Deutsche Biathlon-Frauen vor dem WM-Einzelrennen:Locker im Windschatten

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Eine Strafminute pro Fehlschuss: Wer sich beim Einzelrennen der Frauen durchsetzen möchte, muss gut schießen. Das erhöht die Chancen für Magdalena Neuner und die anderen deutschen Biathletinnen.

Carsten Eberts, Ruhpolding

Tina Bachmann, 25, lernt wieder Russisch, der Motivationsschub kam beim Weltcup in Chanty-Mansijsk. Als sie sich, trotz Russisch-Unterricht von der siebten bis zur zehnten Klasse, mit den Einheimischen kaum verständigen konnte. "Das hat mich geärgert", sagt Bachmann, seitdem poliert sie die verkümmerten Kenntnisse mit Hilfe eines Computerprogramms auf, wann immer es die Zeit erlaubt - und macht gute Fortschritte.

Locker auf der Pressekonferenz: Andrea Henkel (rechts) und Tina Bachmann. (Foto: dapd)

Zeit für Vokabeln hatte sie am WM-Ruhetag für die deutschen Biathletinnen trotzdem nicht. Es gab andere Dinge zu tun: Während Magdalena Neuner und Zimmerkollegin Miriam Gössner in den Schreibwarenhandel mussten, weil die alten Eddings von den vielen Autogrammen ganz leer geschrieben waren, ging Bachmann am Montag zunächst ein wenig Langlaufen, später fuhr sie ins benachbarte Traunstein. Dann war der Ruhetag auch wieder vorbei.

Vor dem Einzelstart am Mittwoch (15:15 Uhr) ist die Stimmung bei den deutschen Frauen locker und frei von Misstönen, was natürlich damit zusammenhängt, dass Neuner die Delegation mit ihren Einzelmedaillen vom größten Druck zunächst befreit hat. Die Maßgabe von Bundestrainer Uwe Müssiggang ("Eine muss durchkommen") hatte Neuner im Alleingang erfüllt.

Bachmann ist eine, die am Mittwoch vom breiten Windschatten der deutschen Frontfrau profitieren könnte. Sie mag die lange 15-Kilometer-Distanz, weil sie in der Loipe weniger der spritzige Typ ist, lieber das stetige Tempo mag. 2011 in Chanty-Mansijsk holte sie über diese Distanz sogar WM-Silber, hinter der Schwedin Helena Ekholm, es war ihr erster großer Auftritt in der Biathlon-Weltelite. "Das war mein bester Wettkampf des gesamten Jahres", erinnert sich Bachmann. Die Bilder von damals, ihre innere Ruhe bei den beiden letzten Schießeinlagen, sind immer noch präsent.

Diese Ruhe versucht sie auch am Mittwoch "irgendwie mitzunehmen", denn mit dem Schießen haperte es zuletzt: Erst im Sprint, als sie drei Fehler schoss, dann in der Verfolgung, als sie liegend fehlerlos blieb, im Stehen jedoch drei Scheiben stehen ließ. Bachmann sieht sich trotzdem gestärkt: "Wir wissen jetzt, wie sich die Atmosphäre anfühlt", sagt sie, die sei mittlerweile "pure Motivation". Ohnehin habe sie in den Einzelrennen stets ihre besten Resultate geholt: "Vor allem, wenn es darauf ankam."

Das deutsche Team für Mittwoch steht derweil: Neben Neuner, Henkel und Bachmann wird Miriam Gössner an den Start gehen, Franziska Hildebrand muss pausieren. Der Sieg dürfte über die guten Schützinnen im Feld gehen, so viel steht fest, denn die Hypothek von einer Strafminute pro Fehlschuss ist bei vier Schießeinlagen in der Weltspitze kaum aufzuholen.

So rücken die Läuferinnen in den Fokus, die sicher am Schießstand sind, etwa Titelverteidigerin Ekholm, die im Einzelrennen 2011 in Chanti-Mansijsk als einzige viermal null schoss und gewann. Oder jene, die am Sonntag in der Verfolgung gleich ganz ohne Fehler blieben: Ekholms Landsfrau Anna Maria Nilsson, die Polin Magdalena Gwizdon oder Andrea Henkel.

© SZ vom 07.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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