Chaos beim TSV 1860:Maximal verzwickte Lage bei den Löwen

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Trainer Torsten Fröhling durchlebt mit dem TSV 1860 schwere Zeiten. (Foto: dpa)
  • Am Tag nach dem Massen-Rücktritt beim TSV 1860 München versuchen die verbleibenden Verantwortlichen, den Verein notdürftig zusammenzuhalten.
  • Was wird aus Sportchef Poschner und Trainer Fröhling? Wer könnte jetzt Interimspräsident werden?
  • Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Filippo Cataldo

Am Tag nach dem Massenrücktritt der Funktionäre des TSV 1860 ringt der Klub um seine Handlungsfähigkeit. Präsident Gerhard Mayrhofer, seine Vizes Erik Altmann und Heinz Schmidt sowie Aufsichtsrat und Beiratmitglied Karl-Christian Bay hatten sich am Freitagabend mit sofortiger Wirkung zurückgezogen, nachdem Gespräche mit Investor Hasan Ismaik über eine "langfristig tragfähige Lösung" von Ismaik abgebrochen worden waren.

In ihrer letzten Amtshandlung erlaubten Mayrhofer und Co. aber dem umstrittenen Sport-Geschäftsführer Gerhard Poschner, die auslaufenden Verträge von Cheftrainer Torsten Fröhling und von Verteidiger Kai Bülow zu verlängern. Bülow hatte den Löwen mit seinem Tor in der Nachspielzeit im Relegationsspiel gegen Kiel erst eine weitere Saison in der zweiten Liga beschert. Bülow unterschrieb einen Einjahresvertrag. Und auch Fröhling darf nun ein weiteres Jahr Trainer bleiben, wie der Klub mitteilte.

Der Versuch, Ismaik ein Angebot zu machen, das er nicht ablehnen konnte und den Jordanier somit zur Ablösung von Poschner und zum Verkauf seiner Anteile zu überreden, war am Freitag allerdings gescheitert. Das beim TSV 1860 München ohnehin traditionelle Führungs-Chaos droht trotz der Klärung der Trainerfrage eine nicht vorstellbare Dimension zu erreichen.

Wie geht es jetzt weiter?

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Chaos beim TSV 1860 München: Das Präsidium ist zurückgetreten, damit ist der Verein im Grunde handlungsunfähig. Nun sollen Sofortmaßnahmen her - Trainer Fröhling kann seinen Job behalten.

Der Verein ist derzeit de facto führungslos und nicht handlungsfähig, was er laut Satzung und Bürgerlichem Gesetzbuch nicht sein darf. In der jetzigen Situation eine maximal verzwickte Lage. Laut Artikel 11.2.3. der Satzung des TSV 1860 muss der Verwaltungsrat nun für jedes ausgeschiedene Präsidiumsmitglied ein Ersatzmitglied "für die Zeit bis zur nächsten (gegebenenfalls außerordentlichen) Mitgliederversammlung" wählen. Dieses Interimspräsidium würde bis zur Mitgliederversammlung die Geschicke leiten und müsste sich dann von den Mitgliedern im Amt bestätigen lassen.

Möglich ist aber auch, dass der Verwaltungsrat bei der Mitgliederversammlung neue Kandidaten zur Wahl stellt. Sollte der Verwaltungsrat sich (aus welchen Gründen auch immer) außerstande fühlen, ein Interimspräsidium zu wählen, könnte das Amtsgericht auf Antrag eines beliebigen Mitglieds einen Notvorstand bestellen. Diese Variante ist aber äußerst unwahrscheinlich. Der Verwaltungsrat hat bereits am Freitagabend nach dem Rücktritt Mayerhofers und Co. eine Krisensitzung für Samstag einberufen.

Finanz-Geschäftsführer Markus Rejek rief die Räte dazu auf, "so schnell wie möglich die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, dass die Ämter im Präsidium, Beirat und Aufsichtsrat bis zu einer Mitgliedsversammlung kommissarisch" zu besetzen. Er betonte aber, dass der Klub aber auch jetzt "absolut handlungsfähig" sei und er die "notwendigen Planungen und Maßnahmen insbesondere im Sport entsprechend unserer abgestimmten Finanzplanung angehen" könne. Dies scheint allerdings angesichts der verworrenen Situation zwischen den Gesellschaftern zumindest mittel- und langfristig fraglich.

