DEL-Finale zwischen Mannheim und Berlin:"Das war eine geile Show"

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Schon jetzt gilt das diesjährige Eishockeyfinale als eines der besten, das in der DEL je gespielt wurde. Nachdem Berlin die vierte Partie bei den Adlern Mannheim noch auf spektakuläre Weise gedreht hat, kommt es zu einem letzten Alles-oder-Nichts-Spiel. Von einem psychologischen Vorteil wollen die Eisbären nichts wissen.

Michael Neudecker

Der künftige Jubilar trug ein verschwitztes Shirt, das Haar war nass, manchmal grinste er. "Das war eine geile Show", sagte Sven Felski, er sagte: "Ich bin wahnsinnig stolz, dass ich dieses Spiel mitmachen durfte." Er roch ein bisschen streng.

Der Berliner Sven Felski (rechts) verteidigt den Puck gegen Mannheims Ronny Arendt. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Adler Mannheim gegen Eisbären Berlin, Spiel vier des Eishockeyfinales 2012, war ein Spiel, von dem die Beteiligten noch in dreißig Jahren sprechen werden; das eine selten gesehene Dramatik, Intensität und Absurdität vorführte und damit den Ruf dieser Finalserie zementierte, eine der besten in der Geschichte der Deutschen Eishockey-Liga zu sein.

Und jetzt haben sie in Berlin diese Bilderbuchgeschichte: Wie die von Verletzungen geschwächten Berliner 2:5 zurücklagen, wie die 13.600 Fans in der Mannheimer Arena sangen "wir holen die Meisterschaft" und sich die Mannheimer Spieler auf der Bank in den Armen lagen, wie die Berliner aber immer weiter rannten, zurückkamen, mit letzter Kraft ausglichen und in der Verlängerung gewannen.

Sven Felski, dieser 37-jährigen Recke aus dem Osten Berlins, der in 20 Jahren Profieishockey für keinen anderen Klub als die Eisbären auflief, bestreitet am Dienstag, wenn die Meisterschaft in Berlin entschieden wird, das 1000. Spiel seiner Karriere. Rosamunde Pilcher hätte das nicht besser hinbekommen. "Wir geben nie auf", sagte Felski dem Anlass entsprechend pathetisch, "egal, ob wir drei Verletzte haben oder zwölf." Felski und seine Kollegen hatten sich bis zur Erschöpfung verausgabt, aber sie waren auch eine Stunde nach dem Ende noch von Adrenalin durchflutet.

"Das beste Spiel, in dem ich je dabei war", dieser Satz war oft zu hören, eine Einschätzung, die aus objektiver Sicht nachvollziehbar ist. Auch am Tag danach ist der Verlauf dieses Sonntagnachmittages ja sehr präsent: Nach 14 Sekunden hatte Mannheims Christoph Ullmann das 1:0 erzielt, es wurde ein heftiges Spiel, mit harten Checks, vielen Torschüssen und viel Kampf, denn keiner wich zurück - Berlin gegen Mannheim ist das Elitetreffen der DEL, der Sieger ist Rekordmeister. Nach zwei Dritteln führte Mannheim 3:2, in der 44. Minute folgte das 4:2, in der 46. das 5:2, zehn Sekunden später traf Berlin zum 3:5. Immer noch deutete nichts darauf hin, dass es ein weiteres Spiel in dieser Serie geben könnte.

Und dann: 48. Minute, 4:5, 54. Minute, 5:5, und schließlich stand Travis Mulock nach drei Minuten und 26 Sekunden der Verlängerung am rechten Torpfosten, er drückte den Puck über die Linie. Die Gesänge und Schreie rissen ab, als hätte jemand den Ton abgestellt, die Berliner fielen übereinander her, als seien jetzt sie schon Meister. Es wirkt gespenstisch, wenn in einer großen Arena plötzlich Stille herrscht, durchbrochen nur vom entfernten Gebrüll eines vergleichsweise kleinen Haufen Menschen, der ganz oben, unter dem Dach, schreit.

