DFB-Trainerausbildung:Dreierkette? Nie gehört!

Lesezeit: 4 min

In vielen Vereinen sind die Trainerlizenzen gerade ein großes Thema. (Foto: Dennis Ewert/RHR-Foto/Imago)

Nach einer Reform der DFB-Trainerausbildung hat sich an der Basis massiver Unmut angestaut. Der Vorwurf: Trainertalenten ohne große Vita werde der Zugang zum Elitebereich erschwert. Das neue Modell sei viel zu teuer und viel zu sehr auf ehemalige Profis zugeschnitten.

Von Christoph Leischwitz, München

Wer ein erfolgreicher Fußballtrainer werden will, muss zunächst einen kleinen Buchstabensalat durchlaufen, C-Lizenz, B-Lizenz, dazu einige kleinere Fortbildungen. Und wer dann auch noch die A-Lizenz anstrebt? Für den empfiehlt sich möglicherweise Vitamin B. Denn auf dem klassischen Ausbildungsweg wird es zunehmend schwerer, den Traum vom Profitrainer zu verwirklichen.

Ein Trainer, der die A-Lizenz gerne hätte, sie aber höchstwahrscheinlich nie erhalten wird, formuliert es im Gespräch mit der SZ so: "Das ist wie in einem Kochkurs. Wir haben bis jetzt Desserts und Beilagen durchgenommen, aber das Fleisch haben wir noch nicht machen dürfen." Und das Problem für viele junge Trainerkandidaten ist, dass sie - um im Bild zu bleiben - an die begehrten Fleischtöpfe der Branche sowieso kaum mehr rankommen werden.

SZ PlusNagelsmann beim FC Bayern
:Der Single-Mann

Ist es schlimm, wenn Julian Nagelsmann in seinem ersten Münchner Jahr nur deutscher Meister wird? Mit lässigen Sprüchen und wagemutigen Aufstellungen coacht der Trainer auf einem schmalen Grat - an seiner grundsätzlichen Eignung zweifeln sie im Klub aber nicht.

Von Christof Kneer

In den vergangenen Monaten hat sich reichlich Unmut angestaut, in vielen Vereinen sind die Trainerlizenzen gerade ein großes Thema. Grund ist eine tiefgreifende Reform, die in der Trainerausbildung zu Beginn des Jahres vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) umgesetzt wurde. Die Hauptvorwürfe der betroffenen Trainer sind weitreichend: Sie befürchten eine weitere Entfremdung zwischen Profis und Amateuren, sie beklagen eingeschränkte Chancen der Weiterbildung - und teilweise auch fehlende Transparenz bei der Kandidatenauswahl.

180 Trainer wurden zur Fortbildung für die A-Lizenz gar nicht zugelassen

Die ersten Auswirkungen haben schon einige zu spüren bekommen: gut 180 Trainer nämlich, die sich Ende vergangenen Jahres für den ersten Fortbildungskurs zur A-Lizenz beworben hatten - und eine Absage erhielten. "Haben wir in Deutschland denn so viele gute Trainer, dass wir uns das leisten können, dass Leuten gesagt wird: Wir brauchen euch nicht?", fragt René Urban vom TSV Dinkelsbühl. Er ist Jugend- und zugleich Erwachsenentrainer, steht sechsmal die Woche auf dem Platz, manchmal hilft er auch am Dinkelsbühler DFB-Stützpunkt aus. Er beklagt unter anderem, dass er ohne die A-Lizenz noch keine wirklich tiefgreifende taktische Ausbildung für den Erwachsenenfußball erhalten habe. Von einer Dreierkette zum Beispiel habe man bei der B-Lizenz überhaupt noch nichts zu hören bekommen.

Die A-Lizenz ist die zweithöchste Lizenzstufe im deutschen Fußball. Man braucht sie auch, um später zur Pro-Lizenz-Fortbildung zugelassen zu werden, dem weltweit verpflichtenden Schein für die höchsten Ligen. Früher hieß diese Pro-Lizenz noch "Fußballlehrer" - die Zulassung zu dieser Lizenz war lange Zeit das berühmte Nadelöhr, das die Grenze zwischen Amateur- und Profiausbildung markierte. Jetzt wird schon die A-Lizenz zum Nadelöhr - und viele, die jetzt darüber sprechen, hören sich an wie potenzielle Gäste eines exklusiven Clubs, die von einem viel strengeren Türsteher plötzlich abgewiesen werden. Außerdem ist dieser Club auch deutlich teurer geworden - möglicherweise ein Indiz dafür, dass gar nicht mehr jeder reingelassen werden soll.

Bis 2021 kostete die A-Lizenz ungefähr 2500 Euro plus Verpflegung, der Lehrgang dauerte drei Wochen am Stück, als Ehrenamtler konnte man sie sich in den Urlaub legen. Jetzt kostet die Lizenz 6000 Euro plus geschätzte 3000 Euro Verpflegung sowie Spritkosten, die Ausbildung läuft über ein knappes Jahr. Zwar lässt sich einiges im Rahmen sogenannter Blended-Learning-Module ableisten, man filmt etwa seine eigene Mannschaft und erhält ein digitales Feedback - achtmal drei Tage müsste man aber trotzdem noch nach Nordrhein-Westfalen reisen. Dieser zeitliche Aufwand ist für viele nicht mehr zu bewältigen.

Eine ganze Trainergeneration droht auf der Strecke zu bleiben

Die neue Lage stellt inzwischen auch höherklassige Amateurvereine vor Probleme - Klubs, die auf gut ausgebildete Trainer angewiesen sind, so wie der FC Deisenhofen. Der Verein im Südosten Münchens war immer ein fußballerischer Selbstversorger, irgendwie schaffte man es regelmäßig, mit Spielern aus der eigenen Jugend in der Bayernliga eine gute Rolle zu spielen, vergangene Saison war man sogar Aufstiegskandidat für die Regionalliga. Ein Grund: gut ausgebildete Junioren-Trainer. "Das war ein Baustein, auch mit der ersten Mannschaft erfolgreich zu sein", sagt Franz Perneker, der Sportvorstand.

Neuer Ärger für den DFB, diesmal vom Finanzamt Frankfurt. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Doch jetzt ist die Kette des steten Qualitätsnachschubs jäh unterbrochen. Aktuell besitzen der U19- und der U17-Trainer noch die A-Lizenz, aber niemand rückt mehr nach. Tobias Rembeck, Spieler im Bayernliga-Team und studierter Sportwissenschaftler, kann es sich schlicht nicht leisten, die A-Lizenz zu machen. Der DFB entgegnet, genau das sei ja einer der Gründe für die Reform gewesen: die Jugend- und Erwachsenenausbildung zu optimieren, indem man die Stränge früher trennt. Das ist die Theorie. In der Praxis droht erst mal eine ganze Trainergeneration auf der Strecke zu bleiben.

Immerhin verspricht der DFB, es sei nichts in Stein gemeißelt. Bald würden zusätzliche Lehrgänge starten, um mehr Interessierte aufnehmen zu können, auch denke man über Stipendien nach.

Der radikale Schnitt führt aber zumindest in der Übergangsphase zu kuriosen Trainer-Schicksalen. So wird die A-Lizenz auch für die viertklassige Regionalliga benötigt. Hannes Sigurdsson, zurzeit noch Trainer des fünftklassigen FC Deisenhofen, kann deshalb bald in die Regionalliga wechseln - der ehemalige Nationalspieler konnte die A-Lizenz in seiner isländischen Heimat erwerben. Andreas Pummer, ab Sommer Sigurdssons Nachfolger in Deisenhofen, wurde zum A-Lizenz-Lehrgang im vergangenen Dezember dagegen nicht zugelassen. Aktuell trainiert er zwar den Regionalligisten FC Pipinsried, was allerdings nur dank einer Behelfsregelung funktioniert - wer sich für die A-Lizenz bewirbt, darf in der Regionalliga Cheftrainer sein, er muss gar nicht angenommen werden. Über die Details der Lizenzangelegenheiten will der 39-Jährige lieber nicht sprechen, er klingt bezüglich seiner Perspektive für die weitere Karriere aber ziemlich frustriert.

Der DFB sagt, man habe das neue System auf die Biografien aktueller Bundesliga-Trainer angewandt

Pummer war auch schon Drittliga-Interimscoach bei Türkgücü München, dort sammelte er auch als Co-Trainer jahrelange Profi-Erfahrung. Doch auch er kam am Ende nicht auf die nötige Punktzahl, die man mithilfe der Vita sammeln kann. Die Bewerbung für die A-Lizenz scheint demnach auf Ex-Profis und Spieler aus den Nachwuchsleistungszentren zugeschnitten zu sein. "Es heißt, ich könnte mich doch hocharbeiten", sagt René Urban aus Dinkelsbühl, "ich bekomme aber in manchen Vereinen nur eine Chance, wenn ich die Lizenz schon habe." Ein Teufelskreis.

Trainer-Dilemma: Andreas Pummer (rechts) hat in der dritten Liga als Interims-Coach gearbeitet, sammelte jahrelang Profi-Erfahrung mit Profis. Doch selbst er kam nicht auf die nötige Punktzahl, um die A-Lizenz zu machen. (Foto: Markus Fischer/Imago/Passion2Press)

Der DFB sagt auf Nachfrage, man habe das neue System auf die Biografien aktueller Bundesliga-Trainer angewandt. Keiner der aktuellen Trainer wäre dabei durchs Raster gefallen, heißt es. "Die Trainer-Vielfalt fehlt, die Mischung macht's doch", findet hingegen der Deisenhofener Sportvorstand Perneker.

Kurz- bis mittelfristig werde das Niveau im Amateur- und Jugendbereich sinken, glaubt Simon Schröttle, U13-Coach beim Erstligisten FC Augsburg und zugleich Trainer des Landesligisten FC Ehekirchen. Den sogenannten "Fußballverrückten", die ehrenamtlich arbeiten, würden Steine in den Weg gelegt. "Ein Verband sollte dafür verantwortlich sein, Trainer so gut wie möglich auszubilden, auch und gerade für den Breitensport." Davon würde am Ende auch der Profifußball profitieren.

Wer zumindest ein gut ausgebildeter Jugendtrainer werden will, könnte sich theoretisch auch für die neue A-Plus-Lizenz mit einem jugendspezifischen Angebot bewerben. Allerdings: Die Kosten für diesen Lehrgang sind noch höher als für eine A-Lizenz, sie belaufen sich mit allem Drum und Dran auf rund 18 000 Euro. Zu viel für den FC Deisenhofen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusInterview mit Rudi Völler
:"Aus dem wird nie was, der hat zu dünne Beine"

Rudi Völler wird nach dem Ende dieser Saison nach 45 Jahren im Profifußball kürzertreten - Zeit für einen Streifzug durch eine Karriere. Ein Gespräch über Fehleinschätzungen und Abenteuer in Italien, ein Foul in München und Samstage im Fernsehen.

Interview von Philipp Selldorf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: