DFB-Elf in der Einzelkritik:Per, der Tower of London

Per Mertesacker ist in der Luft nicht zu besiegen, Roman Weidenfeller vergibt die Chance, zum Fußballgott zu werden. Und Marco Reus provoziert den Bundestrainer-Wutausbruch des Jahres 2013. Die deutsche Nationalmannschaft beim 1:0 gegen England in der Einzelkritik.

Von Thomas Hummel, London

DFB-Elf in der Einzelkritik

Roman Weidenfeller

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(Foto: Getty Images)

Per Mertesacker ist im Luftkampf nicht zu besiegen, Mario Götze verteilt Beinschüsse im Dutzend und Marco Reus provoziert den Bundestrainer-Wutausbruch des Jahres 2013. Die deutsche Nationalmannschaft beim 1:0 gegen England in der Einzelkritik. Roman Weidenfeller: Hat in seinem ersten Länderspiel Torwartlegende Toni Turek gleich einen Titel abgejagt: Den des ältesten Debütanten im deutschen Tor. Mit 33 Jahren und 105 Tagen der Dino im DFB-Team, in dem seit der Ankunft Jürgen Klinsmanns spätestens mit 21 Jahren das Debüt-Limit erreicht war. Hatte keine Chance, seinem Vorgänger Turek nachzueifern und zum Fußballgott zu werden. Berührte erst in der zweiten Halbzeit zum ersten Mal den Ball mit der Hand. Wirkte bei seinen Abschlägen mit dem Fuß sicher.

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Heiko Westermann

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Heiko Westermann: Überraschung rechts hinten, auch wenn dort nichts mehr unmöglich erscheint. Entweder drängt Philipp Lahm in die Mitte oder er ist nicht dabei. Nach Höwedes nun also Westermann. Der Hamburger zeigte Stärken im Kopfball - sonst aber nur Schwächen. Fast jede seiner Aktionen in der ersten Halbzeit misslang, wirkte sogar im Vergleich mit den vielen hölzernen Engländern noch am hölzernsten. Ging nach Pause raus mit Schmerzen im Knie.

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Per Mertesacker

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(Foto: Getty Images)

Per Mertesacker: Tower of London, in der Luft nicht zu besiegen. Köpfelte hinten die paar gefährlichen Flanken raus und köpfelte vorne den Ball ins Tor. Zur Verblüffung aller fanden findige Statistiker sogleich heraus: Es war das erste Kopfballtor von Per Mertesacker im 95. Länderspiel. Diese Statistik ist selbstredend alleine Joachim Löw anzulasten, der sich seit 2004 weigerte, Standardsituationen zu üben. Als die Engländer begannen, mit hohen Bällen zu hantieren, mussten sie in jedem Fall über Per Mertesacker flanken. In seiner neuen Heimatstadt London ein sicherer Rückhalt für die deutsche Mannschaft und mit schuld daran, dass aus Debütant Weidenfeller kein Fußballgott werden konnte.

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Jérôme Boateng

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(Foto: dpa)

Jérôme Boateng: Quoten-Bayer in der Defensive. Und wie es sich für einen Spieler des unbesiegbaren FC Bayern gehört, zeigte er sich unbesiegbar. Zunächst mit einigen unauffälligen Situationen, als dann Daniel Sturridge im Strafraum auf ihn zu übersteigerte, fintierte, trickste et cetera, da reagierte dieser Jérôme Boateng völlig gelassen, streckte den Fuß vor und nahm ihm seelenruhig die Kugel vom Fuß. Souverän und gelassen wie ein Londoner Taxifahrer in der Rush Hour, sicher wie die Bank von England.

