Kommentar:Turbine oder Hertha

Noch immer verweigern sich einige Profifußballvereine dem Frauenfußball. Die Entwicklung dieses Marktes dürfte das jedoch bald ändern.

Von Anna Dreher

Fritz Keller war noch nicht lange designierter Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), als er Hoffnung auf Veränderung bei jenen weckte, die bis heute um Anerkennung kämpfen: den Fußballerinnen. "Die Männer-Profivereine täten gut daran, mehr in den Mädchen- und Frauenfußball zu investieren", sagte Keller im Herbst 2019. "Es gibt nur einen Fußball, und Frauenfußball ist Fußball. Also gehört eine Verpflichtung dazu, auch hier den nächsten Schritt zu machen." Zumindest solle jeder Männer-Lizenzverein, wenn er kein eigenes Frauenteam hat, einen Frauenklub unterstützen. Irgendwann solle das auch als Bedingung für die Lizenzierung gelten.

Einige Monate später werden nun Schritte in die vom DFB-Präsidenten angemahnte Richtung gemacht, auch wenn sein Appell nicht primär Grund dafür sein dürfte: Zum 1. Juli 2020 wird nicht nur der bislang erfolgreichste deutsche Frauenverein 1. FFC Frankfurt eine neue Heimat bei der Eintracht finden und der FF USV Jena das Spielrecht seiner Teams auf den FC Carl Zeiss Jena übertragen. Auch Hertha BSC bewegt sich, ein bisschen zumindest. Der Hauptstadtklub und der benachbarte 1. FFC Turbine Potsdam haben eine Kooperation vereinbart. Im Zuge dessen wird der ehemalige Bundesligaprofi Sofian Chahed Trainer von Turbine, das ein eigenständiger Verein bleiben möchte - obwohl das schwieriger geworden ist. Neben Potsdam tragen in der Bundesliga nächste Saison nur noch die SGS Essen und der SC Sand keinen bekannten Männer-Vereinsnamen.

Dass in diesem Markt viel Potenzial steckt, ist längst kein Geheimnis mehr. Die englische Women's Super League setzt als Europas bislang einzige Profiliga Maßstäbe. Die Klubnamen entsprechen quasi jenen der Premier League, und auch in Frankreich, Italien und Spanien sind viele große Vereine mit Teams in den Frauenligen vertreten. Die Professionalisierung hängt nun mal mit einer gewissen Finanzkraft zusammen.

Natürlich kann kritisch hinterfragt werden, ob der vom Profifußball der Männer eingeschlagene, profitgetriebene Weg in ähnlicher Form auch von den Frauen angestrebt werden sollte. Aber genauso stellt sich die Frage: Wie kann es sein, dass sich einige Vereine noch immer mehr als der Hälfte der Gesellschaft verweigern? Seit dem 31. Oktober 1970 dürfen Mädchen und Frauen in Deutschland nach der Aufnahme in die DFB-Satzung offiziell Fußball spielen. Borussia Dortmund begründete sein fehlendes Engagement hier bislang mit dem Argument, der Frauenfußball gehöre nicht zur Tradition des Klubs. Nur wird er das auch nie, wenn Fußballerinnen gar nicht erst eine Chance bekommen. Wem das Bewusstsein für Gleichberechtigung und gesellschaftliche Veränderung fehlt, wird sich vom Markt sicher bald dazu gedrängt fühlen.

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