Christopher Froome:Unerwünschter Dauersieger

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Umstrittener Mittelpunkt beim Giro: Der britische Favorit Chris Froome. (Foto: Luk Benies/AFP)
  • Christopher Froome startet schlecht beim Giro d'Italia
  • Der Toursieger stürzt vor der ersten Etappe bei einer Besichtigung.
  • Außerdem sind da immer noch die schweren Dopingvorwürfe gegen den Engländer

Von Johannes Knuth, München

Für einen Moment wirkte es so, als wäre die Italien-Rundfahrt für den Radprofi Christopher Froome vorbei, bevor sie begonnen hatte. Froome inspizierte am vergangenen Wochenende den Parcours in Jerusalem (das den Prolog der Rundfahrt beherbergte), er rauschte in eine Rechtskurve, als sein Vorderrad wegrutschte. Froome knallte wuchtig auf den Beton, rappelte sich auf, aber er humpelte, Blut klebte an Hüfte und Knie.

Beim anschließenden Zeitfahren wirkte der Brite angezählt, die Lücke zu Tom Dumoulin, dem Titelverteidiger, riss um 37 Sekunden auf. Halb so wild, sagte Froome später, im Wissen um seine empfindliche Schlappe. "Heute haben sich einige Jungs böse verletzt, bei mir ist es zum Glück nichts Schlimmes", fügte er an. Seine Wunden waren mittlerweile von Pflastern bedeckt.

Froome beteuert, er habe keine Regeln verletzt

Als würden die seelischen Schrammen nicht schon genug auf Froomes Gemüt drücken, beim 101. Giro d'Italia. Eigentlich war der 32-Jährige ja mit einer hübschen Geschichte zu dieser Rundfahrt angereist. Sollte Froome die Corsa Rosa gewinnen, nach seinem vierten Tour-de-France-Erfolg und dem Sieg bei der Vuelta im vergangenen Jahr - er hätte endlich die drei großen Rundfahrten auf seiner Seite. Das haben erst sechs Profis geschafft.

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Wenn Froome im kommenden Juli auch noch das Double aus Giro und Tour meistern würde, an dem sich schon viele Größen vergeblich abrackerten - dann hätte er auch eine der schwersten Prüfungen auf der To-Do-Liste der Radsport-Heroen abgehakt. Am Dienstag verlor Froome im schweren Sprint in Caltagirone freilich erst mal weitere Sekunden, am Donnerstag steht der nächste Stresstest bevor: eine Bergetappe auf Siziliens Hausvulkan, den Ätna.

Nur debattiert die Szene in diesen Tagen eine ganz andere Frage: Was Froome überhaupt bei diesem Giro zu suchen hat.

Der Brite hatte bei der vergangenen Vuelta nach der 18. Etappe, einer schweren Bergprüfung, einen positiven Test eingereicht. Die Fahnder stießen auf 2000ng/ml Salbutamol, doppelt so viel wie der generöse Grenzwert der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) erlaubt. Froome besitzt für das Mittel eine Ausnahmegenehmigung, er ist Asthmatiker, muss den Grenzwert aber einhalten.

Seit der Positivprobe tobt nun ein legaler Ringkampf, zwischen dem Doping-Tribunal des Radsport-Weltverbands UCI und Froomes Anwälten. Die wollen beweisen, dass der Salbutamol-Wert unverschuldet in die Höhe getrieben wurde. Solange das Verfahren in der Schwebe ist, darf Froome starten; er habe ja nichts falsch gemacht, beteuert er. Die UCI behandelte den Vorgang zunächst vertraulich; erst als der Positivtest im vergangenen Dezember an die Öffentlichkeit leckte, kroch die Ungewissheit wie bleierner Novembernebel über den Sport: Sollte Froome nicht pausieren, solange unklar ist, ob der erfolgreichste Fahrer der Neuzeit gedopt hat? Zumal nach den Skandalen der vergifteten Vergangenheit, die der Sport hinter sich gelassen haben will?

Wo Froome zuletzt in Israel auftauchte, bedachten die Zuschauer ihn oft mit Applaus. Aber die positiven Umfragewerte im Peloton, die er zuletzt für sich reklamierte, dürften wohl auf Bilanztrickserei fußen. Tom Dumoulin, Froomes großer Widersacher, sagte zuletzt pikiert: "Mein Team ist Teil der MPCC - darum wäre ich in seiner Situation nicht hier." MPCC, das ist das Mouvement pour un Cyclisme crédible, ein Kollektiv von Profiteams, das einem strengeren Protokoll folgt als dem der UCI. Zum Beispiel, dass ein Fahrer nicht startet, wenn er aus gesundheitlichen Gründen Asthmamittel nimmt. Froomes Team Sky, das stets beteuert, porentief sauber zu arbeiten, ist nicht Mitglied in diesem Bund.

"Vielleicht gewinnt er den Giro", sagte Dumoulin mit Blick auf Froome, "und ein paar Wochen später wird ihm der Sieg aberkannt." Vielleicht auch der Erfolg bei der Vuelta. Vielleicht zieht sich das Verfahren bis nach der Frankreich-Rundfahrt, womöglich hinauf zum Sportgerichtshof Cas. "Es ist traurig. Wir sprechen mehr über diesen Fall als über den Radsport", sagte David Lappartient zuletzt dem Tages-Anzeiger.

Der neue UCI-Chef, der vor seiner Wahl einen härteren Anti-Doping-Kurs versprach, will Regeln für Substanzen wie Salbutamol künftig anpassen: "Diese bei gesundheitlichen Beschwerden einzusetzen, ist kein Problem. Aber ein Athlet soll in der Zeit keine Rennen bestreiten." Das Anliegen berührt den Kern der Debatte: Gehört ein Fahrer, der eine derart starke Asthmadosis benötigt, nicht ins Bett anstatt auf den Sattel?

Die Anwälte des Briten könnten sich auf eine neue Studie berufen

Froomes Anwälte sehen das natürlich ganz anders. Die Londoner Times berichtete jetzt, wie sie ihren Klienten offenbar aus dem Verfahren pauken wollen: mit einer neuen Studie, die den Test der Wada anzweifelt. Es sei nicht haltbar, einen verlässlichen Salbutamol-Wert aus einer Urinprobe abzuleiten, folgern die Autoren darin. Die Wada reagierte gelassen. Zum einen, weil sie sich auf eigene, weitreichende Studien beruft, zum anderen stützt sich die neue Erhebung offenbar auch auf Daten, die bei Experimenten mit Hunden erhoben wurden. Und ein Autor ist Jules Heuberger, Urheber einer Studie zum Epo-Konsum im Radsport. Sein Fazit: Der Blutbeschleuniger bringe gar nichts.

Lang ist der Schatten des Zweifels, der Froome mittlerweile verfolgt - ihn, der sich vor rund sieben Jahren vom Hinterherfahrer zum Dominator wandelte und sich auch von Wurmkrankheiten, Nesselfieber und Asthma nicht stoppen ließ. Das alles in einer Equipe, die von allerlei Merkwürdigkeiten umrankt wird, von mysteriösen Medikamentenpakten, angeblich versehentlich bestellten Testosteronpflastern - und nun einem Positivtest, der nach acht Monaten weit von einer Klärung entfernt zu sein scheint.

© SZ vom 09.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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