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Als die Berliner Spieler irgendwann den Kabinentrakt verließen und zum Bus gingen, da umarmten sich manche noch mal, schlugen sich mit Freunden ab, lachten laut. Die Mannheimer Arena ist so konstruiert, dass die Kabinen der beiden Mannschaften nah zusammen liegen, am Ende der Gänge, die von der Kabinentür ins Freie führen, ist eine Glasfront, weshalb die Mannheimer die Berliner Jubelergüsse von ihrer Seite der Katakomben gut sehen konnten. Die Mannheimer Arena ist ziemlich gemein gebaut.

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Vor der Berliner Kabine stand dann auch Peter John Lee, der Manager der Eisbären, er sollte diese Frage beantworten: Ob er, mal ehrlich, nach dem fünften Gegentreffer noch an eine Titelverteidigung geglaubt habe? "Mmmh", machte Lee, "ich hatte ein komisches Gefühl, dass es mit unserer Mannschaft nicht vorbei sein könnte", er zuckte mit den Achseln, "aber du traust deinen Gefühlen nicht, wenn du 2:5 hinten liegst." Wie es dazu kommen konnte, dass seine Gefühle richtig waren?

Tja, sagte Lee, das wisse er auch nicht. Tatsache ist: Die Eisbären mussten schon im ganzen Finale (und bereits davor) auf ihre Leistungsträger André Rankel (gesperrt), Stefan Ustorf und Denis Pederson (beide verletzt) verzichten, wohingegen die Adler in vollzähliger Besetzung antreten - der Eindruck, Mannheim sei spritziger, frischer als Berlin, kam auch während dieses Spiels immer wieder auf. Wie also?

Als die Verlängerung bevorstand und Eisbären-Trainer Don Jackson die Kabine betrat - in den Playoffs wird im Eishockey so lange um die volle Drittelspielzeit von 20 Minuten verlängert, bis ein Tor fällt, weshalb die Teams zwischendurch auch die übliche Pause von 15 Minuten haben -, als Jackson also in der Kabine der Berliner stand, da sagte er: nichts. "Die Mannschaft ist so geil, die hat das selber geregelt", erzählt Felski, er grinst schon wieder.

Dann gingen sie zurück aufs Eis und schnürten die Mannheimer in deren Verteidigungszone fest, als seien sie gerade von einem zweiwöchigen Energieurlaub aus den Bergen zurückgekehrt, so voller Elan, so voller Schwung. "In meinem Leben", sagte Siegtorschütze Mulock später, noch immer im Schwung, "war ich noch nie Teil einer besseren Mannschaft." Was das nun für Spiel fünf bedeute, wurde Peter John Lee gefragt, die Eisbären seien doch nun psychologisch im Vorteil, nicht wahr? Nein, nein, sagte Lee, "es geht wieder von null los".

Sportrhetorik baut oft auf Verdrängung, sie mag sich wiederholen, manchmal sogar erschöpfen, aber doch ist sie bisweilen sinnvoll: Weil sie die einen nicht abstürzen lässt und die anderen am Boden hält. Die Ansicht also, dass Spiel fünf, dieses Alles-oder-Nichts-Spiel, unbeeindruckt von Spiel vier stattfinde, dass alles von vorne beginne, diese Ansicht vertraten beide Teams: "Es steht 2:2, mehr isses nich'", sagte Felski. "Wir haben es immer noch selbst in der Hand, Meister zu werden", sagte Mannheims Trainer Harold Kreis, wobei er noch klarstellte, es helfe seiner Mannschaft nicht weiter, "jetzt rumzuheulen", auch "diese Selbstmitleidsgeschichte können wir jetzt nicht gebrauchen". Zeit dafür hatten sie ohnehin nicht: Am Montag, 16.25 Uhr, ging der Flieger nach Berlin.

© SZ vom 24.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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