Wer könnte nun Mayrhofers Amt übernehmen?

Die Frage müsste eher lauten: Wer würde sich das Amt jetzt nach der Selbstopferung Mayrhofers und Co. überhaupt noch antun wollen? Auf die Schnelle einen unabhängigen Kandidaten zu finden, der bisher nicht als Funktionär aufgetaucht ist bei den Löwen und dessen Verhältnis zu Ismaik noch gänzlich unbelastet ist, wird für den Verwaltungsrat kaum möglich sein. Viel wahrscheinlicher ist, dass das Kontrollgremium jemanden aus seiner Mitte entsendet. Womöglich sogar den Vorsitzenden Siegfried Schneider, den Ismaik aus früheren Verhandlungsrunden bereits kennt und den der Investor laut eigener Aussage im SZ-Interview sogar schätzt.

Schneider ist nach dem Rückzug des Präsidiums ohnehin der stärkste Mann im Verein. Doch eine Entsendung Schneiders ins Präsidium würde zu der absurden Situation führen, dass bis auf Weiteres ein Mann die Geschicke leiten würde, der am Sonntag schon gar nicht mehr involviert sein wollte. Der frühere Staatsminister und jetzige Leiter der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien hat auf eine Kandidatur für den neuen Verwaltungsrat verzichtet, er wollte sich eigentlich zurückziehen. Nun könnte er als Mann des Übergangs zumindest bis zur Mitgliederversammlung das Gespräch mit Ismaik führen und zudem einen Nachfolger suchen, der den Mitgliedern vermittelbar wäre.

Wieso hat Mayrhofer Poschner nicht mit seiner Präsidentenstimme entlassen?

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Rein formal hätte er das tatsächlich tun können. Im Geschäftsführungs-Beirat, das über die Bestellung und Entlassung von Geschäftsführern entscheidet, sitzen zwei Vertreter des Vereins (bisher eben Mayrhofer und Bay) und zwei des Investors (Ismaik selbst und sein Statthalter Noor Basha). Um die 50+1-Regularien der DFL zu erfüllen, zählt bei einer Pattsituation in diesem Gremium die Präsidentenstimme doppelt. Doch das Gremium hätte tagen müssen, damit es überhaupt zur Abstimmung hätte kommen können.

Dem Vernehmen nach weigerte Ismaik sich mehrmals, der Einladung zur Beiratssitzung zu folgen. Theoretisch hätte das Präsidium Poschner wohl auch am Beirat vorbei entlassen können - und sich ebenfalls auf die 50+1-Regularien berufen können. Doch Mayrhofer entschied sich dagegen - wohl aus Sorge, dass Ismaik dann seine Darlehen aufkündigen könnte. Zumindest eines der zwischenzeitlich in Genussscheine umgewandelte Darlehen Ismaiks läuft zum Jahresende aus. Der Klub hätte mindestens sechs Millionen Euro an liquiden Mitteln auftreiben müssen, um einer Strafe durch die DFL zu entgehen - oder gar insolvent zu werden.

Müsste die DFL nicht eingreifen?

Nicht, solange Verein und Investor die Satzung befolgen. Das Präsidium ist freiwillig zurückgetreten. Bei den Gesprächen mit Ismaik ging es nicht nur um die Causa Poschner, sondern auch um einen möglichen Verkauf von Ismaiks Anteilen an ein nicht näher definiertes Konsortium. Aber: Keiner kann Ismaik zwingen, seine Anteile zu verkaufen. Das vorläufige Scheitern der Verhandlungen widerspricht nicht 50+1.

Vorläufig gescheitert ist nun zumindest die Option, Felix Magath zum neuen starken Mann bei 1860 zu machen. Der Meistertrainer des FC Bayern und VfL Wolfsburg war der Wunschkandidat des zurückgetretenen Präsidiums und des Verwaltungsrates. Außerdem soll auch das nicht näher bekannte Konsortium, das Ismaiks Anteile übernehmen möchte, hinter Magath zu stehen. Mit mindestens einem Mitglied des Konsortiums soll Magath auch geschäftlich verbunden sein.

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