Tottenham vs Chelsea:Mourinhos gezielte Seitenhiebe sitzen

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José Mourinho (links) und Frank Lampard (rechts) geraten aneinander, nun spricht die ganze Insel darüber. (Foto: AFP)

Beim Erfolg im Ligapokal stichelt der portugiesische Trainer gegen seinen jüngeren Kollegen Frank Lampard - und trickst ihn dann vor dem Elfmeterschießen aus.

Von Sven Haist, London

Frank Lampard, 42, hätte vor José Mourinho, 57, gewarnt sein müssen. Vier Jahre spielte Lampard einst im Mittelfeld unter seinem jetzigen Trainerkollegen Mourinho, mit dem er gemeinsam beim FC Chelsea zwei Meisterschaften gewann. Die Tricks, mit denen der gewiefte wie streitbare Portugiese seine Kontrahenten piesackt, hätte Lampard also kennen können. Und er hätte als jetziger Chelsea-Trainer auch wissen müssen, dass Mourinho, gerade im Dienste der Tottenham Hotspur, sein Wirken am ehemaligen Arbeitsplatz mit gemischten Gefühlen betrachtet.

Trotzdem ließ sich Lampard am Dienstagabend in der 27. Minute des Ligapokal-Achtelfinals zwischen Tottenham und Chelsea (das Tottenham zu Hause im Elfmeterschießen gewann) zu einem Wortgefecht mit Mourinho hinreißen. Zu diesem Zeitpunkt lag Chelsea vorne durch das erste Pflichtspieltor des deutschen Nationalstürmers Timo Werner (19.). Wie im leeren Stadion gut zu hören war, rief Mourinho seinem Kontrahenten erbost zu: "Verdammt noch mal, Frank, wenn es 0:3 stehen würde, ständest du nicht hier (in der Trainerzone)!"

Mourinhos spitze Bemerkung zielte auf Chelseas 3:3 am Wochenende in der Premier League ab, als West Bromwich zur Halbzeit 3:0 geführt und Lampard das Spiel nach den Gegentoren weitgehend resigniert von der Ersatzbank aus verfolgt hatte, ehe sein Team doch noch das Unentschieden schaffte. Genüsslich führte Mourinho aus, dass es ihm leidgetan habe, ihn "wirklich traurig und ruhig auf seinem Platz" gesehen zu haben. Daher sei sein Rat von einem alten an einen jungen Coach gewesen: "Bleibe am Seitenrand, wenn dein Team hinten liegt und verhalte dich ruhig, wenn dein Team vorne liegt. Wir brauchen in Führung liegend nicht die Protagonisten zu sein."

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Der FC Chelsea führt im Ligapokal gegen Tottenham lange durch einen Treffer des deutschen Nationalspielers, verliert aber im Elfmeterschießen.

Mit seiner Äußerung ließ Mourinho Lampard in aller Öffentlichkeit dastehen wie einen, der, nun ja, nach einer Saison bei Zweitligist Derby County erst seit 15 Monaten als Trainer in der Premier League arbeitet.

Vor dem Elfmeterschießen steht Lampard die Anspannung ins Gesicht geschrieben

Nach dem Spiel war Lampard sichtlich bemüht, den für ihn pikanten Vorfall herunterzuspielen. Er habe nur "etwas Spaß an der Linie" mit Mourinho gehabt, sagte Lampard, "ich habe ihm gesagt, dass er mehr mit dem Schiedsrichter redet als mit seinen Spielern." Aber Mourinho kannte kein Erbarmen. Mehrere gezielt wirkende Seitenhiebe griffen dessen Autorität weiter an. In den britischen Medien hat Lampard aufgrund seiner Verdienste als Spieler eine Art Welpenschutz vorgefunden, bis er sich in den vergangenen Wochen mit einigen fragwürdigen Personalentscheidungen sowie einem teils schroffen Umgang selbst angreifbar gemacht hat. Darunter fällt etwa die Zurückstufung des im Verein angesehenen deutschen Nationalspielers Antonio Rüdiger, den Lampard zu Saisonbeginn abservierte und der sich momentan nach einem neuen Verein umsieht.

Und dann trickste ihn Mourinho auch noch vor dem Elfmeterschießen aus. Mit demonstrativer Zufriedenheit lief er auf Lampard zu, um ihm die Hand zu reichen. Zuvor hatte Mourinho auf dem Platz bereits freudig seine Spieler geherzt und mit seiner Körpersprache deutlich gemacht, dass das finale Resultat an der positiven Meinung zur Leistung seines Teams nichts mehr ändern würde. Hinter dem Vorgehen steckte das Kalkül, den eigenen Profis im Nervenspiel aus elf Metern die Sorge vor der Niederlage zu nehmen - und vor allem den Kontrast zur Lage bei seinem Ex-Verein zu schärfen. Denn die Anspannung war Lampard ins Gesicht geschrieben, besonders nach der verspielten Führung. Trotz sichtbarer Überlegenheit war Eric Lamela für Tottenham der Ausgleich gelungen (83.).

Mourinhos psychologische Kniffe bewährten sich, seine ausgewählten Spieler verwandelten ihre Elfmeter souverän. Als fünften und entscheidenden Schützen setzte er auf den erfahrenen Harry Kane, während Lampard dem 21-jährigen Mason Mount vertraute. Unter der Last treffen zu müssen, zielte Mount beim entscheidenden Strafstoß links neben das Tor. Durch das 6:5 nach Elfmeterschießen gegen den Londoner Stadtrivalen zog Tottenham ins Viertelfinale ein, das im Dezember ausgetragen wird. Im ausgiebigen Jubel ließ sich erkennen, welche Brisanz in diesem vermeintlich nachrangingen Ligapokalspiel steckte.

Für beide Vereine ist der Wettbewerb in jeder Saison der schnellste und vermeintlich auch einfachste Weg, einen Titel zu gewinnen - und eine Trophäe benötigt Tottenham gerade genauso dringend wie Chelsea. Mit dem Unterschied, dass Lampard im Vergleich zu Mourinho weit mehr in der Bringschuld steht, nachdem Chelsea eine Viertelmilliarde Euro im Sommer für fünf neue Spieler ausgegeben hat. Zuletzt 25 Millionen für den gegen Tottenham erstmals im Tor gestandenen Edouard Mendy von Stade Rennes.

"Wir haben ein großartiges Team geschlagen", betonte Mourinho deshalb: "Man muss sich nur mal die ganzen Ersatzspieler von Chelsea anschauen und die Spieler, die nicht dabei waren. Deren Kader ist ein Witz." Die nächste unangenehme Stichelei gegen Lampard.

Mourinho hatte schon vor dem Spiel versucht, sich Chelseas durchwachsenen Ligastart (ein Sieg, ein Remis, eine Niederlage) zunutze zu machen, indem er geschickt die Fallhöhe vergrößerte. Bei jeder Gelegenheit gab er zu Protokoll, sein Team hätte in dieser Woche vier Pflichtspiele in acht Tagen zu bewältigen. In der zweiten Halbzeit musste Tottenhams Eric Dier während des laufenden Spiels in Richtung Toilette verschwinden. Laut Mourinho sei Dier, dem er in die Kabine gefolgt war, um ihn so schnell wie möglich zurück auf den Platz zu holen, nach zwei Spielen in drei Tagen "gänzlich dehydriert" gewesen, "müde, ohne Energie in den Muskeln, völlig erledigt". Auch diese Ausführungen machten das Aus von Chelsea für Lampard nicht gerade erträglicher.

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