Fußballbundesliga der Frauen:Wieder mit den Männern

Fußballbundesliga der Frauen: Pionierinnen mit Ball: Im August 2000 treffen sich die Nationalspielerinnen des 1.FFC Frankfurt zum Gruppenfoto (von links): Birgit Prinz (später Weltmeisterin, Weltfußballerin, Rekordnationalspielerin), Steffi Jones (später DFB-Direktorin, Nationaltrainerin), Tina Wunderlich, Sandra Minnert, Renate Lingor, Doris Fitschen (heute Managerin Frauen-Nationalmannschaft).

Pionierinnen mit Ball: Im August 2000 treffen sich die Nationalspielerinnen des 1.<ET>FFC Frankfurt zum Gruppenfoto (von links): Birgit Prinz (später Weltmeisterin, Weltfußballerin, Rekordnationalspielerin), Steffi Jones (später DFB-Direktorin, Nationaltrainerin), Tina Wunderlich, Sandra Minnert, Renate Lingor, Doris Fitschen (heute Managerin Frauen-Nationalmannschaft).

(Foto: Alfred Harder/imago)

22 Jahre, 20 Titel - aber alleine keine Zukunft: Warum eine Ära endet und sich der 1. FFC Frankfurt, Deutschlands erfolgreichster Frauenfußball-Verein, ab Juli der Frankfurter Eintracht anschließt.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Siegfried Dietrich, der Manager des 1. FFC Frankfurt, konnte die zwei Plakate unmöglich übersehen, die am Geländer im Stadion am Brentanobad hingen. "Für immer FFC" stand an der linken Platzhälfte. "Wohin es auch geht" prangte an der rechten. Wer wollte, konnte daraus eine versteckte Kritik ableiten, dass der erfolgreichste deutsche Frauenfußballverein beim Heimspiel gegen den SC Freiburg (0:2) am Sonntag seine Abschiedsvorstellung gegeben hat. Kaum war abgepfiffen, meldete sich Stadionsprecher Werner Damm und rief: "Eine Ära endet, eine neue beginnt!"

Der 1. FFC Frankfurt schlüpft zum 1. Juli unter das starke Dach von Eintracht Frankfurt. Mit der Fusion soll "im Herzen von Europa ein neues Zentrum im deutschen Frauen- und Mädchenfußball entstehen", teilten beide Vereine kürzlich mit. PR-Profi Dietrich, 63, sieht sein Lebenswerk "in das sichere Fahrwasser der Strukturen von einem der am modernsten geführten Lizenzvereine übertragen".

Eher bescheiden wird die Zielsetzung formuliert: Eine Kampfansage an Wolfsburg oder FC Bayern, die seit 2013 die Meisterschaft unter sich ausmachen, klänge jedenfalls anders. "Natürlich wollen wir oben anklopfen und sobald wie möglich auch wieder international spielen", sagt Dietrich. "Klar ist aber, dass wir nichts überstürzen." Das talentierte, aber nicht ausgereifte Ensemble mit den jungen Nationalspielerinnen Sophia Kleinherne oder Laura Freigang wird das künftige Gerüst bilden, prominentester Zugang wird Nationaltorhüterin Merle Frohms aus Freiburg sein. Ins Bieten um Torjägerin Klara Bühl (von Freiburg zu Bayern) oder Toptalent Lena Oberdorf (von Essen nach Wolfsburg) war Frankfurt gar nicht mit eingestiegen.

Die Frauen unter dem Dach der großen Fußball-Marken: Auch für Fritz Keller ein "Vorzeigemodell"

Die Fusion ist für Dietrich gleichwohl alternativlos, "sonst würde es uns in ein paar Jahren vielleicht gar nicht mehr geben." Und das könnte der Mitbegründer, Investor, Pionier und Ideengeber des am 27. August 1998 gegründeten Vereins schwer ertragen. Sieben Meisterschaften, neun DFB-Pokalsiege und vier Europapokal-Triumphe haben Birgit Prinz, Steffi Jones und viele andere, die den Klub ein Jahrzehnt lang prägten, für den FFC gewonnen.

