Wimbledon-Aus für Zverev:"Was hier gerade los ist, ist abartig"

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Alexander Zverev nach seiner Erstrundenniederlage in Wimbledon. (Foto: REUTERS)
  • Der an Nummer fünf gesetzte Alexander Zverev scheitert beim Tennis-Turnier in Wimbledon in Runde eins am Qualifikanten Jiri Vesely.
  • Zverev sagt hinterher, sein Selbstvertrauen sei "unter Null momentan".
  • Er macht auch einer Person Vorwürfe, die versuche, "mein Leben so schwer wie möglich zu machen". Damit dürfte er Bezug auf eine juristische Auseinandersetzung mit seinem früheren Manager Patricio Apey genommen haben.

Von Barbara Klimke, London

Als er nach London kam, hat Alexander Zverev wie die meisten seiner jüngeren Kollegen die Grasnarbe als Herausforderung gesehen: die niedrigere Absprunghöhe der Bälle, die Umstellung der Taktik, die erforderliche Aggressivität im Spiel. Aber es ist nicht dem Wuchs der Halme zuzuschreiben, wenn eine Partie eine abrupte Wendung nimmt. Ein Tennismatch bei Profis wird im Kopf entschieden. Das hat Zverev nach seinem schnellen K.o. auf dem Rasenplatz von Wimbledon selbst zugegeben. Viele Dinge hätten Einfluss auf den Ausgang eines Duells, sagte er: "Das Leben gehört dazu. Alles, was außerhalb des Courts passiert, beeinträchtigt einen Spieler."

Alexander Zverev war nach der Auftaktniederlage gegen den tschechischen Qualifikanten Jiri Vesely (6:4, 3:6, 2:6, 5:7) am Montagabend für seine Verhältnisse ungewöhnlich rasch im großen Interviewraum des All England Clubs erschienen. So als könne er es nicht abwarten, loszuwerden, was ihm auf der Seele brennt. "Mein Selbstvertrauen ist unter Null momentan", sagte er. Der Grund sei einfach zu benennen: Er habe in diesem Jahr einfach nicht genug Spiele gewonnen.

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Tatsächlich ist die Saison für Zverev, den 22-jährigen Vorjahressieger des ATP-Finals, bisher in Schlangenlinien verlaufen. 25 Matches hat er gewonnen, 13 verloren, aber immerhin konnte er sich einen Titel beim Turnier Ende Mai in Genf erobern. Für einen Profi, der sich einen Namen als einer Höchstbegabten auf der Tennistour gemacht hat und noch immer als fünftbester der Welt rangiert, gilt das als eine durchschnittliche Bilanz. Aber dies ist nur ein Aspekt der Niederlage gegen den 25-jährigen Jiri Vesely in Wimbledon. Bedingt wurde Zverevs plötzlich auftretender Leistungs- und Konzentrationsabfall, der Mitte des zweiten Satzes im Auftaktmatch zu beobachten war, offenbar durch massive Störungen seiner inneren Ruhe und seines Gleichgewichts, deren Ursache in jenem Bereich zu suchen sind, die man bei Sportlern "das Umfeld" nennt.

"Was hier gerade los ist, ist abartig", erklärte Zverev. Er dürfe "nichts Offizielles sagen", fügte er nebulös an. Aber er sei tief enttäuscht von einem Menschen, mit dem er in den letzten Jahren viel zu tun hatte, den er für einen Freund hielt und der nun versuche, "mein Leben so schwer wie möglich zu machen". Er hat den Streit mit seinem früheren Manager Patricio Apey nicht explizit angesprochen, auch den Namen nicht genannt, aber er dürfte mit großer Sicherheit Bezug auf eine juristische Auseinandersetzung genommen haben, die sich seit Monaten hinzieht und ihn zunehmend zu belasten scheint. "Ich bin wütend", sagte er.

Zverev sind die Aufgaben zuletzt anscheinend mitunter über den Kopf gewachsen

Nach allem, was bekannt ist, war es Alexander Zverev selbst, der die Zusammenarbeit mit seinem Management beendet hatte. Apey teilte der SZ bereits am 25. März dieses Jahres mit, die Nachricht, dass Zverev Rechtsmittel einlegte, habe ihn "aus heiterem Himmel getroffen." Damals ließ Apey wissen, dass die einseitige Aufkündigung der Allianz ihn "schockiert, enttäuscht und traurig gemacht" habe - nicht nur wegen des "erstklassigen Managements", das seine Agentur dem jungen Tennisspieler seit 2012 habe zuteilwerden lassen. Sondern auch wegen der "substanziellen finanziellen und fürsorglichen Unterstützung", die Zverev "zur Förderung seiner Karriere und seiner geschäftlichen Einkünfte" erhalten habe, seit er 15 war. Der Vertrag, auch das legte Apey damals dar, habe eine bindende Laufzeit "bis mindestens 2023". Es wird bei diesem Rechtsstreit deshalb vermutlich um eine Ablöse in Millionenhöhe gehen.

Dass ein junger Mensch, der als Profisportler mit einem Tross Angestellter beständig um den Globus jettet, Hotel und Flüge buchen muss und eine Flut von Medien- und Marketinganfragen zu erledigen hat, die ordnende Hand eines Managers benötigt, dürfte unbestritten sein. Zverev sind diese Aufgaben zuletzt anscheinend mitunter über den Kopf gewachsen, wie er mehrmals beklagte. Zumal sein Vater, seit frühester Jugend sein Trainer und ständiger Begleiter, zuletzt seltener als früher an seiner Seite zu sehen war.

Erst am Wochenende, so berichtete der Daily Telegraph, habe Zverev bei der Interviewrunde durch die Fernsehstudios in Wimbledon seine Situation folgenermaßen beschrieben: "Ich muss momentan ein Rechtsanwalt sein, ein Manager und alles andere auch noch." Als er im April beim Turnier in Barcelona spielte, habe er sogar seine Trainingszeiten selbst organisiert. "Ich bin ein großer Junge, ich schaffe das", wurde Zverev zitiert. Aber natürlich ist ihm aufgefallen, dass er der einzige der Top-Spieler ist, die sich im alltäglichem Kleinkram aufreiben, statt den Kopf fürs Tennis frei zu haben.

Hinzu kommt der Umstand, dass Ivan Lendl, sein prominenter Honorartrainer, nur sporadisch zu Turnieren anreist. Das Frühjahr über blieb der ehemalige Weltklassespieler in den USA, als Grunde wurde eine Pollenallergei angegeben. Erst nach den French Open und nun beim Turnier in Wimbledon sah man ihn wieder auf dem Trainingsplatz an Zverevs Seite. Am Montagabend saß er, ein weißes Handtuch über den Knien, auf der Tribüne des Courts Number One. Die Auftaktniederlage von Alexander Zverev auf Rasen gegen einen Qualifikanten hat auch Lendl nicht verhindern können.

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