Deutschland verliert gegen die USA:Wildes Duell in Washington

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Zweites Spiel der Amerika-Reise, erste Niederlage: Die DFB-Auswahl liefert sich mit den USA ein turbulentes, zeitweise irrwitziges Spiel. Beim 3:4 kommen die Zuschauer zweifellos auf ihre Kosten - der sportliche Wert dürfte sich für Bundestrainer Löw allerdings in Grenzen halten.

Ein Gewinner stand vor der Partie gegen die USA schon fest: Es war - die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Zumindest nutzten einige DFB-Gesandte am Sonntagvormittag in Washington die Gelegenheit, um zu erklären, warum diese Reise nach Nordamerika ohne 15 Stammkräfte und mit zwei mittelmäßigen Testspielgegnern ein - Trommelwirbel! - Erfolg war.

"Wir hatten hier viele intensive Trainingseinheiten, die die Spieler und die Mannschaft vorangebracht haben", hob zum Beispiel Julian Draxler hervor, "es war zu sehen, dass alle mit großer Motivation bei der Sache waren." Bundestrainer Jogi Löw meinte: "Man wächst zusammen, und es war die richtige Mischung zwischen Konzentration, Anspannung, Seriosität sowie Freizeit."

So manches klang wie ein Gruß an jene Kritiker, die eher von einem bezahlten DFB-Ausflug mit Unterhaltungsprogramm sprachen. Möglicherweise war das aber ein eher miesepetriger Ansatz, denn auch wenn es tatsächlich ein buntes Rahmenprogramm gab und die Nationalspieler etwa am Freitag ein NBA-Spiel der Miami Heat besuchten, gab es ja doch einige sportliche Erkenntnisgewinne.

DFB-Elf in der Einzelkritik
:Slapstick gegen Klinsmann

Marc-André ter Stegen hat im DFB-Dress einfach kein Glück, Per Mertesacker versucht sich als Mittelstürmer - was ebenfalls lustig aussieht. Miroslav Klose fiebert ab sofort dem Länderspiel gegen Österreich entgegen. Die DFB-Elf beim 3:4 gegen die USA in der Einzelkritik.

Von Carsten Eberts

Auch am Sonntagnachmittag (Ortszeit) im zweiten äußerst turbulenten Testspiel gegen die USA - das der Gastgeber mit 4:3 (2:0) gewann. Die Erkenntnis diesmal könnte nur lauten: Nicht immer springen ganz große Erkenntnisse heraus. Sehr treffend sprach daher Jürgen Klinsmann, der frühere Sommermärchentrainer, der nun die USA coacht: "Es war ein sehr unterhaltsames Spiel. Ich glaube, man sollte es aber nicht ganz so ernst nehmen."

Vier Tage nach dem 4:2 gegen Ecuador hatte Löw seine Startelf neu gemischt, auf fünf Positionen brachte er neue Spieler. So durften Lars (hinten rechts) und Sven Bender (defensives Mittelfeld) auflaufen, was ein hübsche Fußnote bedeutete. Das letzte Mal, das Zwillinge von Beginn an im DFB-Team agierten, lag 39 Jahre zurück. Erwin und Helmut Kremers partizipierten 1974 beim 5:0-Sieg gegen Ungarn.

Marc-André ter Stegen wiederum durfte René Adler im Tor ersetzen, es war sein dritter Einsatz nach dem 3:5 gegen die Schweiz und dem 1:3 gegen Argentinien (damals wurde er eingewechselt). Die Blicke waren aber auch auf einen Stürmer gerichtet: Würde es Miroslav Klose schaffen, in seinem 127. Länderspiel mit seinem 68. Treffer in der ewigen Torschützenliste mit Gerd Müller gleichzuziehen?

Dass hier eine Art Mogelpackung auf Seiten der Deutschen wirkte, war im Grunde nicht schlimm (es ging ja um die 100-Jahr-Feier des US-Verbandes), merkte der von Bayern- und Dortmund-Profis verwöhnte Nationalmannschaftsliebhaber aber trotzdem rasch. Zuerst mimte Per Mertesacker den Angreifer und schob den Ball knapp am Tor vorbei (11.). Ja, und fünf Minuten später führte der Gastgeber 2:0.

Ein Witz? Nein, ein Testspiel eben, in dem die deutsche Defensive so unsortiert auftrat wie eine Karnevalstruppe beim Bützchengeben. Zuerst verwertete Jozy Altidore vom niederländischen Erstligisten AZ Alkmaar einen Flankenball von Graham Zusi mühelos, weil Mertesacker und Lars Bender es zuließen (13.). Und gleich darauf folgte ein Malheur von ter Stegen, der eine harmlose Rückgabe von Benedikt Höwedes nicht stoppen konnte und den Ball ins Netz trudeln ließ (16.). Wer die jüngsten Bilder, etwa vom Champions-League-Finale oder vom Pokalendspiel in Berlin im Kopf hatte, musste das alles erst mal sacken lassen.

Konnte ja kaum schlimmer werden, dieser Kick. Oder doch? Als Altidore bei einem Konter versuchte, aus der Entfernung zu treffen, stürzte ter Stegen im Rückwärtslaufen und überschlug sich. Das war nur eine Minute, nachdem er mit einer tollen Parade (Clint Dempsey schoss) wieder ins Spiel zurückgefunden zu haben schien. Ter Stegen, der Arme, musste einem leid tun. Löw nahm ihn dann später auch in Schutz, als er sprach: "Es ist natürlich bitter für einen so jungen Torwart. Er hat den Fehler gemacht, aber er hat danach seine Sache auch noch ganz gut gemacht."

In der zweiten Halbzeit brachte Löw drei neue Verteidiger (Westermann, Wollscheid, Aogo), wenigstens er wusste, wo er ansetzen musste, um die Qualität im Team zu verbessern. Und tatsächlich zeigte sich die DFB-Auswahl schwungvoller. Heiko Westermann, der offenbar nicht mitbekommen hatte, dass es nur ein Testspiel war, setzte nach einem Eckball des Freiburgers Max Kruse energisch zum Kopfball an - 1:2 (51.), schon hatte Deutschland ein Erfolgserlebnis. Das jedoch nicht lange anhielt. Dempsey, wieder unbewacht, zog zweimal ab (60./64.) und erhöhte auf 4:1.

Entschieden war die Partie damit aber nicht, denn nun ging es die USA geruhsamer an. Kruse gelang mit einem feinen Schuss das 2:4 (78.), Draxler staubte gar zum 3:4 ab, nachdem US-Torwart Tim Howard einen Schuss von Sydney Sam abtropfen ließ. Ein wenig ging es noch hin und her, die Zuschauer kreischten, Nico Müller wurde elfmeterreif gefoult, dann war das wilde Spiel vorbei. Löw kommentierte trocken: "Man hat vielleicht gemerkt, dass die USA noch im Wettbewerb steht. In der ersten Halbzeit sind wir nicht ins Spiel gekommen. Der Sieg geht in Ordnung."

© SZ vom 03.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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