Copa América:Messi ist nicht mehr Messi

Copa América: Zur Zeit voller Selbstzweifel: der Argentinier Lionel Messi.

Zur Zeit voller Selbstzweifel: der Argentinier Lionel Messi.

(Foto: AFP)
  • Argentinien steht im Halbfinale der Copa América - aber ohne Messis Zutun.
  • Der Weltfußballer ist alles, aber nicht in Form. "Ich spiele nicht so, wie ich es erwartet hatte", gibt Messi zu.
  • Gegen Brasilien hoffen die Argentinier nun, dass er wieder den wahren Messi zum Vorschein bringen wird.

Von Javier Cáceres , Rio de Janeiro

Vor ein paar Tagen erreichte Lionel Messi, 32, die Bitte, seine Fußspuren im Estádio Maracanã zu hinterlassen. Im wörtlichen und im übertragenen Sinne. Im wörtlichen, weil das Maracanã-Museum gern den Abdruck seiner Gesegneten auf dem Walk of Fame des Stadions zeigen würde, dort sind schon Güsse der Füße von Legenden wie Franz Beckenbauer, Zico, Pelé oder - Fußball-Aficionados dürfte er ein Begriff sein - des grandiosen Ex-Leverkuseners Tita zu sehen.

Die Antwort Messis auf die Anfrage steht noch aus. Schwerer wiegt in den Augen der Argentinier, dass er auch auf die Bitte, im übertragenen Sinne Spuren im Maracanã zu hinterlassen, nicht nachkam: Am Freitag siegte Argentinien im Viertelfinale der Copa América gegen Venezuela mit 2:0. Doch Messis Beitrag zum Halbfinaleinzug gegen Brasilien, das am Dienstag in Belo Horizonte stattfinden wird, ging über seine bloße Präsenz kaum hinaus.

Diego Latorre, früher argentinischer Nationalspieler und heute TV-Experte, war gerade an den Exponaten in den Katakomben des Maracanã vorbei gelaufen, als er ungefragt bekannte, einem Rätsel erlegen zu sein. "Messi ist ein Enigma!", rief Latorre, verzweifelt und erregt.

Von einer ausdruckslosen, unentzifferbaren Maske verhüllt

Ganz so neu ist diese Erkenntnis nicht. Messi ist Zeit seines Lebens ein Spieler gewesen, der immer wie von einer ausdruckslosen, unentzifferbaren Maske verhüllt war. Egal, ob er mit Ärger, Glücksgefühlen oder Indifferenz angefüllt war, bei seinem spanischen Klub, dem FC Barcelona, können sie Lieder davon singen. Immer schon musste man abwarten, bis er auf dem Rasen stand, um zu dechiffrieren, wie er drauf war - ein Ball als Simultanübersetzer. Andererseits: Nie war er neben dem Platz offener als jetzt bei der Copa América. Messi bleibt in der Mixed Zone stehen, spricht geduldig mit den Journalisten, kehrt sogar Persönliches nach außen.

Nur auf dem Platz scheint er nicht mehr Messi zu sein. Beziehungsweise: Nicht der Messi, den man aus Barcelona kennt.

Er scheint sich selbst ein Rätsel zu sein. Nach dem 2:0-Sieg gegen Venezuela, bei dem die Italien-Profis Lautaro Martínez (21 Jahre/Inter Mailand) und Rodrigo De Paul (25/Udinese) die Tore erzielten, übte er Selbstkritik wie noch nie. "Mein Niveau ist nicht das beste. Ich spiele nicht so, wie ich es erwartet hatte." Gegen Venezuela misslangen Messi auch einfache Dribblings, oder er wirkte derart unbeteiligt, als ginge ihn das alles auf dem Platz nichts an. Die Tore der Kameraden freilich feierte er, als wären es seine eigenen gewesen. Dies- und jenseits des Atlantiks kommen Beobachter zum gleichen Schluss, ganz egal, ob sie, wie der Nationalelfreporter der argentinischen Zeitung Olé in Rio de Janeiro im Stadion oder wie der Barça-Chefchronist der El País in Barcelona vorm TV sitzen: "Argentinien spielt besser als Messi." Das ist im Lichte der letztjährigen Leistungen Argentiniens unerhört neu. Und birgt in den Augen der Argentinier eine Hoffnung. Irgendwann, so ihr Kalkül, wird Messi wieder Messi sein.

"Man hat den Eindruck, er spiele gar nicht mit"

Andererseits: Messi hadert (zurecht) mit den Rasenflächen in Brasilien, der Ball "hoppelt wie ein Hase irgendwo hin", sagt der fünfmalige Weltfußballer. Eine billige Ausrede? Mitnichten, urteilt Julio Baptista, einst Profi bei Real Madrid und im Finale der Copa América 2007 - dem ersten von insgesamt vier Finals, die Messi mit Argentinien verloren hat - Schütze des wichtigen 1:0 (Endstand 3:0) für Brasilien.

"Der Fußball ist langsamer als in Spanien, auch wegen des Rasens. Deswegen kann er nicht so direkt und schnell agieren wie bei Barça. Und: Es gibt hier viel mehr Körperkontakt. Es wird hier härter, häufiger und boshafter zugelangt", erklärte der Brasilianer am Samstag in Rio de Janeiro.

Das Tempo des Spiels ist auch für Quique Wolff ein Faktor, er war einst Kapitän der argentinischen Nationalelf und WM-Teilnehmer 1974. "Der Rasen ist hier schlechter, länger und langsamer als in Europa. Man hat das umgekehrt gesehen, als River und Boca (im Dezember 2017) in Madrid das Libertadores-Finale austrugen. Die Spieler hatten nach 30 Minuten Krämpfe!", sagt Wolff. Das Kardinalproblem aber bleibe, dass Argentinien nie verstanden habe, für Messi zu spielen. "Er ist bei Argentinien zu lange ohne Ballkontakt, man hat den Eindruck, er spiele gar nicht mit."

Wolff freilich glaubt, dass die Partie gegen Brasiliens den besten Messi hervorkehren wird. Bislang hat er nur ein Elfmetertor gegen Paraguay erzielt. "Vielleicht kommt mein Tor gegen Brasilien", sagte Messi selbst vor dem Clásico des südamerikanischen Fußballs, der eine angemessene Bühne wäre, um Spuren zu hinterlassen.

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