Machtkampf im DFB:Der ausgesperrte Generalsekretär

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Präsident Fritz Keller oder Generalsekretär Friedrich Curtius? Im DFB-Streit steht die entscheidende Sitzung an. Kurz davor stellt die DFL ein vernichtendes Misstrauensvotum gegen Curtius.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt

Schon einmal, vor knapp drei Monaten, stand beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) eine spektakuläre Präsidiumssitzung an. Damals war offenbar geworden, wie erbittert ein interner Konflikt zwischen Präsident Fritz Keller, 63, und Generalsekretär Friedrich Curtius, 45, geführt wird. Aber der Showdown wurde vertagt. Curtius, damals krankgeschrieben, erschien gar nicht zur Sitzung. Und der Verband tat hinterher kund, dass man die Dissonanzen gemeinsam aufarbeiten wolle.

Wenn das DFB-Präsidium an diesem Freitag wieder außerplanmäßig zusammentritt, ist eine solche Schlussverlautbarung unwahrscheinlich. Keller oder Curtius: Die Frage schwebt längst wie eine düstere Wolke über dem DFB. Vergeblich drängte manches hohe Gremiumsmitglied darauf, die Sitzung zu verschieben. Die Zeit für Rücksichtnahmen ist vorbei, es geht ums Ganze. Das zeigt eine weitere Eskalation am Vorabend des Präsidiumstreffens.

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Die DFL will Curtius nicht mehr an ihren Gremiensitzungen teilnehmen lassen

Die Deutsche Fußball-Liga (DFL), der Interessensverbund des Profibetriebs, richtete am Donnerstag eine glasklare Botschaft an den DFB. Sie erwartet, dass der DFB Curtius nicht mehr in die Gremien der Liga entsendet. "Das Präsidium hat einstimmig beschlossen, den DFB-Präsidenten zu bitten, künftig nicht mehr den aktuellen Generalsekretär zu Sitzungen (...) der Ausschüsse, Organe und Kommissionen der DFL zu entsenden", heißt es in dem Schreiben.

Dass die Liga um Geschäftsführer Christian Seifert und den auch als DFB-Vize amtierenden Aufsichtsratschef Peter Peters fest im Lager von Keller steht, ist kein Geheimnis. Ein so vernichtendes Misstrauensvotum gegen einen DFB-Generalsekretär ist dennoch einzigartig.

Hintergrund des Beschlusses, so heißt es in dem DFL-Schreiben weiter, sei die Tatsache, "dass in mehreren Fällen Indizien darauf hinweisen, dass Dienstleister, die durch den Generalsekretär im Namen des DFB beauftragt wurden und/oder an ihn berichten, Informationen und Interpretationen an Medien übermittelt haben, die darauf gerichtet waren, das Ansehen der DFL zu beschädigen." Aufgrund des "fehlenden Vertrauens" sei Curtius' Teilnahme an Sitzungen, "in denen vertrauliche Inhalte mitgeteilt und besprochen werden" nicht mehr möglich.

Das ist ein starkes Stück - zumal der DFL-Beschluss für das jetzt versandte Schreiben schon am 18. Dezember fiel. Die jüngsten Turbulenzen waren da noch gar kein Thema. Curtius wehrte sich noch am Abend. "Ich habe keinerlei Verständnis für dieses Vorgehen und versichere, keine Dienstleister dazu veranlasst zu haben, interne Erkenntnisse weiterzugeben", sagte er: "Eine solche Behauptung entbehrt jeglicher Grundlage und ist absurd, auch den Dienstleistern gegenüber, von denen übrigens keiner konkret benannt wird."

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Präsident Keller forderte in dem Streit zuletzt einen internen Untersuchungsausschuss

Der Frontalangriff der Liga unterstützt Kellers zunehmend rigorosen Kurs gegen Curtius. Allerdings nicht nur gegen ihn: Im Lager des Generalsekretärs stehen in Vizepräsident Rainer Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge weitere DFB-Granden. So viel Irritation herrscht auf Seite des Präsidenten über interne Vorgänge, so viel Unmut über Indiskretionen hat sich aufgestaut, dass Keller schon vor Wochenfrist die Einrichtung eines internen Untersuchungsausschusses angeregt hatte.

Er wolle "vollumfänglich die Informationen bereitstellen, die mir vorliegen und die mich dazu gebracht haben, kein Vertrauen in die Zusammenarbeit mit Friedrich Curtius mehr zu haben", heißt es in einem Schreiben. Nun kursiert die Idee, dass Keller den 13 stimmberechtigten Präsidiumsmitgliedern seine Belege schon am Freitag präsentieren solle, damit sich alle ein Bild machen können. Curtius wiederum hat nach SZ-Informationen signalisiert, er wolle "mit all meinem Wissen und der dazugehörigen Aktenlage" zur Aufklärung beitragen - und zudem festgehalten, dass er seinerseits zu der Auseinandersetzung nichts aktiv beigetragen habe. Was spricht also dagegen, endlich Tabula rasa zu machen?

Neben den beklagten Indiskretionen dient als Beleg für das zerrüttete Vertrauensverhältnis insbesondere ein Vorgang, der seit Jahresanfang zum finalen Treiber der Eskalation wurde: ein Vertrag mit einem Kommunikationsberater, dessen finanzielles Volumen dem Vernehmen nach im mittleren sechsstelligen Bereich liegen könnte.

