Copa América:Brasilien besiegt sein Trauma

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Freud und Leid: Lionel Messi bleibt erneut die Chance auf die Copa verwehrt, Brasilien ist im Finale. (Foto: Natacha Pisarenko/AP)
  • Brasilien zieht nach einem 2:0 gegen Argentinien ins Finale der Copa América ein.
  • Lionel Messi und sein Trainer wettern danach gegen den Schiedsrichter.
  • Die Seleção trifft nun im Finale auf Titelverteidiger Chile oder Peru.

Von Javier Cáceres, Belo Horizonte

Lionel Messis Traum vom ersten Titel mit der argentinischen Fußball-Nationalelf bleibt auch 2019 unerfüllt. An einem Abend, an dem die Copa América aus ihrem Dornröschenschlaf erwachte und das beste, leidenschaftlichste, dramatischste Spiel des bisherigen Turniers bot, unterlag der fünfmalige Weltfußballer mit Argentinien im Halbfinale der Südamerikameisterschaft gegen Brasilien in Belo Horizonte mit 0:2. Die Tore erzielten Gabriel Jesus von Englands Meister Manchester City (19. Minute) sowie Roberto Firmino vom Champions-League-Sieger FC Liverpool (71.).

"E-li-minados!!", skandierten die Zuschauer auf den Rängen des Estádio Mineirão - lange bevor eine Partie beendet war, die für die Brasilianer die fünfte in Serie ohne Gegentor war. Messi lastete das Aus auch dem Schiedsrichter an, weil er die Argentinier in der ersten Halbzeit mit Gelben Karten überzog. Zudem gab es zwei elfmeterreife Szenen, die vom Videoschiedsrichter nicht überprüft wurden. "Der Referee hat uns mit seinen Entscheidungen aus dem Spiel genommen", sagte Messi.

Der umstrittene Trainer Lionel Scaloni blies ins gleiche Horn. "Wir haben einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Wir waren überlegen", sagte Scaloni. Phasenweise war das tatsächlich so. Messi stärkte den seit 2016 amtierenden Scaloni den Rücken. Es sei eine gute Gruppe beieinander, "sie braucht Kontinuität." Er selbst wolle weitermachen. Nach der Finalniederlage bei der Copa América 2016 hatte er seinen später revidierten Rücktritt erklärt.

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Die Argentinier vergießen bittere Tränen

Der Tag, der für die Argentinier so bitter endete, dass Spieler wie Paredes und Lautaro Martínez nach dem Ende auf dem Platz bittere Tränen vergossen, hatte denkbar ungemütlich begonnen. In ihrem Mannschaftshotel klingelten die Wecker um 6.30 Uhr - angeblich eine Sabotageaktion, die von einem Angestellten der Fünf-Sterne-Bleibe exekutiert worden sein soll. Sollte die Nacht auch noch so kurz gewesen sein - spätestens das Adrenalin, welches das Stadion am Abend verströmte, dürfte den Letzten geweckt haben.

Denn im Mineirão - jener Bühne, auf der die DFB-Elf 2014 den WM-Traum der Brasilianer mit einem unvergänglichen 7:1 zertrümmerte - war mit 52 000 Zuschauern bestens gefüllt. Und bot schon vor Spielbeginn ein faszinierendes Spektakel. Alle brasilianischen Spieler wurden nachgerade hysterisch bejubelt, als die Aufstellung verlesen wurde. Alle Brasilianer - und ein Argentinier: Lionel Messi, 32. Und das war einer aufrichtigen Verehrung geschuldet und womöglich einer Ahnung: dass er zum sechsten Mal in einem Pflichtspiel gegen Brasilien ohne Tor und ohne Sieg dastehen würde.

Im Vergleich zum Viertelfinalspiel gegen Venezuela vom Freitag wiederholten die Argentinier zweierlei. Messi sang neuerlich (also zum zweiten Mal in seinem Leben vor einem Spiel seiner Mannschaft) die argentinische Hymne. Und Trainer Scaloni ließ zum ersten Mal in seiner Karriere in zwei Spielen nacheinander die gleiche Elf auflaufen. Indes: Vom Drang, den sie noch gegen Venezuela gezeigt hatten, war anfangs nichts zu sehen.