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Marcel Schmelzer

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(Foto: AFP)

Marcel Schmelzer: Der Dortmunder ist ja erklärtermaßen kein Lieblingsspieler von Joachim Löw und muss arg um seinen Stammplatz gegen Marcell Jansen kämpfen. Versuchte einige Zeichen an den Spielfeldrand zu senden mit beherzten Sprints nach vorne. Einige Male übersahen ihn die Mitspieler einfach, ein paar Mal kam er durch. Hinten oft Sieger gegen den Tempodribbler Andros Townsend. Im Passspiel indes mit den gewohnten Schwächen. Blieb nach einem Schlag auf die Wade in der Kabine - Sorgenkind Nummer eins für den BVB vor dem Topspiel am Samstag gegen Bayern.

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Sven Bender

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(Foto: REUTERS)

Sven Bender: Notlösung oder fieser Schachzug von Joachim Löw: auf der Doppelsechs mit Zwillingen aus Brannenburg in Oberbayern zu spielen, sollte die Engländer wohl endgültig durcheinander bringen. Zwilling Nummer eins: der Dortmunder Sven Bender. Spielte denn auch Bender-Fußball: Über den Zweikampf ins Spiel findend, spielerisch nicht der Schlechteste, aber auch nicht der Beste. Machte mit dem Bruder die Mitte dicht, sodass die Engländer 90 Minuten lang über Außen kommen mussten. Definitiv schuld daran, dass aus Debütant Weidenfeller kein Fußballgott werden konnte. Hemmte aber auch das Offensivspiel.

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Lars Bender

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(Foto: Getty Images)

Lars Bender: Miroslav Stevic sagte als Sportdirektor des TSV 1860 München einmal, dass zwei Benders in einer Mannschaft einer zu viel seien. Das ist für einen Sportdirektor eines darbenden Zweitligisten eine gewagte Aussage, für die Nationalmannschaft schon eher stimmig. Auch Bruder Lars spielte Bender-Fußball: Über den Zweikampf ins Spiel findend, spielerisch nicht der Schlechteste, aber auch nicht der Beste. Hatte in der 38. Minute die erste Chance des Spiels, brach allerdings beim Sprint zum Strafraum fast zusammen. Holte immerhin damit die Ecke vor dem 1:0 heraus. Half später für den hölzernen Westermann hinten rechts aus.

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Mario Götze

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(Foto: dpa)

Mario Götze: Die Anzahl der Beinschüsse, die Mario Götze allein in diesem Spiel verteilte, ging wohl ins zweistellige. Zählt man die Beinschuss-Versuche hinzu, kommt man auf Dutzende. Zweifellos einer der talentiertesten Fußballer auf dem Platz, mit enormer Präsenz am Ball und feiner Technik. Welcher Engländer will Mario Götze schon den Ball abnehmen? Zeigte aber auch seine Schwäche: häufig zu verspielt, zu wenig zielgerichtet. Begann auf dem rechten Flügel, rückte später als falsche Neun in die Mitte. Suchte dort urplötzlich den Torabschluss, scheiterte mit einem schönen Flachschuss an Torwart Hart. Machte dort vorne eine schnörkellosere und damit bessere Partie.

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Toni Kroos

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(Foto: Getty Images)

Toni Kroos: Wenn Bundestrainer Joachim Löw nun plötzlich Standardsituationen als wichtiges Stilmittel entdeckt, ist Toni Kroos der Stammplatz nicht mehr zu nehmen. Ecke Kroos - Tor für Deutschland. Die Formel hatte schon in Mailand funktioniert, so auch diesmal wieder zum 1:0. Wirkte strukturgebend im Spiel der Deutschen, bisweilen aber eine Planstelle zu weit hinten. Standen dort doch schon zwei Benders. Als später ein Bender in die Abwehr rückte, hatte er rund um die Mittellinie mehr Platz und mutierte zum unbestrittenen Ballverteiler der DFB-Elf.

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Marco Reus

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(Foto: AFP)

Marco Reus: Zweifellos einer der talentiertesten Fußballer auf dem Platz. Doch während Kompagnon Götze sich mit Beinschuss-Zählen aufhielt, wirkte Marco Reus zunächst völlig abwesend. Schoss einen Pass unkonzentriert ins Aus, hob einmal völlig seltsam über den Ball. Merkte irgendwann, dass ihm die Leistung als Lustlosigkeit ausgelegt werden könnte und bemühte sich mehr. Was natürlich dazu führte, dass die staksigen Engländer hinten Probleme bekamen. Provozierte den Bundestrainer-Wutausbruch des Jahres 2013, als er trotz wunderbarer Position den Ball querlegte in einen Raum, in dem nur ein Engländer stand.

