; wegen seiner "Verdienste im Rasentennis", wie es im englischen Traditionsklub etwas betulich heißt.

Also hat er sich umgehend in den Zug nach London gesetzt und seine Chance dann in erstaunlicher Manier genutzt: 6:3, 4:6, 7:6 (9), 6:1 rang er bei seinem Debut im All England Club den Serben Filip Krajinovic nieder, obwohl er am Vorabend "extrem nervös" gewesen war, wie er bekannte. Schon durch das Erreichen der zweiten Runde hat er jetzt, vor dem nächsten Match gegen den Argentinier Diego Schwartzman, ein Preisgeld von 72 000 Pfund Sterling, umgerechnet rund 80 000 Euro sicher.

Das ist mehr als die Hälfte dessen, was er bisher in seiner gesamten Karriere verdient hat, wie er erstaunt feststellte. Zudem ist er neben Jan-Lennard Struff aus Warstein nun der einzig verbliebene deutsche Spieler im Männer-Wettbewerb. Auch das ist erstaunlich, weil Köpfer im Tennis ein Spätberufener ist.

Bis zum 16. Lebensjahr hat er nur nebenbei Bälle übers Netz gedroschen. Er spielte Fußball und Golf und ist im Winter im Schwarzwald Ski gefahren. "Er war der Typ Straßensportler, der alles gut konnte", hat sein früherer Trainer Oliver Heuft kürzlich dem Tennismagazin erzählt, ein "extrem guter Athlet, bei dem sich Fitness mit Ausdauer und Schnelligkeit paart". Überraschend erreichte Köpfer 2010 das Finale der deutschen Jugendmeisterschaften, das er gegen Jannis Kahlke aus Marburg verlor. Erst danach hat er sich auf Tennis spezialisiert - auch weil er Golfen auf Dauer "damals zu langweilig fand".

Der Deutsche Tennis Bund schickte ihn sogar zu einer Europameisterschaft. Aber da er seine Technik voranbringen wollte, "und weil ich nicht gut genug war für die Profitour", wie er heute sagt, entschied er sich für die Tennisausbildung an einem US-College.

Zum Geduldspiel verdonnert

Die Jahre, die er an der Tulane University in New Orleans verbrachte, ermöglicht durch ein Stipendium und Zuwendungen seiner Eltern, haben auch seine Persönlichkeit geprägt. Weil er früher zu ungebremst agierte und zu unzufrieden war mit seinen Schlägen, hat ihn sein Trainer unter anderem zum Geduldspiel verdonnert: Er musste Puzzle legen. Es war ein Trick, den er noch im vorigen Jahr mitunter anwandte und der offenbar geholfen hat. 2015 wurde er Hallenmeister bei den US-amerikanischen College-Meisterschaften.

Inzwischen wohnt Dominik Köpfer in Florida und reist mit seinem eigenen Trainer, Rhyne Williams, um die Welt zu Turnieren der kleineren Kategorien. Reich ist er mit seinem Sport bisher nicht geworden. Bei Challengern gebe es in der ersten Runde manchmal 500 Euro, rechnet er vor, abzüglich Steuern und den Kosten für Hotels und Flüge bleibe da wenig übrig: "Die Ausgaben sind riesig, wenn man das professionell machen will." In den letzten beiden Jahre habe er "auf jeden Fall ein Minus" gemacht. Mit dem Preisgeld von Wimbledon kann er nun zumindest bis zum Jahresende planen, sagt er. Und sich vielleicht ab und zu sogar einen Physiotherapeuten leisten. Möglicherweise sogar häufiger, wenn er am Donnerstag gegen Schwartzman gewinnt.

© SZ vom 04.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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