Deutschland gewinnt gegen Färöer:Ideenlos auf der Beton-Seite

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Kein Durchkommen: Julian Draxler im Zweikampf mit Johan Torest Davidsen (Foto: AFP)

Beim 3:0 auf den Färöern kann die deutsche Mannschaft in der ersten Halbzeit gelegentlich glänzen, doch nur Mertesacker trifft ins Tor. Nach der Pause spielt die DFB-Elf auf die Beton-Seite des Stadions und braucht einen Elfmeter, um die Entscheidung zu erzwingen.

Von Boris Herrmann, Tórshavn

Das Wichtigste vorab: Man kann vorzüglichen Fisch essen auf den Färöern. Der Feinschmecker Joachim Löw hat sich das natürlich nicht entgehen lassen. Und weil er zudem einer Broschüre des Fremdenverkehrsamtes von Tórshavn entnommen hatte, dass der färöische Lachs weltweit unerreicht sein soll, tat er auf Nachfrage kund: "Ich habe gelesen, dass es hier den besten Lachs der Welt geben soll." Daraus wiederum leiteten lokale Medien die freudige Nachricht ab: "Löw bezeichnet färöischen Lachs als den besten der Welt!" Manchmal ist das mit der Völkerfreundschaft gar nicht so kompliziert.

Ein kleines bisschen beleidigt hatte der Bundestrainer die rührend bemühten Gastgeber vor dem WM-Qualifikationsspiel auf den Färöern dann aber doch. Hinter dem einen Tor habe er eine Glaswand entdeckt, hinter dem anderen eine Betonwand, lästerte Löw. Immerhin merkte er selbstironisch an: "Ich hoffe, dass meine Spieler trotzdem das Tor treffen." Löws Sorgen erwiesen sich durchaus als begründet.

Sein offizieller Abwehrchef Per Mertesacker war der einzige, der sich in der ersten Hälfte vom Glas nicht irritieren ließ und nach 22 Minuten eine Özil-Ecke ins Netz lenkte. Seine Kollegen brauchten etwas länger. Es vergingen 74 Minuten, bis Mesut Özil per Strafstoß auf der Beton-Seite zum 2:0 erhöhte. Der schrankförmige Atli Gregersen wurde nach seiner Notbremse vom Platz gestellt, Thomas Müller erzielte in Überzahl den 3:0-Endstand (84.).

"Es war eine Pflichtaufgabe", bilanzierte Löw, "dass es zäh wird, war zu erwarten. Sie stehen mit zehn Mann um den Strafraum herum. Wenn es etwas zu bemängeln gibt, dann ist es die finale Aktion. Wir müssen unser Spiel im letzten Drittel noch verbessern, da fehlt mir die letzte Konsequenz. Unsere Spielanlage ist gut."

Nach 40 Sekunden und einem Stellungsfehler von Philipp Lahm hätte beinahe der färöische Kapitän Fródi Benjaminsen mit dem Tore schießen begonnen. Jérôme Boateng, der erneut anstelle von Mats Hummels in der Innenverteidigung begann, warf sich im letzten Moment in den Willkommens-Schuss. Es ging munter los auf dem Kunstrasen im Tórsvóllur-Stadion und es ging munter weiter. Benjaminsen traf kurz darauf die Latte, diesmal aber auf der Glaswand-Seite, wo sein Landsmann Gunnar Nielsen das Tor bewachte.

Die Färöer rechnen sich inzwischen zu den größten unter den europäischen Fußballzwergen. Und sie bewiesen wieder einmal, dass Spiele gegen heranwachsende Zwerge ihre eigenen Gesetze haben können - jedenfalls in den ersten 22 Minuten. Mit ihrer respektlosen Anfangsoffensive brachten die Färinger die deutsche Defensive ein ums andere Mal in Not - und das Stadion zum Köcheln.

DFB-Elf in der Einzelkritik
:Mit Fels und Lachs

Thomas Müller ärgert sich erst fürchterlich und ist dann unentbehrlich, Per Mertesacker gibt sich als Kommunikationsexperte. Sami Khedira spielt so träge, als hätte er zu viel Lachs gegessen. Die DFB-Elf beim 3:0 gegen die Färöer in der Einzelkritik.

Von Victor Fritzen, Tórshavn

Wobei dort oben im Zwergenland selbstredend auch die Fankultur ihre eigenen Gesetze hat. Wenn das Wetter ganz normal ist, wenn also Höllenwinde pfeifen und sich nordatlantische Tiefdruckgebiete über diesem einsamen Atoll entleeren, dann bleiben die Zuschauer manchmal in ihren Autos sitzen und hupen, wenn ein Tor fällt. An diesem Dienstag war das Klima allerdings ungewöhnlich mediterran. Schaulustige, die keines der 4818 Tickets ergattert hatten, konnten sich bequem auf den umliegenden Grashügeln und Häuserdächern zum Picknick niederlassen.

DFB-Elf in der Einzelkritik
:Mit Fels und Lachs

Thomas Müller ärgert sich erst fürchterlich und ist dann unentbehrlich, Per Mertesacker gibt sich als Kommunikationsexperte. Sami Khedira spielt so träge, als hätte er zu viel Lachs gegessen. Die DFB-Elf beim 3:0 gegen die Färöer in der Einzelkritik.

Von Victor Fritzen, Tórshavn

Sie sahen unter anderem eine deutsche Mannschaft, die ab Mitte der ersten Hälfte das Geschehen etwas besser in den Griff bekam, aber zu keiner Zeit glänzte. Sie sahen immerhin einen Manuel Neuer, der sich mit zunehmender Spieldauer in seinen Strumpfhosen zu langweilen begann, und einen Julian Draxler, der seinen Einsatz als Ersatz für den magenverstimmten Marco Reus mit kindlicher Spielfreude rechtfertigte. Sie sahen allerdings auch einen Miroslav Klose, der sich vergeblich um sein 69. Länderspieltor bemühte. Der eingewechselte Max Kruse schaffte es sogar, einen Ball in weitem Bogen über die Betonmauer zu bugsieren. Bisweilen musste man in diesem Spiel an einen nicht nominierten Stürmer namens Stefan Kießling denken, der sich im Stadion von Leverkusen, wo es hinter einem der Tore auch eine Glaswand gibt, stets torhungrig zeigt.

Löw dirigiert mit strengem Blick

Vielleicht hat den Anwesenden am Anfang aber auch die letzte Motivation gefehlt. Durch das 1:0 der Schweden in Kasachstan war schon vor Anpfiff klar, dass sich die DFB-Auswahl noch nicht endgültig für Brasilien qualifizieren konnte. Allerdings trugen auch die Gastgeber ihren Teil zum erstaunlich lange anhaltenden Spannungsbogen bei. Das Team von Trainer Lars Olsen verbarrikadierte wie gewohnt in voller Mannstärke den eigenen Strafraum. Es liegt nicht nur an der Stadionarchitektur, dass es gar nicht so einfach ist, gegen diese Mannschaft Tore zu schießen.

Löw schien von der Vorstellung seiner Mannschaft jedenfalls nicht annähernd so begeistert gewesen zu sein wie von den örtlichen Lachs-Spezialitäten. Erneut verfiel er in sein Verkehrspolizisten-Syndrom und dirigierte mit strengem Blick von der Seitenlinie. Seine eigene Vertragsverlängerung ist bis zu den letzten Qualifikationsspielen im Oktober gegen Irland und Schweden vertagt worden: "Jetzt werden erst einmal keine weiteren Gespräche stattfinden", sagte Löw nach dem Abpfiff.

© SZ vom 11.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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