Der 12. und der 22. März 2019 sind mit die wichtigsten Tage in der jüngeren Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gewesen. Da wurden keine Pokale gewonnen und keine Meisterschaften gefeiert. Dafür wurden an diesen Tagen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung Steuerprobleme bereinigt, die den Verband und den Fiskus jahrelang beschäftigt hatten.
Es ging um Einnahmen aus der Bandenwerbung bei Länderspielen. Um genau jene Erlöse, die für die Staatsanwaltschaft Frankfurt vor einer Woche Anlass zu einer der größten und spektakulärsten Razzien beim DFB und führenden Fußball-Funktionären waren. Durchsucht wurde sogar das Haus von Reinhard Rauball, der sowohl bei Borussia Dortmund wie auch beim DFB mehrmals geholfen hatte, Finanzaffären zu bereinigen.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem DFB vor, 2014 und 2015 Werbeerlöse falsch versteuert und so Abgaben in Höhe von 4,7 Millionen Euro hinterzogen zu haben. Das Merkwürdige an der Razzia: Das ist alles eigentlich längst erledigt, und die 4,7 Millionen Euro sind inzwischen bezahlt.
DFB und Finanzbehörden haben sich geeinigt
Am 12. März 2019 hatte der DFB unter der Steuernummer 045 250 00425 beim Finanzamt Frankfurt am Main III beantragt, strittige Erlöse aus der Bandenwerbung bei Spielen der Nationalmannschaft im Jahr 2015 in Höhe von knapp acht Millionen Euro "der Besteuerung zu unterwerfen". So teilte das eine Steuerberatungsgesellschaft im Auftrag des DFB dem Fiskus mit. Die ursprüngliche Steuererklärung für das Jahr 2015 wurde damit korrigiert.
Zehn Tage später, am 22. März 2019, einigten sich der Fiskus und der DFB auch über die Einnahmen aus der Bandenwerbung im Jahr 2014, über die bis dahin ebenfalls gestritten worden war. Sämtliche Erlöse aus dem Verkauf der Banden in den Stadien seien nunmehr zu versteuern, notierte das Bundeszentralamt für Steuern später in einem ausführlichen Vermerk. Darauf und auf anderes mehr hätten DFB und die Finanzbehörden sich bei Arbeitstreffen und bei einer Schlussbesprechung am 22. März 2019 geeinigt.
Im Ergebnis führte das zu den inzwischen erfolgten Steuernachzahlungen in Höhe von 4,7 Millionen Euro für die Jahre 2014 und 2015. Trotzdem leitete die Staatsanwaltschaft Frankfurt gegen sechs heutige und frühere DFB-Funktionäre ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung zugunsten des Verbandes ein und beantragte einen Durchsuchungsbeschluss, den das Landgericht Frankfurt am 24. August 2020 erließ. Vor einer Woche folgte die Razzia.
Der DFB ließ den Eindruck entstehen, man habe frühe Warnsignale im eigenen Verband ignoriert
Ebenfalls merkwürdig: Im Durchsuchungsbeschluss wird das Schreiben vom 12. März 2019 erwähnt, mit dem der DFB die Steuererklärung für 2015 korrigierte. Und es wird auch jener Vermerk des Bundeszentralamtes für Steuern erwähnt, in dem die Einigung zwischen DFB und Finanzbehörden für 2014 beschrieben ist. Dazu heißt es im Durchsuchungsbeschluss sogar, die betreffenden "Prüfungsfeststellungen" des Fiskus seien vom Verband nicht beanstandet worden.
Staatsanwaltschaft und Gericht wussten also, dass eigentlich alles geregelt war. Trotzdem folgten Ermittlungen und Razzia. Die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht in Frankfurt glauben, die DFB-Verantwortlichen hätten "bewusst" falsche Steuererklärungen für 2014 und 2015 abgegeben.
Kritik an ihrer Razzia weißt die Frankfurter Staatsanwaltschaft nun zurück: "Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, ein Jahre später möglicher 'Deal' mit dem Fiskus beseitigt nicht die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Ursprungstäter." Die Staatsanwaltschaft erklärte weiter, eine "derartige Vorstellung würde dazu führen, dass sich der Steuerhinterzieher immer Jahre später durch Berichtigungserklärungen von dem Vorwurf der Steuerhinterziehung 'freikaufen' kann. Diese Möglichkeit besteht allein bei einer Selbstanzeige, die aber vorliegend von den Beschuldigten nicht erstattet wurde." Auch Kritik an der Vorgehensweise lässt die Staatsanwaltschaft nicht gelten. Die "Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen" stünden vor dem Hintergrund der Verdächtigungen "außer Frage".
In der ganzen Angelegenheit gibt es eine weitere Merkwürdigkeit: DFB-Präsident Fritz Keller erklärte nach der Razzia, er stehe für "vollkommene Transparenz" im Verband. Er könne "eine staatliche Unterstützung bei den Untersuchungen nur begrüßen." Keller fand die Razzia also in Ordnung. Anschließend brachte es der DFB tagelang nicht fertig, von sich aus zu erklären, dass man diese Steuerprobleme eigentlich schon im März 2019 bereinigt hatte. Statt die Fakten auf den Tisch zu legen, ließ der DFB den Eindruck entstehen, man habe frühe Warnsignale im eigenen Verband ignoriert. Und nichts getan, um die Probleme zu lösen. Merkwürdigkeiten auf allen Seiten.