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Max Kruse

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Max Kruse: Als sich nach 62 Minuten Torwart Hart und Verteidiger Smalling gegenseitig umrannten, kam sogleich der Gedanke: Ein Stürmer hätte das geahnt, wäre genau dort gestanden und hätte den Ball ins leere Tor bugsiert. Um diesen Beweis anzutreten, war es für Max Kruse allerdings schon zu spät - da war der Gladbacher schon ausgewechselt. Vorher ein braver Mitkombinierer in der Offensive, aber auch Opfer des ziellosen Mittelfeldspiels in der ersten Halbzeit.

DFB-Elf in der Einzelkritik

Mats Hummels

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(Foto: Eddie Keogh/Reuters)

Mats Hummels: Wie von den Dortmundern ohne Worte gefordert, kam er erst zur Halbzeit, er sollte sich doch schonen für den Bundesliga-Hit gegen die Bayern am Samstag. Er köpfte sogleich souverän, warf sich erfolgreich wie ein Eishockey-Spieler in einen Schuss. Dann der Moment, den der BVB fürchtete wie eine Schalke-Fahne auf dem Westfalenstadion: Mats Hummels musste verletzt raus. "Er hat sich den Fuß vertreten", berichtete Löw später, eine Blessur am Sprunggelenk. Ob er nach Neven Subotic der zweite Innenverteidiger sein wird, der beim BVB in den überaus wichtigen Spielen gegen Bayern und Neapel ausfällt, stand nach dem Spiel noch nicht fest. Dürfte das Gesprächsthema sein bis Samstagabend.

DFB-Elf in der Einzelkritik

Marcell Jansen

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(Foto: AFP)

Marcell Jansen (Archivbild): Kam für den ordentlich spielenden Schmelzer und zeigte sogleich, warum er derzeit wohl den Stammplatz links hinten für sich beanspruchen darf. Zweikampfsicher in der Defensive, nach vorne mit ein paar Aktionen, aber im Passspiel sicherer als der Dortmunder.

DFB-Elf in der Einzelkritik

Sidney Sam

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(Foto: dpa)

Sidney Sam: Klingt wie ein Engländer, könnte aber höchstens für Nigeria spielen. Sein Vater stammt aus dem afrikanischen Land, hat also mit England nichts zu tun, außer, dass ihm fast sein erstes Länderspieltor hier in Wembley gelungen wäre. Schlenzte den Ball aber aufs Tordach.

DFB-Elf in der Einzelkritik

Julian Draxler

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(Foto: dpa)

Julian Draxler Sollte im Sommer für mehr als 40 Millionen Euro nach London zu Chelsea wechseln, lehnte aber vorerst ab. Insofern war es wichtig für ihn, hier mal vorzuspielen.

DFB-Elf in der Einzelkritik

Benedikt Hoewedes

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(Foto: dpa)

Benedikt Hoewedes: Durfte diesmal in der Innenverteidigung ran, weil sich Hummels verletzte. Ist dafür als Notlösung längst eingeplant. Gewann einige wichtige Zweikämpfe. Beschützt von einem bis zwei Bender konnte zumindest durch die Mitte nichts anbrennen und bei Flanken stand ja "The Tower" Mertesacker neben ihm.

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André Schürrle

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(Foto: Getty Images)

André Schürrle: Sollte im Sommer für mehr als 20 Millionen Euro nach London und Chelsea wechseln und schlug ein. Durfte deshalb wie Mertesacker in seiner neuen Heimatstadt ein Länderspiel austragen, aber nur die letzten zehn Minuten. Zu kurz, um noch groß aufzufallen.

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