Fed-Cup-Finale:Kerber hat Lust, sich zu wehren

Angelique Kerber kämpft ansehnlich, dennoch verliert sie eine turbulente Partie gegen Petra Kvitova. Tschechien gewinnt das Fed-Cup-Finale. Aber immerhin endet der Ausflug nach Prag für die deutschen Tennisspielerinnen würdevoll.

Von Saskia Aleythe, Prag

Einen Moment dem Geschehen entfliehen, das kam Angelique Kerber gerade recht. Der Schläger flog unsanft auf den Boden, das Handtuch hängte sie sich schützend über den Kopf, so verharrten Handtuch und Sportlerin minutenlang. Die Enttäuschung war heftig, sichtbar war das auch ohne einen Blick ins Gesicht der Deutschen. Kerber hatte den ersten Satz gegen Petra Kvitova nach einer spektakulären Führung spektakulär abgegeben. Es war der Anfang vom Ende, aber es war ein würdevolles Ende.

Kerber kämpfte unerbittlich und ansehnlich, doch schließlich hieß es 6:7, 6:4, 4:6 gegen Kvitova im Finale des Fed Cups. Damit war eine Geschichte schon früh grausam auserzählt, ganz anders als es das deutsche Team vorgesehen hatte. 0:3 nach drei Spielen also, deutlicher hätte die Niederlage gegen Tschechien im Endspiel nicht ausfallen können. Am Vortag hatte bereits Andrea Petkovic ihr Auftaktspiel gegen Kvitova mit 2:6, 4:6 verloren, im Anschluss war Kerber überraschend mit 4:6, 4:6 an Lucie Safarova gescheitert. Das Worst-Case-Szenario mit zwei Pleiten zum Start war am Samstag eingetreten, Teamchefin Barbara Rittner hatte das unumwunden zugegeben. Am Ende stand es 1:3, da Sabine Lisicki und Julia Görges immerhin das abschließende Doppel gewannen.

Die Köpfe hingen an diesem Sonntagmittag tief im deutschen Lager, schließlich hatten alle so sehr auf ein Fed-Cup-Märchen gehofft. Franz Beckenbauer, Manuel Neuer und Sigmar Gabriel schickten die besten Wünsche nach Prag, damit der Titel nach 22 Jahren wieder nach Deutschland kommt. Sogar eine Grußbotschaft von Steffi Graf erreichte Kerber, Petkovic, Lisicki und Görges. Eine Woche lang bereitete sich das Team in Prag vor, es glaubte trotz Heimvorteil der Tschechinnen an eine Überraschung.

Alles oder nichts, das war Kerber bewusst, auf sie würde es ankommen am Sonntagmittag. "Ich muss die Punkte holen, damit wir noch eine Chance haben", sagte sie. Ihr Auftritt gegen Safarova hatte allerdings nichts Gutes versprochen: Nervosität machte ihr in der Prager Arena zu schaffen, den entscheidenden Punkt im ersten Satz verlor sie, weil sie zu früh jubelte und der Ballwechsel noch nicht beendet war. Im zweiten Satz führte sie schon 4:2, doch das reichte nicht für eine Wende. Insgesamt sieben Doppelfehler leistete sich Kerber, nur drei von acht Break-Chancen nutzte sie für sich. Safarova schnappte sich auch den zweiten Satz.

Und nun sollte es also gegen Kvitova gehen, die Petkovic am Samstag keine Chance gelassen hatte, sie war überhaupt der Knackpunkt an diesem Wochenende. Mit ihren Returns und Aufschlägen spielte sie so überragend, dass "sie jeden von uns heute abgeschossen hätte", wie Petkovic nach ihrem Einzel befand. Tschechiens Nummer vier der Weltrangliste hetzte Petkovic gnadenlos über den Platz und zwang sie so zu Fehlern. Eine Antwort darauf fand Petkovic nicht.

Sechs Satzbälle nicht verwandelt

Nach Abschießen sah es gegen Kerber dann jedoch ganz und gar nicht aus: Die Deutsche hatte Lust, sich zu wehren. Gegen das vorzeitige Aus vor allem, aber auch gegen ihre eigenen flatterhaften Nerven. Ihre ersten vier Aufschlagspiele garnierte sie mit Doppelfehlern, doch sie entschied sie trotzdem für sich. Ihr gelang erst ein Break zum 3:2, dann zum 5:2, Kerber begegnete Kvitova ohne Furcht und Panik.

Unsicherheit hatte sich nun bei Kvitova breit gemacht, doch die Tschechin berappelte sich schnell: In einem Satz, der länger als jedes der beiden Matches zuvor an diesem Wochenende dauern sollte, kämpfte sie sich zurück. Kerber nahm diesen Kampf an, das war das Positive. Doch sie verlor ihn noch, auch weil sie ganze sechs Satzbälle nicht verwandeln konnte. Im Tie-Break zum 7:6 jubelte dann die Tschechin.

Natürlich musste Kerber sich wieder vom Handtuch lösen, dann sah es so aus, als würde alles ganz schnell gehen. 0:3 lag sie hinten, 4:3 hieß es jedoch nach etlichen attraktiven Ballwechseln. Dann hatte es Kerber gar nicht mehr so schwer mit den Satzbällen: Den zweiten beim Stand von 5:4 verwandelte sie - alles war wieder offen.

Das Spiel ging weit in den Nachmittag hinein, die Schiedsrichterin machte schon Lockerungsübungen auf ihrem Stuhl, denn auch der dritte Satz war wieder kein Turbodurchgang. Kerber spielte frei auf, ging 4:1 in Führung - und fiel, na klar, erneut zurück. Während sich Lisicki schon für das nächste Einzel das Stirnband anlegte, fand Kvitova zurück ins Spiel. Ihren zweiten Matchball setzte sie noch aus bester Position grotesk an die Netzkante, der vierte gelang. Nach zwei Stunden und 57 Minuten war die Partie beendet - und Tschechien zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren Fed-Cup-Gewinner.

Barbara Rittner hatte das Wochenende in Prag schon am Samstag in der Kategorie "Erfahrungsgewinn" verbucht, unabhängig vom weiteren Verlauf. Die Deutschen hatten sich davon beeindrucken lassen, dass es auch schon mal laut wurde in der Prager Arena. Petkovic fühlte sich durch "Aus"-Rufe aus dem Publikum während der Ballwechsel irritiert, auch während der Aufschläge gab es Gebrüll von den Zuschauerrängen. Doch weder das noch der zu schnelle Belag, für den Tschechien eine Geldstrafe wird zahlen müssen, wollte das Team als Grund für die Niederlage verstanden wissen. Kerber kam mit allem am zweiten Tag ohnehin wunderbar klar. Und fast hätte sie ja Kvitova bezwungen.

"Wenn wir gestern so angefangen hätten, hätte es für mehr gereicht", sagte Teamchefin Rittner nach der Partie. Am Ende hüpften die Tschechinnen im Kreis. Kerber verbarg ihr Gesicht. Diesmal nicht unter einem Handtuch, sondern in den Armen von Rittner.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: