Der Mann im hellen Hermelin nahm die Ehrerbietungen huldvoll an, wie es sich für einen König gehört. Ein Lächeln nach links, ein Kopfnicken nach rechts, ein Fistbump hier. Moment. Ein König, der mit seinem Volk abklatscht?
Auf den zweiten Blick entpuppte sich der Nobelzobel als gewöhnlicher grauer Schlabberpulli, und der Mann mit dem Dauergrinsen als Mike Moore. Von 2016 bis 2022 führte der 39-Jährige die Fischtown Pinguins aus Bremerhaven als Kapitän umsichtig durch die ersten Jahre in der Deutschen Eishockey Liga wie ein Schiff durch raue See. War es für die Pinguine seit dem Aufstieg ein weiter Weg in ihr erstes DEL-Finale, und dann gleich gegen Rekordmeister Eisbären Berlin, so war es für Moore ein besonders weiter.
Weltmeisterschaft in Tschechien:Spielplan der Eishockey-WM 2024: Alle Spiele und Ergebnisse
Tschechien hat es geschafft: In einem engen WM-Finale setzte sich der Gastgeber gegen die Schweiz durch und kürte sich zum 13. Mal zum Weltmeister. Der Spielplan mit allen Spielen im Überblick.
Der ehemalige NHL-Profi aus Calgary, studierter Luft- und Raumfahrttechniker, arbeitet jetzt für Blue Origin, das Raumfahrtunternehmen von Amazon-Gründer Jeff Bezos, in Florida. Aber den Stapellauf für diese Finalserie ließ sich der Raketenmann nicht nehmen. Trotz unruhiger Anreise mit gewöhnlichen Verkehrsmitteln (Flugzeug, Taxi) hatte er es gerade rechtzeitig zum Eröffnungsbully geschafft. Er hatte es schließlich seinem Buddy Ross Mauermann versprochen. Von Mauermann wird noch die Rede sein.
Mittwochabend, 19 Uhr, die Zeremonie begann. Die Küstenromantiker von Santiano sangen "Hoch im Norden", das Marinemusikkorps Ostsee blies die Nationalhymne - die Bremerhavener Seele vibrierte. Und wer genau hinsah, konnte erkennen, dass auch das Kinn von Alfred Prey, vor einem halben Jahrhundert als Marinesoldat aus der Oberpfalz im Norden angelandet und seit 32 Jahren Manager und Mann für alles bei den Pinguins, unter dem Schnauzbart zitterte. Dann fiel der Puck.
Nach nicht einmal sechs gespielten Minuten lagen die Pinguine 0:2 hinten (1./6.). Zweimal war ihre sonst so wetterfeste Abwehr unsortiert, Tobias Eder hatte sogar das 0:3 auf dem Schläger. Der Pfosten half dem Endspieldebütanten.
Bremerhaven wirkte überwältigt: von der Berliner Aggressivität, von der Größe des Augenblicks, von allen Emotionen. Thomas Popiesch, in Ostberlin geboren, beim SC Dynamo, dem Vorläufer der Eisbären, ausgebildet und später wegen versuchter Republikflucht vier Jahre inhaftiert, sagte bei Magentasport: "Die ganze Stadt ist so aufgeputscht. Überall sieht man Trikots, die Leute wollen Fotos machen. Es ist eine unheimliche Euphorie." Der Berliner Plan war offensichtlich, Bremerhaven diese Euphorie schnell aus den geblähten Segeln zu nehmen. Aber Fischtown war noch nicht besiegt. "Wir haben das die ganze Saison über gezeigt: Wir lassen uns nicht beeindrucken", sagte Verteidiger Lukas Kälble. Der Nationalspieler zündete mit seinem Anschlusstreffer (12.) die erste Feierstufe in der kleinen, natürlich ausverkauften Halle am Wilhelm-Kaisen-Platz. Die 4639 Zuschauer machten Radau wie ein Spaceshuttle beim Start. Und dann kam der Auftritt des Ross Mauermann.
Der Amerikaner mit dem deutschen Pass und Namen, der wie Mike Moore 2016 zum Aufsteiger gekommen war und seitdem für die Pinguins spielt, kam vor dem Berliner Tor an den Puck, zauberte sich die Gummischeibe durch die eigenen Beine und schob sie seelenruhig an Jake Hildebrand vorbei ins Netz (13.). Ein Ereignis von einem Tor und wohlgemerkt: Es stand da nicht 5:0 am soundsovielten Spieltag für Bremerhaven gegen irgendwen, sondern 1:2. Im Finale. Gegen den Rekordmeister.
"Am Anfang waren wir zu passiv", sagte Popiesch. "Nach dem 0:2 haben wir wieder unser Eishockey gespielt." Und was für ein Spiel das war. Zweites Drittel, Pass zum freien Ziga Jeglic, der schießen könnte, schießen müsste. Aber Jeglic sieht, dass Miha Verlic eigentlich noch viel besser steht, und legt den Puck quer. 3:2 (30.). Und bevor die Halle sich wieder vom Kopf auf die Füße stellen kann, legt Mauermann den Puck ohne sich umzudrehen per Rückhand auf Alex Friesen ab: das 4:2 (36.).
"Die feiern hier, als hätten sie schon die Meisterschaft gewonnen", brummt Eisbären-Kapitän Wissmann
Fischtown flippte jetzt völlig aus. "Bremerhaven hat seine Chancen genutzt, wir nicht", sagte Eisbären-Kapitän Kai Wissmann. "Nach dem 2:0 haben wir gedacht: oh, super, läuft." Aber keine ihrer weiteren Chancen - und es waren einige - nutzten die Berliner.
"Die feiern hier, als hätten sie schon die Meisterschaft gewonnen", brummte Wissmann, als die Pinguine - ungewöhnlich für das erste Spiel einer Playoff-Serie - eine Ehrenrunde liefen. "Aber es ist nicht das erste Mal, dass wir in einer Serie 0:1 hinten liegen." Am Freitag (19.30 Uhr) geht es weiter, in Berlin. Aber das war Bremerhaven egal. Rocketman Moore startete auf der Fantribüne gerade die nächste Feierrakete.