DFB-Pokal:Union zieht eiskalt ins Halbfinale ein

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Jederzeit bereit: Andreas Voglsammer nutzt einen Ausrutscher in St. Paulis Defensive zum zweiten Treffer für Union. (Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Nach Fehltritten von Torwart Smarsch und Verteidiger Medic unterliegt der FC St. Pauli mit 1:2 beim 1. FC Union Berlin. Die stehen nun nur noch ein Spiel vorm Finale im Olympiastadion.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es kommt nicht so oft vor, dass Urs Fischer die Favoritenrolle für seine Mannschaft annimmt. Schon gar nicht diskussionslos. Am Vorabend der Viertelfinalpartie gegen den FC St. Pauli aber blieb dem Trainer des 1. FC Union Berlin nichts übrig, als sie zu akzeptieren. Das hatte nichts mit einem Mangel an Demut zu tun. Hier der Erstligist Union, da der Zweitligist St. Pauli, da waren die einschlägigen Fragen überflüssig. Auch wenn sich ein Klassenunterschied nicht feststellen ließ: Die Auguren sollten Recht behalten. Durch einen 2:1-Sieg gegen St. Pauli zog Union zum ersten Mal seit 2001 wieder in das Halbfinale des DFB-Pokals ein.

"Das kleine Quäntchen Glück hat gefehlt", sagte St. Paulis Kapitän Leart Paqarada im ARD-Interview. "Wir waren besser und in Führung, dann aber sind zwei individuelle Fehler knallhart bestraft worden. Das ist schade." Unions Geschäftsführer Oliver Ruhnert sah es naturgemäß ein bisschen anders. "Wir waren aggressiv und mutig am Ball. Im Endeffekt ist es ein verdienter Sieg", sagte Ruhnert dem Sender Sky. "Ich bin sehr glücklich, dass wir unter den letzten Vier sind. Auf den Sport gesehen tut es gut, in diesen Zeiten so ein Erlebnis zu haben."

Es war ein hartes Stück Arbeit, bar jeder Frivolités. Die größte hatte sich Fischer bei der Besetzung des Torhüterpostens geleistet, und sie war gar nicht mal so groß. Anstelle des eingespielten Stammkeepers Andreas Luthe durfte Frederik Rönnow ins Gehäuse - ein Tormann von gewissem Renommee und mit ausgiebiger Erstligaerfahrung, aber: ohne Spielpraxis. Den letzten seiner fünf Saisoneinsätze hatte der Däne Ende Januar beim Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach feiern dürfen. Und die zweite Szene, in der er gegen St. Pauli intervenieren musste, warf die Frage auf, ob es die beste Idee war, Rönnow mit dem Spiel gegen die Hamburger zu betrauen.

Den ersten Schuss, der auf das Köpenicker Tor flog, von Marcel Beifus, parierte Rönnow noch ohne Mühe (4. Minute). Die zweite Herausforderung aber geriet Rönnow zu groß. Schiedsrichter Florian Badstuber pfiff am Halbmond vor dem Strafraum der Unioner ein überaus schmeichelhaftes Foul an Daniel Kyereh - und der Ghanaer trat selbst zur Ausführung des Freistoßes an. Kyereh verwandelte ihn, indem er den Ball in die Torwartecke schoss und Rönnow durch einen Aufsetzer übertölpelte. Das bedeutete die 1:0-Führung für die unterklassigen Gäste, Kyereh feierte mit einem Flick-Flack von olympiatauglichem Format.

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Die Unioner brauchten ihre Zeit, um den Gegentreffer zu verdauen. Ein Grund dafür: Union und St. Pauli sind nicht nur deshalb Brüder im Geiste, weil beide Organisationen als sogenannte Kultklubs gelten. Sondern auch, weil sie insofern fußballerisch artverwandt sind, weil sie durch Ordnung und Konzentration bestechen. Am Dienstag bedeutete dies, dass die favorisierten Köpenicker große Schwierigkeiten hatten, Chancen zu kreieren.

Es gelang ihnen im Grunde erst in der 32. Minute, als der zuletzt überragende niederländische Stürmer Sheraldo Becker einen nicht perfekt, aber gut platzierten Schuss aufs Tor jagte. Der einzige Berliner auf dem Platz, Paulis Torwart Dennis Smarsch, parierte mit Bravour. Sekunden vor dem Ende der ersten Halbzeit rutschte Smarsch dann aber aus, als er einem langen Ball entgegenlaufen wollte, dem Unions Stürmer Taiwo Awoniyi hinterherjagte. Es war ein fatales Malheur, denn es kostete Smarsch entscheidende Sekunden. Als er sich berappelt hatte, prallte der Ball zu Becker. Und der Niederländer vollendete volley - mit der gleichen Eiseskälte, die in der Alten Försterei herrschte: ein Grad unter Null.

Nach der Pause kam Union mit größerer Verve aus der Kabine. Es mangelte den Köpenickern zwar weiterhin an überzeugenden Ideen. Und da, wo sie doch aufzuscheinen schienen, fehlte es an der letzten Präzision. Aber es war ihnen anzumerken, dass sie in ihrer seit 2019 andauernden Erstligazugehörigkeit nicht vergessen haben, dass es unter Umständen nötig ist, Gegner durch Arbeit niederzuringen. Umgekehrt wuchsen die Schwierigkeiten für St. Pauli, den Ball in die Gefilde zu tragen, die von Union verteidigt wurden. Die größte Aufregung gab es in der 69. Minute, als Unions eingewechselter Andreas Voglsammer im Clinch mit Jakov Medic im Strafraum zu Boden ging, als er zum Schuss ansetzte. Das war in der 75. Minute vergessen, als es wieder zum Duell zwischen Voglsammer und Medic kam: Nach einem langen Ball von Knoche rutschte Paulis Verteidiger aus, Voglsammer schob zum 2:1 ein. Danach ließ Union Routine, Reife und Umsicht walten - und ist nur noch einen Sieg vom Pokalfinale entfernt.

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