Studie:Der DFB hat ein Imageproblem - jetzt auch empirisch belegt

Lesezeit: 2 min

Steht vor großen Herausforderungen: DFB-Präsident Bernd Neuendorf. (Foto: Jürgen Kessler/dpa)

Von "Orientierungslosigkeit" bis "Korruption & Seilschaften": Eine Panelstudie der Hochschule Ansbach regt nicht weniger an als eine grundsätzlich Neuorientierung des Deutschen Fußball-Bundes.

Von Christoph Leischwitz

Kritik am Deutschen Fußball-Bund (DFB), das ist allwöchentlich in den Fußballstadien der Republik zu beobachten, ist mittlerweile schon ritualisiert. Selbst verfeindete Fangruppierungen machen bisweilen gemeinsame Sache, zumindest akustisch, um den Verband zu schmähen, zum Beispiel, wenn eine Videoschiedsrichter-Entscheidung angekündigt wird. Wie sehr man als unbeliebt wahrgenommen wird, mag subjektiv geprägt sein - jetzt aber bekommen es die DFB-Funktionäre auch wissenschaftlich fundiert mitgeteilt: Eine Panelstudie der Hochschule Ansbach regt nicht sehr viel weniger an als eine grundsätzliche Neuorientierung des Verbandes. "Die Ergebnisse 2023", heißt es, "zeigen eine überaus kritische Positionierung" der Befragten gegenüber dem DFB.

Befragt wurden nicht etwa Fußballfans, sondern Meinungsführer und Interessenvertreter, die dem DFB teilweise sehr nahestehen. Zu den 100 Befragten gehören zum Beispiel ehemalige Profis wie Marco Bode oder Cacau, der noch aktive Julian Draxler oder auch die Torhüterinnen Almuth Schult und Kathrin Lehmann, dazu Trainer wie Tobias Schweinsteiger oder Daniel Thioune, Spieler und Funktionäre von Amateurklubs, aktuelle und ehemalige, teils hochrangige Funktionäre und Wissenschaftler sowie Schiedsrichter, unter anderem Deniz Aytekin und Bibiana Steinhaus-Webb.

SZ PlusMeinungNationalmannschaft
:Nagelsmann beendet die bleiernen Jahre

Der neue Bundestrainer zeigt gleich in seinem ersten Spiel, dass er der Nationalelf helfen kann, ihr wahres Vermögen zu verwirklichen. Dabei hat er daran bis vor Kurzem noch selbst gezweifelt.

Kommentar von Philipp Selldorf

Bei der Auswahl der Befragten wurde darauf geachtet, ein möglichst ausgewogenes Bild zu produzieren. Ihr Urteil aber ist in Teilbereichen vernichtend. Als wenig überraschend darf noch gelten, dass nur zwei der 100 Teilnehmenden dem DFB Fannähe bescheinigen. Aber ebenfalls nur zwei attestieren dem Verband auch Transparenz. Andere Antworten zeichnen ein Bild, wonach der DFB in jüngerer Zeit rapide an Zuspruch verloren oder Erwartungen immer weniger erfüllt hat.

Der DFB landete auf einer Image-Skala von eins (ganz schlecht) bis fünf (sehr gut) bei 1,9 - selbst die Deutsche Fußball Liga schnitt hier deutlich besser ab (2,8). Bei einer offenen Frage nannten viele Probanden Themen wie "Orientierungslosigkeit", "mangelhafte Kommunikation", "Korruption & Seilschaften und nicht aufgearbeitete Vergangenheit diesbezüglich". Auf die Frage, ob man denn so weit gehen könne, dass die Beliebtheit des deutschen Fußballs unter dem Verband leide, sagt Co-Studienleiter Tim Frohwein: "Das fände ich etwas zu hart. Aber selbst die Stakeholder sehen Verbesserungsbedarf."

Den größten Verbesserungsbedarf sehen die Befragten bei einer "offeneren Fehlerkultur"

Ohnehin gehe es in dieser Studie, für die die Idee nach dem desaströsen DFB-Bundestag im März 2022 aufkam, gar nicht darum, den Verband zu schädigen. "Der Anspruch war, Erwartungshaltungen zu identifizieren", erklärt Frohwein. Manche Dinge könnten vom DFB durchaus schnell umgesetzt werden, glauben die Forscher - zumal man mittlerweile auch innerhalb des DFB einen reformfreundlichen Flügel ausmachen könne. Den größten Verbesserungsbedarf sahen die Befragten bei einer "offeneren Fehlerkultur" (21 Prozent), es folgten "mehr Nähe zu Amateuren" (18 Prozent) und "mehr Einsatz für gesellschaftlich relevante Themen" (17 Prozent). Immerhin: Der DFB stellt sich der Erwartungshaltung, am vorvergangenen Montag wurden die Studienmacher nach Frankfurt eingeladen, um die Ergebnisse detailliert zu erläutern.

Möglichst ausgewogenes Bild: Die ehemalige Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb war eine der Probandinnen. (Foto: Ulmer/Imago)

Darüber hinaus soll die Studie auch keine Momentaufnahme bleiben. Sie soll nun im Jahresabstand insgesamt dreimal durchgeführt werden, auch, um dieselben Teilnehmer über die neuen Erwartungshaltungen nach der EM 2024 im eigenen Land abzufragen, oder nach eventuell ersten ergriffenen Maßnahmen. Die vorliegende Studie hat den Anspruch, Impulse und Orientierung für einen Transformationsprozess zu liefern. In der ersten Bekanntmachung heißt es: "Wie gelingt dem DFB ein echter organisatorischer, politischer und inhaltlicher Wandel, der den Erwartungshaltungen seiner Anspruchsgruppen möglichst gerecht werden und den Weg hin zu einem zukunftsfähigen, gesellschaftsrelevanten und erfolgreichen Sportverband ebnen kann?" Eine Frage, die offensichtlich erst extern gestellt werden musste, weil man intern keine Antwort fand.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFrauenfußball-Nationalteam
:Geschichte einer Entfremdung

Erst sprach sie vor Zahnärzten, dann mit dem DFB: Nach einer eigenartigen Hängepartie ist Martina Voss-Tecklenburg auch offiziell nicht mehr Bundestrainerin. Nun sucht der DFB eine Nachfolgelösung.

Von Anna Dreher

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: