Chinesischer Fußball-Klub Shanghai Shenhua:Machtspiele mit Drogba und Anelka

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Didier Drogba (li.) kehrte nach einem halben Jahr in Shanghai wieder nach Europa zurück - sein Kollege Nicolas Anelka ist mittlerweile bei Juventus Turin. (Foto: imago sportfotodienst)

Zwei Topstürmer wollten Geld verdienen und ein fernes Fußballland kennenlernen. Doch nach wenigen Monaten gaben Didier Drogba und Nicolas Anelka entnervt auf: Die China-Legionäre erlebten in Shanghai chaotische Verhältnisse - und mussten erkennen, dass im Reich der Mitte andere Dinge im Fokus stehen.

Von Johannes Mitterer

Als Schalke 04 kürzlich in der Champions League gegen Galatasaray Istanbul spielte, sah sich der Bundesligist unerwarteter Prominenz gegenüber. Die Türken präsentierten mit Didier Drogba einen neuen Millionen-Zugang- erst im Winter hatte man den Ivorer aus China an den Bosporus geholt, um in entscheidenden internationalen Duellen mehr Strahlkraft zu entwickeln.

Ähnliches widerfährt nun dem FC Bayern. Auch Juventus Turin, Gegner der Münchner im Viertelfinale, hat kurzerhand seine Offensive aufgemöbelt. Im Aufgebot der Italiener befindet sich neuerdings der Franzose Nicolas Anelka, der als Wandervogel durch Europas Fußballklubs schon weit gereist ist. Zuletzt hatte es ihn aber in die Ferne verschlagen, genau wie Drogba war der Angreifer Anfang des Jahres noch beim chinesischen Erstligisten Shanghai Shenhua unter Vertrag.

Zwei hochbezahlte Topstürmer im fußballerisch zweitklassigen China - das war schon etwas besonderes. Anelka wechselte im Januar 2012 unter Jubelstürmen der chinesischen Fans in die riesige Millionenstadt am Meer. Der exzentrische 34-Jährige wollte nach Engagements in Paris, London, Madrid oder Istanbul noch einmal ganz woanders hin. Aber warum ausgerechnet China? Das Geld dürfte eine Rolle gespielt haben, aber vielleicht reizte den Franzosen auch ein unbekanntes Fußballland. Die Chinesen machten ihn gleich zum Kapitän.

Mit Hilfe des Zugpferdes Anelka wurde noch ein weiterer großer Name dazu geholt: Drogba stieß unmittelbar nach seinem Champions League-Sieg mit dem FC Chelsea im Juni 2012 zur Mannschaft, der wuchtige Sturmtank unterschrieb für zweieinhalb Jahre und twitterte: "Welcome to Shanghai."

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Der populärste Fußballer Afrikas und ein renommierter Kollege in China - darüber freuten sich nicht nur die Shenhua-Fans, der gesamte chinesische Fußball feierte einen plötzlichen Bedeutungszuwachs. Dass die beiden Stürmer mit einem Gehalt von etwa 250.000 Euro pro Woche fürstlich entlohnt wurden, verstand sich von selbst. Die Hochphase sollte allerdings nur von kurzer Dauer sein: Ein knappes Jahr später ist Anelka in Shanghai Geschichte, auch Drogba hat sich wieder verdrückt. Was war passiert?

Die Spurensuche bringt vielfältige Gründe zu Tage: Einerseits blieb den beiden Größen der erhoffte sportliche Erfolg verwehrt. Shanghai landete in der Liga trotz geballter internationaler Stürmerkraft unter 16 Teams nur auf dem elften Tabellenplatz. Drogba traf zumindest acht Mal in elf Spielen, Anelka gelangen gerade einmal drei Tore in doppelt so vielen Einsätzen. Der Klub erlebte einen weiteren Dämpfer: Bei der Aufarbeitung eines weitreichenden Wettskandals von 2003 verdonnerten die Ligaverantwortlichen Shenhua zu einem Punktabzug von sechs Punkten.

Die Probleme des Vereins gehen weit über die sportliche Dimension hinaus. Nachdem der Klub seine einst hervorragenden Kontakte zur höchsten politischen Führung des Landes verloren hatte, wurde im Jahr 2007 Investor Zhu Jun ins Boot geholt. Dieser hatte mit Online-Computerspielen Reichtum erlangt und sich in seinem Verlangen nach hohem gesellschaftlichem Ansehen mit Shenhua ein neues Spielzeug zugelegt. "Viele reiche Leute werden neidisch sein, wenn sie mich neben diesen Profis auf dem Feld sehen. Mit ihren steifen Beinen werden sie niemals Fußball spielen können", prahlte er im Gespräch mit der Financial Times. Nicht nur einmal stellte er sich über den Kopf des Trainers hinweg bei Freundschaftsspielen selbst in die Startelf.

Einst gemeinsam in London, dann in Shanghai - jetzt in unterschiedlichen Klubs in Europa: Nicolas Anelka und Didier Drogba.  (Foto: dpa)

28,5 Prozent der Anteile erwarb Zhu, den Rest hält ein Konglomerat von fünf staatlichen Unternehmen mit Sitz in Shanghai. Der Unternehmer sollte später die Mehrheit zugesprochen bekommen, sobald sein Investment die 18-Millionen-Euro-Marke überschreiten würde, so der Plan. Obwohl Zhu Berichten der Southern China Morning Post zufolge in den vergangenen fünf Jahren umgerechnet mehr als 75 Millionen Euro in den Verein investiert hat, weigern sich seine staatlichen Partner nun aber, ihm die alleinige Kontrolle zu übertragen.

Dieser Machtkampf gewann in den letzten Jahren an Brisanz, weil Zhu mit seinem Games-Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war. Um seine Widersacher unter Druck zu setzen und weil er finanziell nicht mehr flüssig war, fror der Investor kurzerhand die Gehälter seiner Spieler ein. Das betraf schließlich auch die Zahlungen an Drogba und Anelka, deren Engagement er selbst forciert hatte, ohne dass er die Kicker je entlohnen hätte können.

Die Mannschaft trat daraufhin in einen Streik. Anelka spielte mit einem Mannschaftskollegen gemütlich Basketball - wie man eine teaminterne Revolution anzettelt, weiß er schließlich seit der legendären Trainingsverweigerung einiger französischer Nationalspieler bei der WM 2010. Drogba hatte andere Verpflichtungen, er war zu diesem Zeitpunkt mit der Nationalmannschaft unterwegs.

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Lange wollten die beiden Stürmer nicht auf ihr stattliches Honorar verzichten - sie verdrückten sich recht abrupt, wohl auch, weil sie von Gerüchten um Korruption, Geldprobleme und Machtspielchen genug hatten. Drogba nahm sogar einen juristischen Schlagabtausch mit seinem chinesischen Arbeitgeber in Kauf, an dessen Ende die Fifa seine Vertragsunterzeichnung mit Galatasaray absegnen musste. Rein rechtlich hatte er noch einen laufenden Vertrag mit Shanghai, die Sache ist weiterhin ein Fall für die Anwälte, auch wenn der Mann von der Elfenbeinküste gegen Schalke schon mitspielte.

Auch nach dem Weggang von Drogba und Anelka sind die tiefgreifenden Probleme beim chinesischen Klub nicht zu lösen. Während Zhu um sein wirtschaftliches und gesellschaftliches Überleben kämpft, ist seinen Konkurrenten und der chinesischen Regierung der Verein mittlerweile schlichtweg egal. Ihnen geht es nur noch um ein Trainingsgelände in der Shanghaier Vorstadtgegend Kangqiao, das mittlerweile mehr als eine Milliarde Euro wert sein soll.

Nicolas Anelka freut sich indes, "mit Juventus (der elften Station seiner Profilaufbahn, d. Red.) wieder bei einem großen Verein" zu spielen. Die vorübergehende Liebe zu ihrem Ex-Klub in China interessiert die beiden Exilanten kaum mehr. Sie ließen Shenhua in desolatem Zustand zurück.

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