Pokalfinale der Frauen:Der Fußball und sie haben sich gefunden

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Wolfsburgs Pernille Harder übertraf sich selbst und alle anderen Bundesligaspielerinnen diese Saison mit 27 Toren. (Foto: dpa)

Pernille Harder hat großen Anteil daran, dass der VfL Wolfsburg im DFB-Pokal-Finale gegen Essen steht. Die Dänin sorgt nicht nur durch ihre Tore für Aufsehen, sondern auch durch gesellschaftliches Engagement.

Von Anna Dreher, Wolfsburg/München

Als Pernille Harder zehn Jahre alt gewesen ist, spielte sie schon ihr halbes Leben lang Fußball. Bei Tulstrup-Faurholt IK in ihrer Heimat Dänemark gab es kein Mädchenteam, also kickte sie bei den Jungs, als einziges Mädchen. Für sie machte das keinen Unterschied, und auch die Jungs wollten mit ihr spielen, Harder war schon damals gut. Der Fußball und sie hatten sich gefunden.

Als Harder dann mit zehn Jahren einen Aufsatz schreiben sollte über ihre Zukunft, schrieb sie: "Ich möchte die beste Fußballerin der Welt sein." Sie hat all das in einem Videoformat ihrer früheren Mitspielerin beim VfL Wolfsburg, Ella Masar, erzählt, und sich dann kurz in ihrem Stuhl zurückgelehnt und gelacht, gerade so, als sei ihr das 17 Jahre später ein wenig unangenehm: "Das war eben immer ein Traum für mich", sagt Harder. Und es ist ja nun mal so: Ihr Ziel hat sie fast erreicht.

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Wenn der VfL Wolfsburg am Samstag in Köln (16.45 Uhr, ARD) gegen die SGS Essen zum sechsten Mal nacheinander im Finale des DFB-Pokals steht und diesen Titel zum siebten Mal gewinnen könnte, liegt das natürlich am sehr stimmig zusammengestellten Kader mit vielen herausragenden Fußballerinnen. Es liegt aber auch daran, dass der Klub es geschafft hat, in Pernille Harder eine der weltweit besten Spielerinnen zu halten, entgegen dem ligaweiten Trend der vergangenen Jahre. Eine Saison läuft ihr Vertrag noch, und ob Harder dem VfL und der Bundesliga darüber hinaus erhalten bleibt, dürfte auch davon abhängen, was bis zum 30. August passiert.

Die Bundesliga gewann Wolfsburg mit acht Punkten Vorsprung auf den FC Bayern deutlich, mit einem Torverhältnis von 93:8 stellte der VfL zudem die beste Offensive und die beste Defensive. 27 Tore erzielte Harder. Seit zehn Jahren hat keine Spielerin in der Liga so oft getroffen, die Dänin verpasste um nur ein Tor die damals gesetzte Bestmarke der Duisburgerin Inka Grings. Ein Sieg am Samstag brächte das Double, drei weitere Siege beim Finalturnier der Champions League Ende August das zweite Triple nach 2013. "Zu spüren, dass ich mich verbessere, ist für mich, zusammen mit dem Gewinnen von Titeln, eine große Genugtuung", sagt die 27-Jährige auf die Frage, welchen Reiz ein Verbleib in der Bundesliga für sie habe. Nur könnte sie das natürlich auch woanders finden. Für Wolfsburg sind weitere Erfolge also auch deshalb wichtig, damit sie bleibt.

Einsatz für Gleichberechtigung

Harder kam Anfang 2017 vom schwedischen Meister Linköpings FC. Gleich in ihrem zweiten Jahr wurde sie Torschützenkönigin und ist seither für Wolfsburg zur absoluten Leistungsträgerin geworden, die das Team mit ihrem Ehrgeiz mitzieht und sich trotz herausragendem individuellem Können uneigennützig in dessen Dienst stellt. Harder steht mit ihrer Spielintelligenz, Übersicht, Beidfüßigkeit und feiner Technik im offensiven Mittelfeld für die Kreativität des Wolfsburger Spiels. Und für Effizienz. Ihr letztes Bundesligasaisontor war ihr 100. im 110. Einsatz für Wolfsburg. "Pernille macht die Mannschaft besser, weil sie mit einer Aktion eine Partie entscheiden kann. Und sie ist eine sehr komplette Spielerin", sagt VfL-Trainer Stephan Lerch über eine seiner drei Kapitäninen: "Und es ist dieses Gesamtpaket, das sie zu einer der besten, wenn nicht sogar zur besten Spielerin der Welt macht."

Weil nicht nur Lerch das so sieht, dürften die Begehrlichkeiten groß sein. Neben zahlreichen anderen Auszeichnungen wurde die EM-Finalistin von 2017 zu Europas Fußballerin des Jahres 2018 gewählt und kam beim Ballon d'Or zur Weltfußballerin hinter der Norwegerin Ada Hegerberg und vor der Deutschen Dzsenifer Marozsán auf Rang zwei. Eine Spielerin, die sich gerne hinter den Stürmerinnen einsortiert, sehr oft selbst trifft, ideale Vorlagen geben kann und immer viel Aufmerksamkeit auf sich zieht und so Räume öffnet - wer würde so eine nicht im Kader wollen?

Harder selbst könnte ein gewisses Interesse an anderen europäischen Ligen haben: Ihre Freundin, die schwedische Nationalspielerin Magdalena Eriksson, spielt in der englischen Profiliga bei Meister Chelsea LFC. Die beiden sind seit ihrer Zeit bei Linköping ein Paar. Der breiten Öffentlichkeit wurde die Beziehung durch einen Kuss bei der WM 2019 bekannt, zu der Harder als Zuschauerin gereist war. Das Foto verbreitete sich weltweit. Das Paar erhielt viele Zuschriften - und nutzt die Reichweite nun, um sich stark zu machen für Gleichberechtigung in vielen Bereichen. "Mein größtes Ziel ist es, dabei zu helfen, den Fußball der Frauen dem der Männer in allen Aspekten mehr anzugleichen", sagt Harder. "Gleichberechtigung und auch die LGBTQ-Community sind zwei wichtige gesellschaftliche Themen für mich. Ich hoffe, ich kann hier zu einem Fortschritt verhelfen." Auf dem Platz ist Stürmerin Harder eh stets vorne dran.

© SZ vom 04.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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