DFB-Sieg in den USA:Mit den Waffen der Weltmeisterinnen

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Paulina Krumbiegel (rechts) bejubelt ihren Siegtreffer gegen die USA mit Jule Brand (Mitte) und Laura Freigang. (Foto: Eric Espada/AFP)

Die deutschen Fußballerinnen gewinnen erstmals seit 19 Jahren gegen die USA - und verblüffen mit Fähigkeiten, die Megan Rapinoe und Co. zugeschrieben werden.

Von Frank Hellmann, Fort Lauderdale/Frankfurt

Ihren Stolz wollte Sara Doorsoun gar nicht verbergen. Breit grinsend stand die Abwehrspielerin des deutschen Nationalteams nach dem historischen Coup im Testspiel gegen die USA (2:1) auf dem Rasen des Drive Pink Stadium von Fort Lauderdale. Die 30-Jährige trug das rote Jersey, das sie der US-Ersatzkeeperin Alyssa Naeher abgeschwatzt hatte. Vor zehn Jahren habe man schließlich bei Turbine Potsdam zusammengespielt, erklärte die Defensivspielerin von Eintracht Frankfurt, und daher den Trikottausch schon vor Anpfiff verabredet. Sicher ist sicher.

Der Kleiderwechsel besaß nun sogar symbolischen Charakter, denn die deutschen Spielerinnen hatten den Weltmeister in den 90 Minuten zuvor mit dessen Waffen bezwungen: mit Mentalität, mit großem Willen und Leidenschaft. "Der Sieg bedeutet für uns, dass wir wissen, wir können auf gewisse Fehler oder auf gewisse Dinge reagieren, die wir vielleicht mal nicht so gut machen", sagte Martina Voss-Tecklenburg. Die Bundestrainerin bescheinigte ihrem Team just jene Qualität, die sie 2019 bei der Weltmeisterschaft in Frankreich an den US-Amerikanerinnen so geschätzt hatte: "Da waren sie nicht fußballerisch, aber mental die beste Mannschaft."

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Und genau dorthin wollen die DFB-Frauen mit Blick auf die WM 2023 in Australien und Neuseeland hinkommen. Der erste deutsche Sieg seit 19 Jahren gegen die US-Kickerinnen war dann auch nicht völlig unverdient, die Amerikanerinnen verbuchten gar ihre erste Heimniederlage nach 71 Begegnungen. Letztmals hatte die USA im WM-Halbfinale 2003 gegen Deutschland (0:3) verloren, danach nur noch im Finale des etwas unwichtigeren Algarve Cup 2006 im Elfmeterschießen (3:4).

"Es war ein Auf und Ab. Erste Halbzeit haben wir Glück gehabt, zweite Hälfte besser Fußball gespielt. Am Ende stand ganz viel Willen dahinter", urteilte die bis 2018 an einem US-College spielende Stürmerin Laura Freigang. Genauso sah es Torschützin Paulina Krumbiegel, die nach ihrer Einwechslung eine starke Leistung mit dem Siegtreffer krönte (89.): "Wir haben den stärkeren Willen gehabt."

"Das Tempo war enorm, es ging am Anfang hin und her", sagt die Bundestrainerin

Für die 22-Jährige von der TSG Hoffenheim, die nach einem im Sommer 2021 erlittenen Kreuzbandriss während der Europameisterschaft in England noch Zeitungskolumnen aus dem Aufbautraining angefertigt hatte, freute sich Voss-Tecklenburg besonders: "Paulina hat eine gute Spielintelligenz gehabt, eine gute Spielruhe, war offensiv und defensiv aktiv." Mit solchen Fähigkeiten kann die Allrounderin auch für die WM wichtig werden. "Wir haben uns nicht unterkriegen lassen", fasste es die starke Torhüterin Merle Frohms zusammen: "Wir wissen nun, dass wir gegen jede Mannschaft einfach unser Ding durchziehen können und dann erfolgreich sein werden."

Voss-Tecklenburg sprach von vielen "Learnings", denn eine solche Spielgeschwindigkeit ist eben nicht Alltag in der Liga. "Das Tempo war enorm, es ging am Anfang hin und her. Ich habe echt gedacht: Wow! Wenn das alle durchhalten wollen, dann ist das echt eine Hausnummer", sagte die 54-Jährige.

Die deutsche Führung durch ein Eigentor von Torfrau Casey Murphy (51.) - ihr sprang der Ball nach einem Pfostenschuss von Klara Bühl an den Rücken - fiel allerdings nach einer durchwachsenen ersten Halbzeit und damit "aus dem Nichts", wie Voss-Tecklenburg zugab. Die eingewechselte Megan Rapinoe (85.) glich zwar aus, doch größere Offensivbemühungen löste ihr Treffer aufseiten der Amerikanerinnen nicht mehr aus.

So herrscht beim vierfachen Weltmeister nach der dritten Niederlage hintereinander - im Oktober gab es schon Rückschläge in England (1:2) und Spanien (0:2) - großes Rätselraten über den Leistungsstand eines im Umbruch befindlichen Teams, das unter Nationaltrainer Vlatko Andonovski auch das Olympische Turnier 2021 vergeigt hatte. Immerhin haben Alex Morgan und Co. beizeiten die Möglichkeit zur Wiedergutmachung, am Sonntag haben sich beide Seiten in Harrison/New Jersey abermals verabredet. Voss-Tecklenburg wird umfassend rotieren - und den US-Trip unabhängig vom Ausgang schon jetzt als wertvolle Fortbildung verbuchen.

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