EM-Qualifikation der DFB-Frauen:Stabilität auf Spanisch

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Erfolgreiches Debüt im DFB-Trikot: Bibiane Schulze Solano trägt beim 3:2-Sieg in Österreich die Nummer 4. (Foto: Eibner/Memmler/Imago)

Sie soll auch heute gegen Island hinten dicht machen: Bibiane Schulze Solano bringt vieles mit, um die Abwehrprobleme der deutschen Frauen-Nationalelf zu lösen. Dabei wäre die Newcomerin fast für ein anderes Land angetreten.

Von Frank Hellmann, Aachen

An den entscheidenden Anruf von Britta Carlson erinnert sich Bibiane Schulze Solano noch gut. Nachdem sich Carlson, die Assistenztrainerin der deutschen Fußball-Nationalelf, zuerst zum Jahresanfang gemeldet und bald darauf der Analyst Daniel Nister bei einem Ligaspiel von Athletic Bilbao vorbeigeschaut hatte, klingelte Carlson kürzlich erneut durch, um Schulze Solano die Kunde der ersten Nominierung für die Nationalelf zu überbringen. "Ich war aber im Auto und konnte nicht schreien. Dann einfach: Okay, cool. Danke. Freut mich!" Anschließend rief sie sofort ihre im hessischen Bad Soden lebende Mutter Maravillas Solano an: "Dann haben wir zusammen geschrien."

Am Freitag sind Familienträume in Erfüllung gegangen, als die Deutsch-Spanierin mit 25 Jahren im EM-Qualifikationsspiel beim 3:2-Sieg gegen Österreich in Linz für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) debütiert hat. Mama und Schwester Natalia waren eigens nach Oberösterreich gereist, um den Einstand zu erleben: Die Auswahl des achtmaligen Europameisters profitierte jedenfalls von der Stabilität, die eine Spielerin aus dem Land der Weltmeisterinnen nach ihrer Einwechslung stiftete. "Wichtig war es, dass ich Ruhe vermitteln konnte. Ich habe mich auf dem Platz gleich wohlgefühlt", sagte sie danach und lächelte.

"Alles was sie macht, hat Hand und Fuß. Bibi war sofort ein Faktor. Ein Typ, der gut rüberkommt. Es war für sie nicht ganz einfach, in solch ein Spiel zu kommen", lobte Bundestrainer Horst Hrubesch. Mit der neu gestalteten Nummer 4 auf dem Rücken - die erste Version der neuen Nationaltrikots erinnerte bei einer 44 an die Runen der Schutzstaffel SS der Nazizeit - wird die Verteidigerin im zweiten EM-Qualifikationsspiel gegen Island in Aachen (Dienstag, 18.10 Uhr, ZDF) nun gleich in der Startelf stehen. 15 000 Zuschauer werden am Tivoli erwartet, darunter der künftige Bundestrainer Christian Wück.

DFB-Frauen in der EM-Qualifikation
:Auf Christian Wück wartet Arbeit

Nach dem mühevollen 3:2 in Linz gegen Österreich zum Start in die EM-Qualifikation rätselt Bundestrainer Horst Hrubesch über den Wankelmut der DFB-Fußballerinnen. Vor dem Heimspiel gegen Island schickt er schon einmal Grüße an seinen Nachfolger.

Von Frank Hellmann

Wer so "von null auf hundert" (Hrubesch) durchstartet, ist zwangsläufig auch eine Kandidatin für die Olympischen Spiele (24. Juli bis 11. August). Als Tochter einer spanischen Mutter und eines bereits vor vielen Jahren verstorbenen deutschen Vaters schwankt Schulze Solano mitunter immer noch bei ihrer Zugehörigkeit: "In Spanien fühle ich mich als Deutsche, in Deutschland als Spanierin." Wobei der deutsche Frauenfußball sie gerade dringender braucht. Die häufigen verletzungsbedingten Fehlzeiten der Abwehrchefin Marina Hegering, die beim VfL Wolfsburg noch eine Spielzeit dranhängt, machen es erforderlich, auf dieser Position mehr Kandidatinnen zu haben. Und ein Linksfuß bietet für den Spielaufbau aus der Abwehrmitte nicht nur für den Fußballlehrer Hrubesch viele Vorteile.

"Es ist eine Riesenüberraschung, wie sie es gemacht hat", sagt die Kapitänin Giulia Gwinn

Inspiriert ist Schulze Solano von ihrem Bruder Adrian, der früher beim FSV Frankfurt in der Regionalliga spielte und heute an einem US-College kickt. Als Kind habe sie "die Vorlagen gegeben, und er hat verwandelt". Danach schaffte sie beim 1. FFC Frankfurt nicht den Durchbruch, weshalb sie sich 2019 entschloss, die Karriere in der Heimat ihrer Mutter voranzutreiben. Nur wurde sie bei Athletic Bilbao nicht wohlwollend empfangen: Viele Basken akzeptieren bis heute nur Akteure, die am Ort geboren oder ausgebildet sind. Es kam ihr entgegen, dass sie über ihren Stammbaum nachweisen konnte, dass ihr Urgroßvater einer der Brüder von Athletic-Vereinslegende José María Belauste war, der 1920 bei den Olympischen Spielen für Spanien antrat. Und vielleicht wäre es auch bei ihr so gekommen, wenn sie vor einem Jahr einer Einladung des spanischen Verbandes gefolgt wäre. Wegen einer Verletzung musste sie absagen.

Mit der Entscheidung für Deutschland, betont sie heute, sei sie "megahappy". Eine schnelle Rückkehr in die Bundesliga sei aber "Stand jetzt keine Option", denn ihr Vertrag in Bilbao läuft bis 2025: "Ich hoffe, dass wir nächste Saison die Champions-League-Plätze angreifen können." Mit ihrem offenen Wesen und ihrem strahlenden Lächeln fliegt ihr als neues Gesicht der DFB-Frauen gerade viel Wohlwollen zu, die sozialen Medien überschlagen sich mit Lobeshymnen. Die neue Kapitänin Giulia Gwinn kann das nachvollziehen: "Es ist eine Riesenüberraschung, wie sie es gemacht hat. Ich glaube, sie kann bei uns noch ganz viel Positives reinbringen."

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