Deutsche Tennisfrauen:Zögerlich, wenn es wichtig wird

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Bei den Feierlichkeiten nur am Rand: Teamchefin Barbara Rittner und die Spielerinnen Angelique Kerber und Andrea Petkovic (von links) (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Nach dem verlorenen Fed-Cup-Finale gegen Tschechien offenbart sich abermals ein vertrautes Manko: Die deutschen Tennisfrauen halten mit den Besten gut mit, aber die Matchbälle verwandeln sie nicht.

Von Saskia Aleythe, Prag

Leer gesaugt hatte sie das Wochenende, die Augen waren müde, der Kopf schwer, doch genügend Energie für ein bisschen Empörung hatte Barbara Rittner noch. Als "Mama Teamchefin" hatte sie ein Journalist bezeichnet, Rittner verzog verständnislos das Gesicht, schnaufte kurz und wandte sich direkt an ihre Spielerinnen, die neben ihr saßen: "Ich bin alles andere als eine Mama, oder?" Eifriges Nicken, da waren sich alle im deutschen Team einig.

Bemuttert wurde also niemand von ihr beim Fed-Cup-Finale in Prag, das sollte deutlich werden. Bereits nach drei Partien hatten die Tschechinnen als Sieger im eigenen Land festgestanden, waren triumphierend durch die Arena gezogen. Doch im deutschen Lager wollte das niemand als schlimme Niederlage verstanden wissen, ganz im Gegenteil: Ein Gewinn sei diese Woche in Prag gewesen, auf jeden Fall.

Fed-Cup-Finale
:Kerber hat Lust, sich zu wehren

Angelique Kerber kämpft ansehnlich, dennoch verliert sie eine turbulente Partie gegen Petra Kvitova. Tschechien gewinnt das Fed-Cup-Finale. Aber immerhin endet der Ausflug nach Prag für die deutschen Tennisspielerinnen würdevoll.

Von Saskia Aleythe

Kein Ärger über die verpasste Gelegenheit, den Titel nach 22 Jahren wieder nach Deutschland zu holen? Nicht mal ein bisschen? Angelique Kerber hätte getrost durch die Katakomben wüten können nach ihrem entscheidenden 6:7, 6:4 und 4:6 gegen Petra Kvitova, das wäre allzu verständlich gewesen. Schließlich hatte sie sich drei Stunden mit der Wimbledon-Siegerin aufopferungsvoll duelliert und war am Ende erdenklich knapp am wichtigen 1:2 in der Gesamtwertung gescheitert. Dann wäre alles noch offen gewesen.

Doch niedergeschlagen tauchte Kerber nicht wieder auf, sie war selbstbewusst und locker. "Natürlich bin ich enttäuscht", sagte sie, doch noch viel häufiger fiel der Satz: "Wir sind jetzt um eine Erfahrung reicher, die uns niemand mehr nehmen kann."

Dieses Wort, die "Erfahrung", es wurde so oft gebraucht an diesem Wochenende, dass es allmählich zur Floskel mutierte. Was die Tschechinnen so erfolgreich mache, wurde Teamchefin Rittner gefragt, die 1992 ja selbst als Spielerin den Pokal in die Höhe stemmen konnte. "Petra", antwortete sie mit Verweis auf die Weltranglistenvierte. Und: "Vor allem die Erfahrung, sie haben zum vierten Mal ein Finale gespielt, für uns war es das erste Mal. Wir wussten nicht, was auf uns zukommt."

Nun ist es nicht so, dass da ein vollkommen anderer Sport betrieben wird, wenn es um das Finale im Fed Cup geht. Filzball, Netz, Schläger - das alles kennen Kerber, Andrea Petkovic, Sabine Lisicki und Julia Görges ja aus ihren Leben als Tennisprofis. Gemeint war eher der mentale Druck: Klarkommen mit der großen Chance, der Verantwortung für die Mannschaft und der lautstarken Unterstützung der tschechischen Fans. Sie habe sich "zwischen den Ballwechseln ein bisschen mehr Gedanken gemacht", erklärte Kerber zum ersten Spiel, im zweiten sei die Nervosität dann schon viel kleiner gewesen, "da war ich ganz bei mir". So schnell geht das also.

Ihre Partie gegen Kvitova war es, die die Deutschen sofort versöhnlich stimmte mit diesem Finale. "Meine Gefühle sind hin und her geschwankt bei dem Spiel von Angie", erklärte Rittner, "aber ich bin total stolz, wie sie das heute gemacht hat. Sie hat uns super präsentiert und unser wahres Gesicht gezeigt." Erhobenen Hauptes könnten sie nun nach Hause fahren, "in Deutschland hat jeder gesehen, dass Tennis noch lebt", fand Rittner sogar.

Vier Finale hat Kerber auf der diesjährigen WTA-Turnier gespielt, kein einziges davon gewonnen. Sie kann sich wehren gegen Satz- und Matchbälle, sie kämpft sich auch in aussichtslosen Lagen zurück - das beeindruckt. Doch die spielentscheidenden Punkte, die bereiten ihr selbst auch Probleme. Gegen Kvitova war sie im dritten Satz mit 4:1 enteilt und hatte fast schon gewonnen - doch die wichtigen Punkte machte sie nicht. Und auch wenn das bei allem Erfahrungsgewinn in den Hintergrund rückte: Viel schwerer wog ihre Niederlage am Vortag gegen Lucie Safarova.

Team Deutschland war ja nicht hoffnungslos in dieses Endspiel gegangen, es gab eine Chance auf den Titel. Ein Sieg gegen Kvitova gehörte nicht mal zum Konzept, da mussten sich weder Andrea Petkovic mit ihrem chancenlosen 2:6, 4:6 zum Auftakt, noch Kerber Vorwürfe machen. Aber dass die deutsche Nummer eins gegen Safarova, in der Weltrangliste sieben Plätze hinter ihr, trotz Führung im Spiel verliert - das war eben nicht vorgesehen gewesen.

"Das Scheißding gewinnen"

Gleich nach der Niederlage sprachen alle im deutschen Team schon von der Zukunft mit dieser Mannschaft, die nun enorm zusammengewachsen sei, auch mit Sabine Lisicki. Kerber stand noch nicht mal unter der Dusche, da kündigte Rittner schon an: "Wir werden zurückkommen und das Scheißding gewinnen." Doppelspezialistin Julia Görges wünschte sich, irgendwann selbst "die goldenen Flatterdinger im Gesicht zu haben", die die Tschechinnen bei der Pokalübergabe umwehten. "Ich bin mir zu 1000 Prozent sicher, dass wir das Ding nach Hause holen", bekannte Andrea Petkovic.

Mit dem nächsten Finaleinzug sollte es dann allerdings nicht noch mal 22 Jahre dauern. "Oma Teamchefin" würde Rittner sicherlich noch viel weniger gefallen.

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