Im Gegenteil: Argentinien war darauf gepolt, dem Impetus der Brasilianer mit stoischer Ruhe zu begegnen. Gleichwohl hatten sie die erste Chance, durch einen 30-Meter-Gewaltschuss von Leandro Paredes (12.), der Ball flog knapp übers brasilianische Tor. Erst danach begannen die Brasilianer, ihre sterile Dominanz in Torgelegenheiten zu verwandeln: Stürmer Gabriel Jesus dribbelte sich nach einem absurden Fehler im Aufbauspiel von Argentiniens Juan Foyth zwar zunächst ins Nirwana (17.). Wenige Sekunden später aber zeigte er Geistesgegenwart.

Kapitän Daniel Alves nahm das defensive Mittelfeld der Argentinier auseinander, indem er erst Acuña überlupfte, dann Paredes austanzte und schließlich Firmino bediente, der von der rechten Strafraumseite auf Gabriel Jesus passte. Er traf aus fünf Metern flach ins Tor - und schoss die Brasilianer mit seinem ersten Turniertreffer in Führung.

Die Argentinier verfielen in Melancholie. Ein Standard Messis aus dem Halbfeld aber entzündete ihren Vortrag wieder, kehrte die Vorzeichen der Partie nach einer halben Stunde um: Agüero köpfte Messis hoch in den Strafraum getretenen Freistoß an die Querlatte, von dort sprang er sichtlich vor die Linie. Es folgte ein Messi-Solo über das halbe Feld, der in einen Pass auf Agüero mündete, diesmal scheiterte der blondierte Angreifer aber aus spitzem Winkel an Torwart Allison (30.). Nichts aber war erhebender als ein Messi-Dribbling im Strafraum, bei dem er vier Brasilianer hüftsteifer wirken ließ als jeden deutschen Zweitligavorstopper. Das Publikum reagierte mit "Messi"-Rufen. Wohlgemerkt: das brasilianische Publikum.

Brasilien trifft im Finale auf Peru oder Chile

Nach der Pause begann Argentinien, Spielzüge aneinanderzureihen, die im Stadion einen Duft von Ausgleich verströmten. Nach Fernschüssen von Lautaro Martínez und Rodrigo De Paul begann das anfangs so fiebrige Publikum zu erkalten, irregeleitete Aktionen der eigenen Mannschaft mit Pfiffen zu quittieren. Einzig eine Delikatesse von Gabriel Jesus wurde goutiert: Er spielte Coutinho frei, der aber aus elf Metern am Tor vorbeizielte. In der 57. Minute hätte fast die Stunde Messis geschlagen: Einen abgeblockten Schuss von Lautaro Martínez jagte er aus spitzem Winkel an den Pfosten. Wenig später hielt Torwart Allison einen Freistoß, den Messi aus 18 Metern gen Winkel gezirkelt hatte (66.).

Doch als alles darauf hindeutete, dass Brasilien einer Abwehrschlacht entgegentaumelte, tauchte Gabriel Jesus wieder auf. Nach einer Szene, bei der die Argentinier einen Strafstoß reklamierten, konterte Gabriel Jesus über die linke Seite, ließ auf seinem 50 Meter langen Weg unter anderen seinen City-Mannschaftskameraden Otamendi aussteigen - und bediente Firmino mit einem feinen Pass. Der frühere Hoffenheimer musste nur noch einschieben, um den neunten Sieg Brasiliens im elften Südamerika-Klassiker zu besiegeln, der im Rahmen der Copa América ausgetragen wurde.

Brasilien trifft am Sonntag im Finale von Rio de Janeiro auf den Sieger aus der Partie zwischen Peru und Titelverteidiger Chile, sie tragen am Mittwoch in Porto Alegre den Pazifik-Klassiker aus. Ein Sieg Brasiliens wäre der erste Sieg in einem internationalen Turnier seit 2007. "Wir haben den ersten Schritt getan, nun muss der zweite folgen", sagte Brasiliens Kapitän Dani Alves.

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