Die Attacke von Uli Hoeneß:Operation Ablenkung

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Was soll der Quatsch, wenige Stunden vor dem Gastspiel von Real Madrid so eine emotionale Attacke gegen Borussia Dortmund zu reiten, statt zur Titelverteidigung zu gratulieren? Die Antwort: Uli Hoeneß führt ein Täuschungsmanöver durch, weil der FC Bayern München Zuspruch benötigt. Und der Präsident sendet ein Zeichen: Ich bin wieder da!

Klaus Hoeltzenbein

Ein Börsenbeben hat die sonntägliche Ankündigung von Uli Hoeneß nicht ausgelöst, er werde jetzt alle in seinem Privatbesitz befindlichen Aktien von Borussia Dortmund verkaufen. Gegen 14.30 Uhr am Montag waren die Anteilsscheine am alten und bald schon neuen deutschen Meister zwar um 2,5 Prozent auf 2,50 Euro gesunken, das aber ist für die Weltmärkte unerheblich. Berufsmäßige Zocker wissen eh, dass Fußball-Aktien allenfalls etwas für Liebhaber sind.

Sprüche von Uli Hoeneß
:Tiraden vom Tegernsee

Uli Hoeneß polarisiert seit eh und je mit markigen Sätzen - ein Rückblick auf die prägendsten Stilblüten zu seinem 70. Geburtstag.

Und da Hoeneß ein Börsenkenner ist, weiß er, dass man Aktien bei guten Nachrichten (sell on good news) abstößt - und den Dortmundern geht es gerade besonders gut.

Insofern ist der Verkauf nur konsequent, sogar überfällig, denn was ist das für ein Wettkampf, in dem der Präsident des ärgsten Rivalen ein Aktionär und somit Mit-Eigentümer des Gegners ist? Nein, die Motivlage des Uli Hoeneß lässt sich nicht aus den Börsenkursen ablesen.

Und nur die Tatsache, dass ihn die Fußball-Welt seit mehr als 30 Jahren zu kennen glaubt und deshalb hinter jeder Aussage eine Strategie vermutet, verhindert, dass Hoeneß jetzt nur plump als schlechter Verlierer dasteht. Denn was soll der Quatsch, wenige Stunden vor der Krönung der Saison, dem Gastspiel der Königlichen aus Madrid, so eine emotionale Attacke gegen Schwarzgelb zu reiten, statt Dortmund zu 25 Spielen ohne Niederlage und zur Titelverteidigung zu gratulieren - und sich einen besseren Zeitpunkt für dieses spezielle Psycho-Duell zu suchen?

Die Lösung findet sich im Lexikon unter dem Begriff "Ablenkungsmanöver" (wahlweise Täuschungsmanöver). Hergeleitet wird es aus dem Militärischen. Es handelt sich um eine Operation, die kurzfristig gegen ein anderes Ziel (Dortmund) als das eigentliche Ziel (Triumph über Real, damit Teilnahme am Champions-League-Finale in München) gerichtet ist.

Das 0:1 jüngst bei den Dortmundern hat Hoeneß in der Überzeugung bestärkt, dass diese Mannschaft wieder einmal dringend Zuspruch benötigt. Und da niemand beim FC Bayern das Loch gefüllt hat, das Hoeneß zur Verfügung stellte, als er 2009 das Manageramt - bekannt als "Abteilung Attacke" - räumte, gibt er im Saisonfinale ein Comeback. Der Präsident repräsentiert nicht mehr, er attackiert wieder. Sein Ritt gegen Dortmund wirkt wie Außenpolitik. Wichtig ist nur die Botschaft nach innen: Achtung, mir reicht's, ich mische wieder mit.

Link: das hat Uli Hoeneß gesagt.

Link: Hier geht's zum Video bei Sky.

© SZ vom 17.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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