Deutsche Eishockey Liga:Der Scheibenmagnet

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Vor dem Wiedersehen mit seinem Ex-Klub: Mathias Niederberger. (Foto: Markus Fischer/Passion2Press/Imago)

Seit dieser Saison bringt Mathias Niederberger nicht mehr den EHC Red Bull München zur Verzweiflung, sondern dessen Gegner. Der 29-Jährige soll ein entscheidender Faktor zur Rückeroberung des Meistertitels werden.

Von Christian Bernhard

Serge Aubin ist ein Trainer, der selten Einblicke in seine Gefühlswelt gewährt. An einem Mittwochabend Ende September in München wirkten Mimik und Gestik des Trainers der Eisbären Berlin aber noch sparsamer als sonst. Sein Team hatte 1:4 gegen den EHC Red Bull München verloren, klar, aber es lag wohl auch an der Frage, die ihm soeben zu Mathias Niederberger gestellt wurde.

Der deutsche Nationaltorhüter war einer der entscheidenden Faktoren gewesen, die den Eisbären unter Aubin die jüngsten zwei Meistertitel in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) beschert hatten. Im Sommer wechselte er aber nach München - und bestätigte gleich im ersten Duell mit seinem Ex-Team seine Klasse. Solche Entscheidungen seien Teil des Geschäfts, man müsse sie respektieren, sagte Aubin ohne erkennbare Regung. Verwies darauf, dass auch die Eisbären zwei gute Torhüter hätten. Und schloss: "Es ist, wie es ist."

Die Münchner haben sich im Sommer prominent verstärkt. Ryan McKiernan, Andreas Eder und Chris DeSousa würden in jedem DEL-Team tragende Rollen einnehmen. Überstrahlt wurden die drei Zugänge aber von der Verpflichtung Niederbergers, die in der Eishockeyszene als Königstransfer gedeutet wurde, als Zeichen der Machtverschiebung in der Liga. "Absolute Stabilität" schreibt EHC-Manager Christian Winkler dem 29-jährigen Torwart zu. Niederberger sei "mit das Beste, das man in Deutschland haben kann".

Das bestätigte sich nicht nur in jenem Heimspiel gegen die Eisbären, die am Mittwoch erneut in München zu Gast sind (19.30 Uhr). Seit der Auftaktniederlage in Köln hat Niederberger alle sechs DEL-Spiele, die er bestritt, gewonnen. Noch beeindruckender sind die Statistiken dahinter. In keinem dieser Spiele kassierte er mehr als ein Gegentor. Niederberger ist der DEL-Torhüter mit dem aktuell besten Gegentorschnitt und der besten Fangquote - und München Tabellenführer. In knapp zwei Dritteln der bisherigen Saisonspiele bekam Niederberger den Vorzug vor Danny aus den Birken.

Schließlich haben sie ihn geholt, um die mittlerweile mehr als vier Jahre andauernde EHC-Mission zu finalisieren: den Titel zurück nach München zu holen. Vergangene Saison fehlte nicht viel. Doch in der Finalserie gegen die Eisbären verzweifelten die Münchner eben reihenweise an Niederberger. Da "hat er uns belehrt, warum wir ihn gekauft haben", betonte Winkler. McKiernan findet es "beruhigend", Niederberger nun im EHC-Tor zu wissen, auf ihn könne man "noch ein bisschen mehr" zählen. 2021 haben beide in Berlin gemeinsam den Titel gefeiert.

2013 ermöglichte ihm der EHC den Wechsel nach Nordamerika - nun kann Niederberger etwas zurückgeben

Eine von Niederbergers Stärken ist sein Stellungsspiel. Der mit 1,80 Metern eher kleine Torhüter ist sehr flink und muss oft gar nicht spektakulär parieren, da er gut positioniert ist. Oft wirkt es bei einem sehr guten Eishockeytorhüter so, als werde er nur angeschossen, als kämen die Scheiben unplatziert daher. In Wahrheit steht Niederberger meist schon da, wo die Scheibe hinfliegt, er wirkt wie ein Magnet auf sie. Dazu kommen seine hohe Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsschnelligkeit. Winkler ist auch von "dieser Ruhe, die er ausstrahlt", beeindruckt, und Berlins Torwarttrainer Sebastian Elwing schwärmt von Niederbergers Ehrgeiz und Professionalität. Ein Gesamtpaket.

Einige Sommer verbrachte Niederberger in Toronto, um auf eigene Kosten mit einem Privattrainer zu arbeiten. Während der Corona-Lockdowns feilte er in seinem privaten Fitnessraum an Kraft und Ausdauer. Und 2013, da hatte er zum ersten Mal in München unterschrieben, doch kurz darauf bot sich die Chance, in Nordamerika einen Profivertrag zu ergattern. Der EHC erteilte ihm damals die Freigabe, ließ ihn jene Erfahrung machen, "die mir und meiner Karriere sehr geholfen" hat, was Niederberger nicht als selbstverständlich ansah. Jetzt kann er dem EHC etwas zurückgeben.

Als fehlendes Puzzlestück beim EHC will sich der Sohn des langjährigen Nationalspielers Andreas Niederberger nicht bezeichnen, doch seine Ziele formuliert er deutlich: Er hofft, "dass ich meinen Beitrag leisten kann, Meister zu werden und die CHL zu gewinnen". Auf europäischer Ebene steht Mitte November das Achtelfinale gegen den Schweizer Meister aus Zug an. In der Liga gilt es am Mittwoch Platz eins zu verteidigen. Berlin hat nach schwachem Saisonstart mit zuletzt vier DEL-Siegen aus fünf Spielen wieder in die Spur gefunden. Niederberger hat seine nie verlassen.

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