DFB: Schiedsrichter-Affäre:Unter Einschluss der Öffentlichkeit

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In der Affäre um Amerell und Kempter gerät vor allem der DFB immer mehr in die Bredouille. Versäumte der Verband, die Sache intern zu klären?

Thomas Kistner

Am Wochenende nahm Manfred Amerell eine, wie er sagt, "psychische Auszeit". Am Montag beginnt die anwaltliche Sichtung jener Eidesstattlichen Versicherungen, die vier Schiedsrichter wegen sexueller Belästigungen gegen Amerell vorgelegt haben. Zugleich setzt der Kronzeuge des Deutschen Fußball-Bundes, der für den Ligabetrieb an diesem Wochenende erst ein- und dann wieder abberufene Michael Kempter, sein Bemühen fort, die Flut anzüglicher Mails zu erklären, die er Amerell über drei Jahre geschickt hat und die ein sehr vertrautes Verhältnis nahelegen.

"Er sagte ,Ich nehme dir die Spiele weg", sagte Kempter der Zeitung Die Welt zu den befürchteten Folgen, falls seine Diktion in den Mitteilungen an Amerell nicht leidenschaftlich genug war oder das nächtliche Klopfen an seiner Hoteltür ungehört blieb. Kempter bestreitet jede einvernehmliche sexuelle Beziehung. Nachdem beide übereinstimmend behaupten, es habe in der Affäre insgesamt drei intime Begegnungen gegeben, erweckt Kempters Version den Eindruck, dass Druck ausgeübt worden sei. Gab es solch ein bizarres Zwangsmuster dann auch bei den anderen Referees?

Amerell sagt: "Nein." Er besitze den Gegenbeweis: "Kempter verwechselt die Mails. Er war es, der mir schrieb, wenn ich nur 'Liebe Grüße' geschickt habe." Der Augsburger sagt, er baue auf die Kompetenz professioneller Strafrechtler, die sich all dieser Aussagen "schon sehr bald" annehmen würden: "Bei Gericht sitzen Experten, denen erzählst du nicht so leicht die Story vom Pferd."

DFB in der Bredouille

Der DFB hat annonciert, er leite die Akte Amerell an die Staatsanwaltschaft Augsburg weiter. Anzunehmen ist, dass diese Akte in künftigen Prozessen ohnehin angefordert wird. Da diese Übergabe erst jetzt und als Reaktion auf Amerells Prozess-Ankündigung erfolge, rechnet Amerells Anwalt Jürgen Langer nicht mit strafrelevanten Vorgängen darin: "Sonst würde sich der DFB dem Verdacht der Strafvereitelung aussetzen." Amerell ist sicher, dass die Causa für den DFB und Präsident Theo Zwanziger mit dem Vergleich vom vorigen Donnerstag vor dem Landgericht München nicht vorbei ist, sondern erst beginnt. Der Weg werde nun, über Strafprozesse gegen die ihn belastenden Schiedsrichter, zurück zum Verband führen: "Zunächst wird alles genau geprüft, dann geht es Zug um Zug weiter. Bis klar ist, wer hier in welcher Verantwortung gestanden hat."

Den Hauptschuldigen aus seiner Sicht benennt Amerell klar: "Ich hatte ja keine andere Möglichkeit mich zu wehren, als alles an die Öffentlichkeit zu zerren. Die Verantwortung dafür, dass wir ein so heikles Thema in unserem Rechtsstaat nicht anders aufarbeiten konnten, liegt eindeutig bei Zwanziger." Dessen Umgang mit der Sache hält DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach hingegen für tadellos: "Die von Herrn Amerell gegen den Verband und unseren Präsidenten Theo Zwanziger erhobenen Vorwürfe sind völlig absurd." Doch Zweifel an dieser Auffassung mehren sich.

Öffentlich steht Zwanziger unter Druck, brisante Fragen wirft überdies ein SMS-Wechsel Kempters mit Amerell auf. Dieser fand zwischen einem "informellen Gespräch" von Zwanziger, Niersbach und DFB-Personalchef Stefan Hans mit Amerell am 1. Februar und der Präsidiumssitzung am 4. Februar statt, bei der die Causa einem größeren Kreis offenbart wurde. Gegenüber Amerell erweckt Kempter dabei den Eindruck, dass ihm an einer internen Klärung sehr gelegen sei. Eine SMS vom 3. Februar lautet: "Ich habe Hans geschrieben, dass es so geklärt werden muss. Es hängen Familien von allen drin. Ich habe die Nachricht dem Hans geschickt. Naja." Eine weitere SMS vom selben Tag: "Habe Herr Hans geschrieben. Hoffe er meldet sich." Wäre alles intern zu regeln gewesen?

Der DFB hält sich bedeckt

Kempter reagierte auf Anfrage am Wochenende nicht, der DFB wich einer Antwort zu dem bedeutsamen Vorgang am Sonntag aus: "Sie haben sicher Verständnis, dass der DFB jetzt nicht täglich jede von Herrn Amerell oder Herrn Langer lancierte angebliche Mail oder SMS kommentieren wird."

Einsilbig war auch die Auskunft zur Verfahrensweise mit den drei Referees. Diese hatten, hieß es stets, ihre Eide gegen Amerell nur unter Zusicherung strikter Abschirmung ihrer Identität geleistet. Auf die Frage, ob ihnen klargemacht worden sei, dass diese Anonymität durchaus auf dem Spiel stand, teilte der DFB mit: "Ja." Und auf die Frage, ob die Referees im Fortgang der juristischen Auseinandersetzung vom DFB betreut würden: "Der DFB unterstützt seine Schiedsrichter auch weiterhin." Einer der drei, sickerte am Sonntag durch, wolle die Offensive suchen und Amerell verklagen. Das alles droht, für den DFB aufwendig werden. Amerell sagt zur Dimension der anstehenden juristischen Aufräumarbeiten: "Vor uns liegt kein Scherbenhaufen, das ist ein Müllberg."

Im Video: Ribery setzt sich Ultimatum - Saisonaus für Breno - Kempter kalt gestellt

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© SZ vom 08.03.2010/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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