DFB-Pokal:Essen nimmt den nächsten kräftigen Schluck

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Tatsächlich im Viertelfinale: Die Spieler von Rot-Weiss Essen feiern. (Foto: THILO SCHMUELGEN/Pool via REUTERS)

Der Außenseiter übersteht gegen Leverkusen eine dramatische Schlussphase - und steht als Viertligist im Viertelfinale. Der Trainer sagt, die Hotels in Berlin seien schon gebucht.

Von Ulrich Hartmann, Essen

Nach dem Schlusspfiff wurde das Stadion direkt großräumig abgeriegelt. Überall Polizei. In Essen kennen sie ihre Pappenheimer. Und ihre Fußballer. Der Viertligist schmeißt einen Bundesligisten nach dem anderen aus dem DFB-Pokal. Und die ausgesperrten Fans sorgen anschließend auf der nahegelegenen Bottroper Straße für Endloskolonnen mit Hupkonzert. So auch am Dienstagabend im Anschluss an den 2:1-Sieg nach Verlängerung gegen Bayer Leverkusen. Einige Fans kamen zu Fuß und jagten Feuerwerksraketen in die Luft. So viel Zinnober war im Stadtteil Bergeborbeck nicht mal zu Silvester, die Polizei leitete 27 Ermittlungsverfahren ein, wegen Verstößen gegen die Corona-Schutzverordnung, des Abbrennens von Pyrotechnik und Beleidigungen gegen Polizisten.

Zwei Siege fehlen dem Regionalligisten Rot-Weiss Essen jetzt nur noch bis zum Pokalfinale. Christian Neidhart war offenbar vorbereitet auf diese gewitzte Provokation in der Pressekonferenz nach dem Pokalwunder. "Wir haben das Hotel in Berlin schon gebucht", antwortete Essens Trainer jedenfalls trocken. Wer soll den West-Regionalligisten auf dem Weg nach Berlin noch stoppen, wenn das in der ersten Runde dem Bundesliga-Kellerkind Arminia Bielefeld nicht gelungen ist, in der zweiten Runde dem Zweitliga-Aufstiegskandidaten Fortuna Düsseldorf und nun im Achtelfinale dem Bundesligisten und Champions-League-Anwärter Bayer Leverkusen?

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Die Auslosung des Viertelfinales ist am kommenden Sonntag. Neidhart sagt, er habe keinen Wunschgegner. Seit dem vergangenen Sommer ist er Essens Trainer. Seit dem 1. Februar 2020 hat diese Mannschaft kein Pflichtspiel mehr verloren. Sie fürchtet niemanden.

Eine knappe Million Euro haben die Essener in den ersten beiden Runden des DFB-Pokals verdient. Eine gute Million kommt durch den Viertelfinal-Einzug noch einmal hinzu. Das macht zusammen etwa 30 Prozent des Saisonetats von ungefähr 6,5 Millionen Euro. Dabei hatten sie diesen Etat auch ohne Pokaleinnahmen schon weitgehend zusammen. "Die kräftigen Schlucke aus der Pulle", wie der Vorstandsvorsitzende Marcus Uhlig die Zusatzeinnahmen nennt, helfen bereits bei der Zukunftsplanung.

Ach ja, ein Spitzenspiel steht an

Extrem wichtig für diese Zukunftsplanung ist aber auch das Regionalliga-Spitzenspiel am kommenden Samstag gegen Borussia Dortmund II. Nur eines dieser beiden tabellarisch davon gezogenen Teams darf am Saisonende als Erster der Regionalliga West aufsteigen. Wer Bielefeld, Düsseldorf und Leverkusen schlägt, sollte es doch auch mit Borussia Dortmund II aufnehmen können. Doch die Saison ist lang. 40 Spiele müssen bestritten werden. Und sollte Essen am Ende ein einziges Pünktchen fehlen dann müssen sie auch noch eine elfte Saison in Serie in der vierten Liga bestreiten.

Es geht also um sehr viel für die Essener am Samstag, weshalb der Sky-Reporter am Dienstagabend durchaus irritiert war, als ihm Torwart Daniel Davari kurz nach dem Pokalwunder euphorisch mitteilte, er sei ab sofort "zwei Wochen nicht mehr ansprechbar". Aber da stehe doch ein ganz wichtiges Spiel an am kommenden Samstag, hakte der Interviewer nach, woraufhin Davari sofort wieder zur Besinnung kam. Ach ja! "Am Samstag sind wir wieder da", schoss es aus ihm heraus.

Davari war wie von Sinnen, weil er in den vorangegangenen 120 Minuten derart viele Bälle pariert hatte, dass es schon tragisch erschien, als Leverkusens Leon Bailey kurz vor dem Seitenwechsel der Verlängerung in der 105. Minute das 1:0 für den Bundesligisten erzielte. Damit schien die Sache eigentlich erledigt zu sein, jedoch glich Essens Oguzhan Kefkir zeitnah in der 108. Minute zum 1:1 aus. Und Simon Engelmann schoss drei Minuten vor dem Ende der Verlängerung in der 117. Minute sogar die Essener 2:1-Führung.

Und nun wurde es erst richtig dramatisch: Bei einem Leverkusener Angriff unmittelbar vor dem Essener Treffer war der Leverkusener Jeremie Frimpong im Essener Strafraum nämlich möglicherweise gefoult worden. Hätte der Schiedsrichter Daniel Schlager auf Hinweis des Videoassistenten Tobias Reichel, der in einem Transporter vor dem Stadion saß, nach dem Videostudium am Spielfeldrand auf Elfmeter für Leverkusen entschieden, dann wäre Engelmanns Treffer zurückgenommen worden und Leverkusen hätte den Elfmeter zum vermutlichen Siegtreffer verwandeln können. Doch Schlager erkannte kein Foul an Frimpong. Es gab keinen Elfmeter und Essens Siegtreffer blieb gültig. "Andernfalls wären wir ins Bodenlose gestürzt", gestand hinterher der Trainer Neidhart. Ein Wunder schon zu bejubeln, den Treffer aber wieder aberkannt zu bekommen und stattdessen per Elfmeter auszuscheiden, das wäre an Dramatik nicht zu überbieten gewesen.

Und so durften die Spieler laut Engelmann hinterher in der Kabine "das eine oder andere Kaltgetränk" zu sich nehmen. Ausufenderndes untersagten die Corona-Regeln sowie das bevorstehende Spitzenspiel gegen den BVB II. Im Bus der Leverkusener herrschte auf der kurzen Heimfahrt deprimierte Stille. "Ich bin sauer und enttäuscht", hatte Trainer Peter Bosz vor dem Einsteigen gesagt. Vier Mal hatten sie den Pfosten getroffen, teils, weil Davari die Bälle noch abgelenkt hatte. "Unser Problem ist, dass wir die Dinger nicht reinmachen", sagte Bosz. In Essen erwarten sie nun den nächsten Gegner. Und die örtliche Polizei wird sich wieder bereitmachen.

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