Begleitende Medienarbeit: Das wäre an sich nichts Ungewöhnliches, auch wenn die Höhe dieser zusätzlichen Aufwendungen doch erstaunt. Aber vor allem will Kellers Seite nun wissen, ob diese diskrete Medienarbeit vielleicht zu den Verwerfungen sogar beigetragen hat, die letztlich in der Krisensitzung am Freitag gipfeln.

Welche Rolle spielt ein hoch dotierter Beratervertrag? Warum wurde er Keller tagelang vorenthalten?

Nach SZ-Informationen soll der Kontrakt im Oktober 2019 besiegelt worden sein, ganz kurz nach Kellers Wahl zum Präsidenten. Nach Darstellung aus Verbandskreisen pochte Keller zuletzt mehr als eine Woche lang auf Vertragseinsicht, zunächst angeblich vergeblich. Zur Begründung soll auf den hochvertraulichen Charakter des Vertrags verwiesen worden sein. Auch sei der Präsident bei dessen Abschluss selbst dabei gewesen. Doch an eine Vertragsverhandlung, an der er bewusst teilgenommen hat, kann sich Keller nicht erinnern. Der DFB teilte auf eine Anfrage zu den Vorgängen am Donnerstag nur mit, "zu Vertragsverhältnissen mit Dritten" äußere man sich nicht. So oder so: Eine teure externe Kommunikationsberatung, die nur einem von zwei heftig streitenden Lagern in den Details bekannt ist und dieser logischerweise zuarbeitet - das wäre angesichts der seit Monaten anhaltenden internen Ruhestörung höchst aufklärungsbedürftig.

Wenn es am Freitag auch um diesen Vertrag geht, müsste das automatisch den Blick auf einen der mächtigsten Männer im deutschen Fußball schärfen: Vize Rainer Koch. Unscheinbar, doch hinter den Kulissen omnipräsent, hat der bayerische Jurist im DFB-Spitzenamt nicht nur die letzten drei Präsidenten überlebt und zweimal sogar selbst als Interimschef ausgeholfen - er hatte auch schon im August 2012, im Beisein einiger damaliger Kollegen, mit just dem Berater zusammen gesessen, der jetzt wieder im Fokus steht.

In einer vorbereitenden Mail zum damaligen Treffen wurde auf Erkenntnisse zum Thema ISL Bezug genommen. Das ist jene bankrott gegangene Agentur, deren Schmiergeld-Geschäfte Mitte 2012 in den Fokus der Öffentlichkeit gerieten - inklusive möglicher Verbindungen zu gekauften WM-Zuschlägen. Der DFB hatte aber auf eine SZ-Anfrage dazu im Mai 2020 beteuert, beim Treffen 2012 sei es nicht um die ISL oder die WM 2006 gegangen.

Vielleicht ging es ja ums Wetter?

Offenkundig gibt es eine längere und intensivere Beziehung zwischen DFB und besagtem Berater - der nun also wieder tätig wurde. Die hohe Entschädigung sei intern hauptsächlich mit der kommunikativen Begleitung des jüngsten Streitthemas Infront begründet worden, heißt es. Infront ist tatsächlich eines der Kernthemen, die den DFB seit dem Frühjahr 2019 beschäftigten. Damals erhielten DFB-Spitzenleute Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in der langjährigen Kooperation mit dem Sportvermarkter.

Die DFB-Spitze beauftragte das Beratungsunternehmen Esecon, zu dem schon Kontakt bestand, mit Nachforschungen zu dieser Marketing-Affäre. Im Sommer 2020 legte Esecon einen Zwischenbericht vor. Laut DFB ergaben sich "klare Unregelmäßigkeiten" in Hinblick auf Infront-Verträge sowie "unrechtmäßige Einflussnahmen auf DFB-Vertreter". Auf rund 40 Millionen Euro sollen sich die möglichen Schäden laut Spiegel summiert haben.

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Die finanziellen Folgen des Infront-Vergleichs bleiben unklar. Die Aufklärung war teuer

Kurz danach wurde die langjährige Zusammenarbeit beendet, DFB und Infront schlossen einen Vergleich. Doch auf Anfrage, ob durch Esecon nach dem Zwischen- auch ein Schlussbericht erfolgen werde, erklärte der DFB im Herbst, die Untersuchung sei damit beendet.

Zur Qualität der teuren Ermittlungsarbeiten - deren kommunikative Begleitung, wie sich nun herausstellt, offenbar ebenfalls recht kostspielig war -, gibt es unterschiedliche Bewertungen. Die Kosten für Esecon werden auf drei bis 3,5 Millionen Euro taxiert. Welche konkreten finanziellen Folgen die Arbeit für den DFB hatte, ist nicht transparent. Eine Berichterstattung der Bild, nach der Infront 18 Millionen Euro an den DFB gezahlt habe, weist das Unternehmen zurück. Der DFB beantwortet die Frage nicht, ob er im Zuge des Vergleichs Geld von Infront bekommen oder welches gezahlt habe.

So vieles ist ungeklärt, so vieles reicht zurück in die Vergangenheit, und so stark wird heute um die Macht gekämpft. Nur eines erscheint unstrittig: Die Führungsfrage wird der DFB auch im eigenen Interesse rasch klären müssen.

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