Am Sonntag, erzählt Dietrich, habe sich "Kopf-Kino" bei ihm abgespielt. Er hatte wichtige Wegbegleiterinnen in die Spielstätte neben einem der schönsten Schwimmbäder Frankfurts gelotst. Nia Künzer, das "Golden Girl" vom WM-Titel 2003, die heute ein Dezernat für Flüchtlingsangelegenheiten in Gießen leitet. Oder Monika Staab, 61, rastlose Entwicklungshelferin, die jüngst in der Corona-Krise von ihrem Fußballprojekt in Gambia heimgeholt wurde. Staab war Spielerin beim FFC-Vorgänger SG Praunheim, als Dietrich noch als Physiotherapeut arbeitete.

Anfang der 1990er Jahre habe sie nach einem Bänderriss auf Dietrichs Massagebank gelegen, erzählt sie, "und dann habe ich ihn zu unserem Bundesligaspiel gegen Bayern eingeladen". 2500 Zuschauer auf der Anlage Praunheimer Hohl. Dietrich fiel sofort auf, dass nirgendwo eine Werbebande stand. Er, der zu diesem Zeitpunkt noch Eiskunstlaufgalas mit Katharina Witt organisierte, kümmerte sich fortan um die Vermarktung, führte Pressekonferenzen und VIP-Räume ein. Staab war nach dem Karriereende als Trainerin die zweite treibende Kraft für die Verwandlung in einen reinen Frauenfußballverein, der dann bald jedes Jahr seinen Briefkopf änderte.

Spott von männlicher Seite - an chauvinistischen Sprüchen fehlte es bis weit in die 1990er Jahre nicht - stachelte die beiden an, das Vorzeigemodell noch professioneller zu gestalten. Nach 22 Jahren mit 20 Titeln nun die Eigenständigkeit aufzugeben, sieht Staab "mit einem weinenden Auge". Klar, das Budget von 1,6 Millionen Euro mag nicht mehr reichen, um vorne mitzuspielen, aber man müsse auch wissen, was man verliert: das familiäre Ambiente, die kurzen Entscheidungswege. "So abgezockt sind die Spielerinnen auch heute nicht, dass sie nur aufs Gehalt schauen." Aus Staab spricht Skepsis. Dietrich verbreitet hingegen fast nur Optimismus. "Entscheidend war immer, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Schritte zu gehen."

Seit vier Jahren spielt Frankfurt nicht mehr international. Dauerhaft wird das in einer Hochburg des Frauenfußballs nicht akzeptiert. Beim Uefa Women's Cup-Finale 2008 strömten 27 640 Besucher in die große Frankfurter Arena, beim Champions-League-Finale 2012 spielte der FFC im Münchner Olympiastadion vor mehr als 50 000. Nachdem es 2015 im Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark gelungen war, gegen Paris St. Germain die Königsklasse zu gewinnen, "wussten wir, das werden wir als reiner Frauenfußballverein nie mehr schaffen", erinnert sich Dietrich. Zu viel Geld pumpten namhafte Männer-Lizenzvereine aus ganz Europa längst in ihre Frauen-Abteilungen.

Zwei, drei Jahre hatte der FFC-Macher die Eintracht-Bosse bekniet. Ihm kam zupass, dass Sportvorstand Fredi Bobic einst als elfter FFC-Gründer einen Mitgliedsantrag unterschrieb. Die Zusage für den Zusammenschluss fiel in die bei der WM 2019 geführte Debatte, dass große Fußball-Marken am besten Männern wie Frauen eine Heimat bieten. So möchte es auch DFB-Präsident Fritz Keller, der hofft, "dass weitere Klubs dem Vorzeigemodell folgen und so den Frauenfußball sportlich, gesellschaftlich und wirtschaftlich voranbringen". Außer einer Pressesprecherin schickte der DFB am Sonntag indes keinen Vertreter zur allerletzten FFC-Partie.

Von der Eintracht kamen Marketing-Vorstand Axel Hellmann und Präsident Peter Fischer, leger in kurzen Hosen. Das Duo ging noch vor dem Abpfiff wieder - und wollte keine der vielen offenen Fragen beantworten. Die Eintracht will bis zu fünf Frauenteams in den höchsten Ligen melden, doch Details sind unklar, von der Budgetfrage bis hin zur Unterbringung von Dietrichs Angestellten. Ob also wirklich eine Traumhochzeit oder eher eine Zwangsehe zustande kommt, wird sich zeigen. Womöglich rührt aus dieser Ungewissheit auch der kritische Unterton auf den letzten Plakaten.

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