Fußball-WM der Frauen:Einfach wird's nicht

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Giulia Gwinn jubelt nach ihrem Tor. (Foto: Lucy Nicholson/REUTERS)
  • Die deutschen Fußballerinnen gewinnen mühevoll ihr erstes WM-Spiel in Frankreich mit 1:0 gegen China.
  • Die 19-jährige Giulia Gwinn erzielt das entscheidende Tor.
  • Alle Ergebnisse und den Spielplan finden Sie hier.

Von Anna Dreher, Rennes

Martina Voss-Tecklenburg hat dann doch noch sehr konkret ihren Anreiz formuliert, bevor diese Weltmeisterschaft in Frankreich für ihre Mannschaft mit dem ersten Spiel gegen China am Samstag begann. Sonst hieß es oft, sie wolle so weit kommen, wie es eben möglich sei. "Auch mit einem jungen Team im Neuaufbau darf man Träume und ein Ziel haben: am 07.07. in Lyon zu spielen. Da ist das Objekt der Begierde!", schrieb die Bundestrainerin am Samstag in ihren Profilen auf den sozialen Netzwerken. Zu sehen war ein Foto der Trophäe, die in ein paar Wochen dem neuen Titelträger überreicht werden wird. Als dann die ersten Minuten gespielt waren, als Voss-Tecklenburg die Widerstandsfähigkeit ihrer Stimmbänder schon sehr oft getestet hatte, da dürfte ihr sehr bewusst geworden sein: Einfach wird das Erreichen dieses Ziels nicht werden für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft.

In einem von Fehlern und harten Zweikämpfen geprägten Spiel vor 15 238 Zuschauern in Rennes dauerte es über eine Stunde, bis Voss-Tecklenburg, 51, doch noch jubeln konnte. Noch nie hatten die DFB-Frauen das Auftaktspiel einer WM verloren - und auch an diesem Tag änderte sich nichts an dieser Statistik. Eine Ecke von Dzsenifer Marozsán wurde per Kopf von Shanshan Wang vermeintlich aus der Gefahrenzone gelenkt - landete dann aber bei Giulia Gwinn, die nicht lange zögerte und aus 18 Metern durch die Beine von Li Yang ins linke Eck abzog zum 1:0 (66. Minute). Die 19-Jährige, die zur neuen Saison vom SC Freiburg zum FC Bayern wechselt, sorgte damit für das dreizehnte Spiel der Deutschen ohne Niederlage nacheinander und für den erfolgreichen Start ins Turnier.

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China, hatte Voss-Tecklenburg in der Pressekonferenz am Freitag gesagt, beoachte man schon länger. Nur habe sich das Gesicht dieser Mannschaft einfach immer wieder verändert. "Von daher ist es nicht ganz einfach gewesen, China einzuschätzen", sagte Voss-Tecklenburg. "Aber wir wissen, dass wir auf eine Mannschaft treffen, die über eine gute Offensivstärke verfügt. Wir wollen versuchen, sie nicht zur Entfaltung kommen zu lassen." Und je nachdem, in welche Richtung sich dieses erste, so wichtige Spiel entwickeln würde, sei ihre Mannschaft gut vorbereitet: Mit einem Plan A, B und C. "China macht es jedem Gegner schwer, weil sie eine sehr gute Disziplin und eine sehr gute Mentalität haben", sagte Voss-Tecklenburg. "Ich glaube, sie werden allen in der Gruppe alles abverlangen. Das ist uns sehr bewusst."

Frühe Chance fürs deutsche Team - dann gehen Ordnung und Kreativität verloren

Von einem Plan A, B oder gar C war dann allerdings nicht wirklich viel zu sehen. Deutschland begann zunächst gut, schon in der zweiten Minute versuchte es Kapitänin Alexandra Popp mit einer Flanke, Innenverteidigerin Marina Hegering sprang hoch, der Ball aber landete auf der Latte. Eine Minute danach schoss Sara Däbritz aus der Distanz nur knapp am Tor vorbei. Da hätte es schon 2:0 stehen und die Mannschaft sich in Sicherheit wiegen können. Was dann jedoch folgte, war Unsicherheit. Sara Doorsoun spielte einen Querpass, der statt dem eigenen Spielaufbau einen Angriff der Chinesinnen einleitete und die deutsche Abwehr äußerst fahrig aussehen ließ. Doorsoun konnte ihren Fehler immerhin ausgleichen: Den Schuss von Li Yang lenkte sie mit ihrem Fuß ans Außennetz.

Deutschland versuchte offensiv viel, in der ersten halben Stunde kam die Mannschaft oft in den chinesischen Strafraum, nur der vorher schon als Problem identifizierte Abschluss gelang nicht. Und dann gingen Ordnung und Kreativität verloren. Was Voss-Tecklenburg zuvor gefordert hatte - den Gegner nicht zur Entfaltung kommen zu lassen -, gelang viel mehr den Chinesinnen. Unnachgiebig und hart in den Zweikämpfen, cleverer im Einsatz langer Bälle, damit setzten sie den vermeintlichen Favoriten unter Druck und brachten die Defensive gehörig durcheinander. Selbstsicherheit und Dominanz? Strahlten die Spielerinnen von Voss-Tecklenburg in dieser Phase nicht aus.

Kurz vor der Halbzeitpause wäre China fast in Führung gegangen und dass am Ende dieser Szene Torhüterin Almuth Schult mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden lag, dürfte den Puls der Bundestrainerin weiter in die Höhe getrieben haben. Die Chinesinnen hatten die Lücke, die ihnen die Deutschen anboten, dankbar angenommen, Yang kam frei zum Schuss, Pfosten, Doorsoun klärte den Ball nicht gleich, Yang schoss, Schult warf sich rein, um den Ball zu blocken - und musste dann behandelt werden. Dass der Gegentreffer vor der Pause nicht doch noch kam, lag auch an der Mitarbeit von Däbritz.

Voss-Tecklenburg hatte Veränderungen in ihrer Aufstellung im Vergleich zum letzten Testspiel gegen Chile angekündigt. Die sahen dann so aus, dass im 4-2-3-1-System Giulia Gwinn nicht in der Abwehrkette rechts, sondern auf den Flügel vorrückte, wo gegen Chile noch Lea Schüller gespielt hatte. Ihre Position nahm Kathrin Hendrich ein. Ansonsten blieb alles gleich. Däbritz, Melanie Leupolz und Dzsenifer Marozsán rochierten und rotierten im Mittelfeld, als zur Halbzeit Carolin Simon ausgewechselt wurde und Lena Oberdorf, 17, zur jüngsten deutschen WM-Teilnehmerin wurde, reihte sich Gwinn links außen in der Abwehr ein. Am wichtigsten für ihr Team aber war es an diesem Tag, dass sie ihr Können in der Offensive zeigte.

Anmerkung vom 12. Juni 2019: In einer vorherigen Version dieses Artikels wurde die Innenverteidigerin Marina Hegering als Martina Hegerberg bezeichnet. Dies wurde korrigiert.

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