DFB-Pokal: Bremen - Augsburg:Wie bei Helmut Haller

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Erstliga-Aufstieg oder doch lieber Pokalfinale? Der Zweitligist FC Augsburg steht vor entscheidenden Spielen. Und vor den größten Erfolgen seiner Vereinsgeschichte.

Stefan Mayr

So nahe wie jetzt waren sie der Bundesliga nur ein einziges Mal. Es war im Jahre 1974, damals wurde der FC Augsburg mit einem grandiosen Helmut Haller und einem stattlichen Vorsprung vor dem 1.FC Nürnberg und 1860 München Meister der Regionalliga Süd. In der Bundesliga-Aufstiegsrunde scheiterten die Schwaben an Tennis Borussia Berlin. Danach begann der Abstieg des Augsburger Fußballs. Mehr als zwei Jahrzehnte lang - von 1983 bis 2006 - kam der FCA nicht über die Drittklassigkeit hinaus. Noch vor vier Jahren kickte der Verein in der Regionalliga.

Doch jetzt steht er gleich in zwei Wettbewerben vor dem größten Erfolg seiner 103-jährigen Geschichte: Als Zweiter der zweiten Liga steht der FCA auf einem Aufstiegsplatz - und am Dienstagabend spielt er bei Werder Bremen um den Einzug ins DFB-Pokalfinale.

Beides sind für die Hauptstadt des bayerischen Regierungsbezirkes Schwaben und ihre 260.000 Einwohner ganz neue Dimensionen. Der FC Augsburg brachte zwar immer wieder große Spieler hervor (Haller, Schuster, Riedle, Aumann, Veh, Grahammer), stürzte aber zwischenzeitlich bis in die Viertklassigkeit ab und stand mehrmals kurz vor dem Ruin.

Dass diese tristen Zeiten überstanden wurden und inzwischen als sehr weit weg erscheinen, ist vor allem einem Mann zu verdanken: Walther Seinsch. Der 68-jährige Millionär hatte einst die Textil-Discountketten Kik und Takko aufgebaut und verkauft. Im Jahr 2000 übernahm er den FCA, als dieser in der Bayernliga spielte und ohne Seinschs Geld Insolvenz angemeldet hätte.

Heute - sieben Trainer, zehn Jahre und viele Millionen Euro später - steht Seinsch vor der Erfüllung seines Traumes, der da heißt: erste Bundesliga. Ein Denkmal hat er sich bereits gesetzt: Im Sommer wurde vor den Toren der Stadt die neue 30.000-Zuschauer-Arena eröffnet. Die 45 Millionen Euro hierfür hat Seinsch weitgehend alleine zusammengetragen. Als Seinsch vergangene Woche aber kurzfristig zu einer Pressekonferenz lud, wurden die Fans unruhig. Nicht wenige fürchteten Seinschs Rücktritt, denn Wochen zuvor hatte er sich aus dem Tagesgeschäft verabschiedet, um seine Depressionen behandeln zu lassen.

Doch Seinsch, Vater von drei leiblichen und sechs adoptierten Kindern, denkt nicht ans Aufhören. Bestens gelaunt verkündete er die Vertragsverlängerung von Trainer Jos Luhukay und Manager Andreas Rettig bis zum Jahr 2012. Und um die Mission Bundesliga nicht zu gefährden, ließ er vor dem Heimspiel gegen RW Ahlen noch schnell den ramponierten Rasen austauschen - auf dass der FC Augsburg mit seinem gepflegten Offensivspiel gegen den defensiven Tabellenletzten nicht ins Stolpern gerate.

Die 100.000 Euro waren gut angelegt. Die Augsburger gewannen souverän 3:1, obwohl sie eine Halbzeit in Unterzahl spielten. Es war der achte Heimsieg hintereinander. Dabei kreierte Liga-Torschützenkönig Michael Thurk mit seinem 21. Saisontreffer eine neue Schusstechnik: den seitlichen Knie-Rückzieher. Dieser geht als Gruß an Werders Abwehr durch, nach dem Motto: Achtung, ich mache sogar aus keiner Chance ein Tor.

Einen großen Anteil am Augsburger Erfolg hat auch Trainer Jos Luhukay. Der 46-jährige Niederländer übernahm das Team vor einem Jahr in Abstiegsgefahr. Jetzt steht er vor seinem zweiten Bundesliga-Aufstieg als Trainer nach 2008 mit Mönchengladbach.

Luhukay hat etliche Spieler mit reichlich Erstliga-Erfahrung im Kader: allen voran Michael Thurk, Marcel Ndjeng (ehemals Mönchengladbach) und Torwart Simon Jentzsch; im Winter kamen noch Nando Rafael und Daniel Baier dazu. Luhukays Leistung ist es, aus talentierten und routinierten Profis eine disziplinierte Einheit geformt zu haben. Dabei schreckt der Coach - freundlich im Ton und knallhart in der Sache - auch vor großen Namen nicht zurück. Ndjeng wechselte er schon mal nach 30 Minuten aus, Baier oder den ungarischen Nationalstürmer Sandor Torghelle setzte er topfit auf die Bank oder die Tribüne. Publikumsliebling Ibrahima Traore strich er mal aus dem Team, weil er ein paar Minuten zu spät zum Frühstück erschien.

Das gefällt Seinsch, dem nicht der Ruf eines Softies vorauseilt. "Jos Luhukay ist der Trainer, den ich mir immer gewünscht habe", sagt Seinsch, "wir haben mit ihm ins Schwarze getroffen." Luhukay selbst tritt stets bescheiden auf, vor dem Abflug nach Bremen sagt er: "Wir haben vielleicht eine Mini-Mini-Mini-Chance." Gelingt die Sensation, könnte der FCA sogar in die Europa League einziehen - sofern sich der Finalgegner (Schalke oder Bayern) für die Champions League qualifiziert.

Auf die Frage, ob ihm Aufstieg oder Pokalsieg lieber sei, antwortet Walther Seinsch: "Aufstieg." Das hat es in Augsburg wahrlich noch nie gegeben: Erstmals in der Vereinsgeschichte spielt der FCA um den Einzug in den Europacup - und der Präsident sagt doch tatsächlich, es gebe da noch etwas Wichtigeres. So weit hat er seinen FC Augsburg schon gebracht.

© SZ vom 23.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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